AIL Juni 2018

aus der Kammer Was waren Ihre Beweggründe, das gemeinsame Treffen zwischen den praktischen Ärztinnen und Ärzten und den Orthopädinnen und Orthopäden in der Villa Falkenhorst zu veranlassen? Dr. Schmidbauer: „Über meinen Kollegen Joachim Hechenberger habe ich vomVernetzungstreffen der praktischen Ärzte in Bregenz mit den niedergelassenen und den Krankenhaus-Gynäkologen im vergangenen Jahr erfahren und dass das für alle sehr bereichernd gewesen sei. Die Orthopädie ist mir aus einem persönlichen Grun- de sehr wichtig: Häufige Beschwerden in der Praxis betreffen den Bewegungsapparat. Ich hätte gerne einen oder mehrere Mentoren, die mir mal dieses oder jenes zeigen und mich unterstützen, wenn ich Hilfe oder Rat brauche. Aber ich habe über das, dass ich meine Patienten an sie überweise, praktisch keinen Kontakt zu den Kol- legen von der Orthopädie. Und auch dieser Kontakt läuft ja nicht persönlich ab. Ein Kennenlernen in einem nichtmedizinischen Kontext, bei dem wir uns fachlich und persönlich austauschen können, entspricht schon lange einem Bedürfnis von mir.“ Was erwarten Sie sich von diesem Treffen? Dr. Schmidbauer: „ Bessere Vernetzung, bessere Kommunikation, die Wünsche und Sorgen und Gegebenheiten miteinander zu tei- len und aufzeigen zu können. Ich war bis zu meinem Wechsel in die Niederlassung im Juni 2016 nur im Spital tätig – ich weiß, wie es dort abläuft. Aber viele Kollegen im Spital wissen nicht, wie es in den Praxen abläuft. Anstatt immer über den anderen zu urteilen oder zu schimpfen, wäre es mir ein Anliegen, die Anderen besser kennenzulernen. Es gibt keine Besseren oder Schlechteren, jeder macht das, was er gut kann und wir haben alle viel zu tun, egal ob im Spital oder im niedergelassenen Bereich. Die hierarchischen Strukturen, wie wir sie jetzt noch immer haben, helfen uns über- haupt nicht weiter. Die Zukunft ist die Vernetzung und dass jeder von jedem lernenkann,ohneAngst zuhaben,dass einemjetzt etwas weggenommenwird oder ich dadurch Patienten verlieren könnte.“ Wie waren die Reaktionen auf Ihre Initiative? Dr. Schmidbauer: „Ich war von der Abteilung Orthopädie und von Dr. Bach und von den orthopädischen Kollegen, die gleich zuge- sagt haben, sehr positiv überrascht und habe mich gefreut, dass sie dabei sein wollen. Die Allgemeinmediziner haben zwar auch zugesagt, ich wünsche mir aber ehrlich gesagt, dass sich viele Kol- legen und Kolleginnen aus meinem Arbeitsfeld melden würden. “ Wie erleben Sie das Arztsein heute? Was sind Herausforderungen, was Entwicklungsnotwendigkeiten? Dr. Schmidbauer: „Ich empfinde das Arztsein heute als sehr an- spruchsvoll, weil man große Verantwortung gegenüber sich selbst und gegenüber anderen Menschen, also den Patientinnen und Pa- tienten und den Mitarbeitenden, hat. Und wir stehen angesichts der vollen Wartezimmer wirklich permanent unter Zeitdruck. Das kann dann meiner Meinung auch dazu führen, dass wir im- mer weniger Zeit für die Patienten aufwenden können. Heraus- fordernd ist es auch, eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu finden, damit die Freude am Beruf nicht verloren geht. Hinzu kommen die Sorgen eines „Selbstständigen“, die man im Spital natürlich nicht kennt. Als Frau sehe ich natürlich Entwick- lungspotential darin, Stellen für junge Ärztinnen zu schaffen, wo- von sie auch leben können und das Gehalt nicht in den Kosten für Kinderbetreuung draufgeht.“ Stichwort Selbständigkeit, wie geht es Ihnen in Ihrem berufli- chen Alltag als Gemeindeärztin in Ludesch? Was sind Ihre ganz persönlichen Herausforderungen, was ihre Glücksmomente? Dr. Schmidbauer: „Die Aussage eines befreundeten Kollegen und praktischen Arztes habe ich anfänglich belächelt, als er meinte, die Allgemeinmedizin sei die ‚Königsdisziplin‘. Heute stimme ich ihm voll und ganz zu. In keiner anderen Fachrichtung gibt es eine so große Bandbreite, die man erfüllen soll, kann oder muss. Als Frau sehe ich auch die Doppelbelastung, zwischen Familie und Arbeit ‚switchen‘ zu müssen. Ich denke, dass es hier meine männlichen Kollegen immer noch um vieles einfacher haben. Herausforderungen in der Praxis sind, wie bereits erwähnt, das zeitliche Management und die Patientenzahlen. Aber auch, die Sorgen und Erfordernisse der Patienten richtig zu deuten und den Menschen auf der gleichen Ebene zu begegnen. Glücksmomente gibt es viele, die Menschen vertrauen einem und sind dankbar für das, was man macht. Natürlich gibt es auch Negativmomente, die zwar eher die Seltenheit sind, aber schon belasten. Man ist alleine und soll und muss die Entscheidungen auch richtig treffen, das ist nicht immer leicht. Aber Gespräche mit Kollegen helfen mir persönlich dann meistens weiter. Darum hätte ich wirklich gerne mehr Kontakt zu anderen Kollegen und Kolleginnen.“ Interview mit Dr. Barbara Schmidbauer Die Zukunft ist in der Vernetzung Interview mit Dr. Barbara Schmidbauer, Gemeindeärztin in Ludesch und Initiatorin des Netzwerktreffens zwischen niedergelassenen Haus- ärzten aus demWalgau und Bludenz mit Orthopäden aus der Praxis und dem Krankenhaus am 23. Mai in der Villa Falkenhorst in Thürin- gen. Das Gespräch führte Mag. Brigitta Soraperra. Ein Bericht über das Treffen folgt in der Sommerausgabe des „Arzt im Ländle“. Dr. Barbara Schmidbauer ☞ Ärztekammer Vorarlberg www.arztinvorarlberg.at 14 | Arzt im Ländle 06-2018

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