AIL Juli/August 2018
Die akuten Stichreaktionen werden symptomatisch behandelt, bei Pati- enten mit allergischer Reaktion ist allerdings eine langfristige Thera- pie nötig. Die langfristige Therapie besteht aus Expositionsprophyla- xe, Notfallmedikation und – sofern eine systemische Soforttypreaktion vorliegt – aus einer spezifischen Im- muntherapie. Aus gegebenem Anlass soll hier über die leitliniengerechte Diag- nostik und Therapie der Hyme- nopterengiftallergie berichtet wer- den. Klinisches Bild • Lokalreaktionen Das bei einem Bienen- oder Wes- penstich in die Haut abgegebe- ne Gift führt zunächst an der Stichstelle zum Auftreten ei- ner schmerzhaften Rötung und Schwellung, die maximal 10 cm im Durchmesser groß ist und in der Regel innerhalb eines Tages ab- klingt. Als verstärkte Lokalreakti- on bezeichnet man Rötungen, Schmerzen und Schwellungen, die einen Durchmesser von 10 cm überschreiten, über 24 Stun- den hinaus persistieren und auch eine nichtinfektiöse Lymphangitis hervorrufen können. Auch milde Allgemeinsymptome wie Krank- heitsgefühl oder Schüttelfrost können vorkommen. In sehr seltenen Fällen kann es durch verstärkte Lokalreaktio- nen durch Stiche im Bereich der Atemwege zu lebensbedrohlicher Atemnot kommen. • Systemische Reaktionen: Systemische oder Allgemeinre- aktionen sind durch Symptome gekennzeichnet, die in keinem örtlichen Zusammenhang mit der Stichstelle stehen. Die systemische Sofortreak- tion oder Anaphylaxie ist die be- deutendste Form der Überemp- findlichkeit auf einen Bienen- oder Wespenstich. Meist wird sie durch einen einzigen Stich verur- sacht. Ausgelöst wird die Reaktion durch IgE Antikörper des Patien- ten, die gegen Bestandteile des Hy- menopterengiftes gerichtet sind. Die Symptome reichen von auf die Haut beschränkten Erschei- nungen wie Juckreiz, Flush, Angio- ödem oder generalisierte Urticaria über mild bis mäßig ausgepräg- te respiratorische, gastrointestina- le oder kardiovasculäre Symptome bis hin zu schwerer Atemwegsob- struktion oder anaphylaktischem Schock mit Bewusstlosigkeit und Herz-Kreislauf- oder Atemstill- stand (Tabelle 1). Bei einer sehr großen Anzahl an Stichen kann es durch die ku- mulative Menge des bei den Sti- chen abgegeben Giftes ebenfalls zu schweren Krankheitsbildern bis hin zu tödlichen Ausgängen kom- men. Als Beispiel der Folgen der Intoxikation seien hier Rhabdo- myolyse, Hämolyse, zerebrale Stö- rungen sowie Leber- oder Nieren- schädigung angeführt. Der Vollständigkeit halber seien hier auch „ungewöhnliche Stichreaktionen“ angeführt, wo- bei unter anderem neurologi- sche oder renale Erkrankungen, Serumkrankheit, Vaskulitis und thrombozytopenische Purpura beobachtet wurden. Diese Reak- tionen sind extrem selten und pa- thogenetisch bisher nicht geklärt. Diagnostik Ziel der Diagnostik ist zum einen die Klassifikation der Stichreaktion, zum anderen bei stattgehabter sys- temischer Reaktion der Nachweis einer IgE-vermittelten Insektengift- sensibilisierung und natürlich die Erfassung des Anaphylaxierisikos des Patienten. Bei typischen Lokalreaktionen ist eine Diagnostik über die Erhe- bung des klinischen Befundes hin- aus nicht erforderlich. Liegen eine Intoxikation durch multiple Insek- tenstiche oder eine ungewöhnliche Stichreaktion vor, sollte eine sym- ptombezogene Diagnostik erfol- gen. Bei stattgehabter Systemreak- tion sollte vor einer allergologi- schen Testung zunächst eine aus- führliche Anamnese erhoben wer- den: stechendes Insekt, Anzahl der Stiche, Symptome, Ablauf der Stichreaktionen, individuelle Ri- sikofaktoren (Tabelle 2), Dauer zwischen Stich und Auftreten der Symptome. Zum Ausschluss einer etwaig vorliegenden (kutanen) Mastozy- tose sollte die Anamneseerhebung auch immer eine Inspektion des gesamten Integumentes des Pati- enten inkludieren. Weiters sollten gesamt IgE, Tryptase (z.A. Mastozytose) und spezifische Serum-IgE-Antikörper im Serum bestimmt werden. AUS DER MEDI Z IN OÄ Dr. Nina Susanna Häring Geschäftsführende Oberärztin der Abteilung für Dermato- logie und Venerologie, LKH Feldkirch Korrespondenz: ÖA Dr. Nina Susanna Häring Abteilung für Dermatologie und Venerologie Landeskrankenhaus Feldkirch Akademisches Lehrkrankenhaus Carinagasse 47 A-6800 Feldkirch T +43 (0)5522-303-9125 nina.haering@lkhf.at Zusammenfassung der AWMF Leitlinie Hymenopterengiftallergie – Diagnostik, Management und Therapie Jedes Jahr kommt es in den Frühlings- und Sommermonaten zum Auftreten zahlreicher Bienen- und Wespenstiche. Der Großteil dieser Stichereignisse führt lediglich zu verstärkten Lokalreakti- onen, bei ca. 3,5% der Patienten kommt es zum Auftreten anaphylaktoider und anaphylaktischer Reaktionen, die unbehandelt mitunter tödlich enden können. Ausgelöst werden diese Allgemeinre- aktionen durch IgE- Antikörper, die gegen Bestandteile des Hymenoptenengiftes gerichtet sind. 26 | ARZT IM LÄNDLE 07/08-2018
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