AIL Juni 2018
C E t E r U M Am 23. Mai wurde das Reformvorhaben im Ministerrat be- schlossen. Die 21 Sozialversicherungen werden auf fünf zusam- mengelegt. Die neun Gebietskrankenkassen der Bundesländer werden zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zu- sammengeführt, die Sozialversicherungsanstalten der Selbst- ständigen (SVA) und der Bauern (SVB) zu einem „Selbststän- digen-Träger“ (SVS), die Beamtenversicherung (BVA) und die Versicherung für Eisenbahner und Bergbau zu einer Versiche- rungsanstalt für den öffentlichen Dienst und Schienenver- kehrsunternehmen. Diese Zusammenlegungen sollen Verwal- tungskosten senken, zudem sollen Doppel- und Mehrgleisig- keiten abgeschafft sowie Einsparungs- und Optimierungspo- tenziale gehoben werden. Länderspezifische Versorgungsinter- essen sollen Berücksichtigung finden, ebenso die partizipative Selbstverwaltung. Allerdings ist vorgesehen, dass das Aufsichts- recht des Bundes nachhaltig gestärkt wird. Die bisherigen Gre- mien der Selbstverwaltung werden abgeschafft, stattdessen er- folgt die Einführung eines Verwaltungsrates. In der ÖGK wird dieser Verwaltungsrat durch Dienstgeber und Dienstnehmer paritätisch besetzt und damit das Kräfteverhältnis in Richtung Dienstgeber verschoben. Die Mitglieder der Selbstverwaltung müssen fachlich geeignet sein, angedacht ist z.B. ein fit&proper- Test analog zur Aufsicht im Banken- und Versicherungsbereich. Durch Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen sollen die Leistungen harmonisiert werden. Die ÖGK hat in einer Übergangsphase die bisher in den Ländern durch die GKKs fi- nanzierten Leistungen weiterhin sicherzustellen, die bestehen- den Verträge mit den Vertragspartnern werden in der Über- gangsphase von der ÖGK übernommen. Diese Übergangsphase endet Ende 2020. Die ÖGK hat für eine bundesweit ausgegliche- ne Gebarung zu sorgen und den Landesstellen ausreichende Mittel entsprechend den von ihnen zu verantwortenden Aufga- ben (RSG) zur Verfügung zu stellen. Es soll sichergestellt wer- den, dass den Versicherten in jedem Bundesland die Beitrags- einnahmen der jeweiligen Gebietskrankenkasse im Jahr 2017 entsprechen. Zusätzlich ist eine länderweise Budgetautonomie festzulegen, die allerdings nur den Einsatz der im Land bis 31.12.2018 frei verfügbaren allgemeinen, nicht gebundenen, Rücklagen umfasst sowie die Verwendung der Mittel für Ge- sundheitsreformprojekte (Innovations- und Projektbudget). Die ÖGK ist zuständig für die Verhandlung eines österreichwei- ten Gesamtvertrages und der entsprechenden Honorare. Die Landesstellen der ÖGK sind weiterhin für die regionale Versor- gungsplanung zuständig und es wird ihnen die Möglichkeit ge- geben, Zu- und Abschläge auf Grundlage des österreichweiten Gesamtvertrages zu verhandeln. Die Höhe des Innovations- und Projektbudgets ist von der wirtschaftlichen Gesamtsituati- on abhängig. Die Bundesländer sind in die Umsetzung einzube- ziehen. Es muss ein österreichweiter Ärztegesamtvertrag ver- handelt werden, dazu werden noch auf Länderebene die regio- nalen Unterschiedlichkeiten verhandelt bzw. vereinbart. Der Zeitplan für die Umsetzung sieht bis Juli die Vorlage ei- nes Begutachtungsentwurfes vor. Bis Ende November sind die Regierungsvorlage und der Parlamentsbeschluss geplant. Das Gesetz soll mit den erforderlichen Übergangsbestimmungen im ersten Quartal 2019 in Kraft treten. Durch die Zusammenlegung von 21 auf fünf Sozialversi- cherungen und Einsparungen durch einen zentralen Einkauf oder ein zentrales IT-Rechenzentrum soll bis zum Jahr 2021 eine Milliarde Euro eingespart werden. Frau BM Hartinger- Klein will mit den Mitteln („Gesundheitsmilliarde“) den Trend zur Zweiklassenmedizin stoppen. Konkret will die Regierung mit dem Geld den kassenärztlichen Bereich ausbauen und den Beruf des Landarztes fördern (Finanzierung von Landarztsti- pendien) und somit den niedergelassenen Bereich stärken. So weit, so gut. Die vorgesehenen Einsparungen werden be- zweifelt, z.B. vom IHS-Gesundheitsökonomen Czpionka und der Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker. Beide sind sehr skeptisch, dass die Regierung bei der Reform der Sozialversi- cherung das angekündigte Einsparungsvolumen erreicht. Frau Kraker verweist darauf, dass der Verwaltungsaufwand in der gesamten Sozialversicherung bei 750 Millionen Euro liegt. Die Zahlen der Regierung seien daher „nur schwer zu glauben“. Zu- dem seien Kostenschätzungen „oft Wunschdenken“. Auch die vorgesehene Leistungsharmonisierung kostet viel Geld. Orien- tiert sich diese an den besten Leistungen, dann kostet das laut der von der Bundesregierung zitierten Studie der London School of Economics eine Milliarde Euro. Konsequenz: Die angestrebten Einsparungen und Leis- tungsharmonisierungen bedeuteten zwangsweise Kürzungen bzw. eine Nivellierung nach unten. Aus Vorarlberger Sicht sind daher Verschlechterungen zu befürchten, zumal die Budgetau- tonomie der Bundesländer am 31.12.18 endet. Im persönlichen Gespräch mit den Ärztekammerpräsidenten versuchte Frau Minister Hartinger-Klein unsere Vorarlberger Bedenken zu zerstreuen, die positiven Vorarlberger Beispiele seien best practice Modelle. Wir werden sehen, ob das so kommen wird. Fakt ist, wir werden unsere Vorarlberger Anliegen mit vol- lem Engagement auf Bundesebene einbringen müssen. Ihr Präsident MR Dr. Michael Jonas Sozialversicherungsreform Arzt iM LänDLe 06-2018 | 3
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