AIL März 2018

aus der Kammer I n den letzten Wochen gab es aus meiner Sicht zwei ärgerliche Berichterstattungen im ORF Vorarlberg, die den Qualitätsjour- nalismus, den ein öffentlich recht- licher Sender bieten müsste, sehr in Frage stellen. Kurz nach dem Jahreswechsel rief mich eine Journalistin an und wollte eine Stellungnahme zum Fachärztemangel im niedergelas- senen Bereich. Die Wartezeiten würden ja inzwischen acht Mona- te betragen. Auf die Frage, wie sie denn zu dieser Zeit komme, teilte sie mir mit, sie hätte jetzt eine Stun- de telefoniert. Sie habe sich um ei- nen gynäkologischen Termin und um einen Termin beim Augenarzt bemüht. Ergebnis: sie hätte einmal von einer Kollegin gar keinen gy- näkologischen Termin bekommen, weil diese eine Aufnahmesperre habe. Bei einem Kollegen wurde ihr dann mitgeteilt, dass sie für eine Vorsorge eine Wartezeit von acht Monaten akzeptieren müsse. Beim Augenarzt hätte sie einen Termin in drei Monaten bekommen. Ich wies darauf hin, dass sie erstens nicht unterschieden habe zwischen Kassenvertragsärzten und Wahlärzten (die Gynäkologin war Wahlärztin) und teilte mit, dass wir neben dem Terminpool, der in den meisten Fächern Überkapazität aufweist nur eine systematische Be- fragung durch die VGKK kennen, die vor einigen Jahren von einem unabhängigen Institut systema- tisch durchgeführt wurde und ein paar Engstellen gezeigt hat, aber bei Weitem nicht durchschnittli- che Wartezeiten in diesem Ausmaß. Außerdem teilte ich mit, dass die Kassenfacharztdichte in Vorarlberg österreichweit die höchste ist. Ich schlug vor, dass wir versuchen seri- öse Zahlen aufzutreiben und warn- te davor, aus einer einstündigen Be- fragung die Regel abzuleiten, dass die Wartezeit beim Facharzt acht Monate betrage. Dieser Vorschlag wurde als Möglichkeit für später aufgenommen. Die Schlagzeile vom schrecklichen Fachärztemangel musste aber am gleichen Tag in die Öffentlichkeit. In der Ferienwoche wieder das übliche Thema: geschlossene Or- dinationen, Probleme der Versor- gung durch Allgemeinmediziner, verschärft durch die Grippezeit. Im Beitrag berichtet eine junge Frau, dass sie schreckliche Rücken- schmerzen habe und bei zwei Allge- meinmedizinern nicht drangekom- men sei. Diese Frau ist am nächsten Tag mit einem ihrer Kinder bei einem Kollegen von uns in der Kinder- arztpraxis. Der spricht sie auf den Beitrag an und fragt, ob denn die Schmerzen jetzt schon gut seien. Daraufhin teilt die Frau mit, dass sie vor ein paar Jahren diese Erfahrung gemacht habe und das damals auf Facebook gepostet habe. Sie sei jetzt vom ORF angerufen worden und gebeten worden, dass ihre schwe- re Geschichte gefilmt werden darf. Auf ihren Hinweis, dass das Ganze schon Jahre zurückliege, wurde ihr mitgeteilt, dass das doch keine Rolle spiele und das Kamerateam vorbei- schauen würde. Ich glaube, dass diese Erfah- rungen zu Recht Kritik an der Be- richterstattung und an der Qualität der Berichterstattung üben lassen. In Zeiten, in denen eine Regierung frontal Journalisten angreift, kann nur Qualität eine entsprechende Antwort sein. Rezepturrecht für Wahlärzte Zwei Kassenstellen für Gynäkologie in Feldkirch sind derzeit nicht be- setzbar. Parallel zur Unbesetzbarkeit der Stellen haben zwei Kolleginnen den Plan, in Feldkirch Wahlarztpra- xen zu eröffnen. Als Antwort darauf hat die VGKK angekündigt, den beiden Kolleginnen kein Rezeptur- recht einzuräumen. Ich sehe das als höchst problematisch an. Ich bin nicht der Meinung, dass Druck auf die Wahlärzte oder die Verschlech- terung von den Arbeitsbedingun- gen von Wahlärzten die Antwort der Kasse sein darf. Gegenteilig soll- te die VGKK sehr genau gemeinsam mit uns analysieren, warum es nicht mehr gelingt Kassenstellen für Gy- näkologie zu besetzen. Dann sollte man gemeinsam versuchen, dort wo es an Attraktivität im Kassensys- tem fehlt, nachzuschärfen. Allerdings wird hier schon auch eine Bruchstelle zwischen den Ärz- ten sichtbar, die einiges an Spreng- kraft beinhaltet. Wenn nämlich die Bereitschaft sinkt, breit zu versor- gen, alle soziale Schichten und Pa- tientengruppen, dann schaffen wir nicht nur ein Zwei-Klassensystem für Patienten, sondern auch für Ärzte. Das würde uns allen nicht besonders gut tun. ... aus der Kurie Niedergelassene Ärzte Von VP Kurienobmann Dr . BURKHARD WALLA Cui bono? VP Kurienobmann Dr. Burkhard Walla Anmeldung und weitere Informationen auf www.arztinvorarlberg.at oder unter mentoring@aekvbg.at Arzt im Ländle 03-2018 | 5

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