AIL Oktober 2018

C E T E R U M Ich weiß nicht, ob Sie sich an das Märchen von Hans Christian An- dersen erinnern, in dem sich ein König von 2 Betrügern vormachen lässt, dass sie ihn mit neuen teuren Gewändern ausstatten, die aber nur von Personen gesehen werden können, die des Amts würdig und nicht dumm sind. In Wahrheit ist er nackt und als ein Kind aus der Beifall klatschenden Menge artikuliert, dass der Kaiser gar nichts an hat, erkennt die Menge dass er gelogen hat. Der Kaiser selbst zieht seine Show durch, der Hofstaat mit ihm. Wenn ich mir die PR Maschinerie der jetzigen Bundesregierung anschaue, dann sind da wohl einige Parallelen zu erkennen. Es wird der Bevölkerung vorgegaukelt, dass die Sozialversicherungen refor- miert werden und in Zukunft im Sinne der Patient/innen und Pati- enten alles besser wird. Dass hinter dem Vorhaben eine Reihe ande- rer Ziele stecken, als eine Verbesserung der Versorgung, ist aber doch recht eindeutig. Ziel der Reform ist eine massive Zentralisierung im Kassenbereich. Wieso dadurch die Versorgung verbessert werden soll, bleibt unklar. Die Behauptung der Bundesregierung, dass 1 Milliarde an Strukturkosten eingespart werden kann, die dann den Patientin- nen zugute kommt, ist nicht nachvollziehbar – es wird von der Bun- desregierung auch in keinster Weise dargelegt, wo und wie diese Mil- liarde eingespart werden soll. Die SV, die selbst durchleuchtet hat, wo sie strukturelle Einsparungen ohne Leistungseinbußen sieht, hat eine Zahl von 100 Mio Euro genannt.Ziemlich klar ist, dass die geplante Strukturreform zunächst einmal viel Geld kosten wird. Die Gesund- heitsministerin antwortete auf die Frage, wieviel denn die Fusionie- rung kosten werde, ausweichend. 500 Mio Euro wurden vom befra- genden Reporter in den Raum gestellt, sie meinte, das könne dann wohl nur die ÖGK beziffern und konnte diese Zahl nicht weiter kommentieren. Aber dass eine Milliarde eingespart wird, das wisse sie. Entsprechende Berechnungen wurden nicht vorgelegt. Bleibt zu fürchten, dass der Sozialversicherung ein ähnliches Schicksal droht wie zB der Post. Strukturabbau auf Kosten der Kundenorientierung. Wie dort zu sehen, sind die Strukturen dann aber weg, wenn man bemerkt, dass es nicht mehr funktioniert. Dann gibt es kein Zurück mehr. Klar ist, dass mit der Strukturreform die Machtverhältnisse in der Sozialversicherung völlig neu sein werden. In den sogenannten Überleitungsausschüssen, die ab Frühjahr 2019 bestimmen werden, wie die Gelder der bisherigen 9 Gebietskrankenkassen verwendet werden dürfen, übernehmen Vertreter der Wirtschaft das Sagen. Die bisherigen Kassenobleute, die immer Arbeitnehmervertreter waren, werden in Zukunft ½ jährlich wechseln und einmal von den Arbeit- gebern und einmal den Arbeitnehmern besetzt werden. Alle Gremi- en sind paritätisch besetzt. Das Gesundheitsministerium hat Durch- griffsrecht und kann Themen aus den Sitzungen von der Tagesord- nung nehmen. Das ist zweifelsohne eine weitgehende Entmachtung der Arbeitnehmervertreter in ihrer Kasse. Es wird zwar immer argu- mentiert, dass die Arbeitgeber deshalb Mitspracherecht in der Ar- beitnehmerkasse haben müssen, weil sie einen Teil der Beiträge auf- bringen. In Wahrheit ist es aber nicht das Geld der Arbeitgeber, son- dern ein Teil des Lohnes, der treuhändisch von den Arbeitgebern der Kasse überwiesen wird. Ich möchte gern wissen, was die Arbeitgeber sagen würden, wenn die Arbeitnehmer plötzlich in der SVA das Sagen hätten. Die Emotion von Gewerkschaft und Arbeiterkammer ist sehr verständlich, die Vorarlberger Ärztekammer solidarisiert sich mit dem Protest gegen diesen Eingriff in die Strukturen der Sozial- versicherung. Diametral entgegengesetzt zu den Drohszenarien, die die Arbeiterkammer und der ÖGB für die Zukunft derzeit medial skizzieren (insbesondere massiver Mittelabfluss nach Wien), verteilt das Land und unser Landesrat mediale Beruhigungspillen. Wir haben versucht aus dem Gesetzesentwurf herauszulesen, wo denn die Realität sein wird. Wir fordern ja seit Bekanntwerden der Zentrali- sierungspläne, dass die Beitrags-/Budgethoheit und die Vertragsho- heit im Land bleiben müssen. Leider sind die Formulierungen im nun vorliegenden Gesetzesentwurf aber größtenteils so, dass beide Sichtweisen – jene der Arbeiterkammer und jene des Landes – hin- eininterpretierbar sind. Hier muss der Gesetzesentwurf nachge- schärft und eindeutig im Gesetz sichergestellt werden, dass keine Vorarlberger Gelder nach Wien abfließen dürfen. Was sicher gesagt werden kann, ist, dass die Gelder der Vorarlberger Versicherten in Zukunft nicht mehr der Geschäftsstelle im Land gehören, sondern der ÖGK in Wien. Die Landesstelle der ÖGK ist weisungsgebunden und kann nicht über das Geld der Vorarlberger verfügen. Es soll ein österreichweit-einheitlicher Gesamtvertrag abgeschlossen werden, lediglich regionale Honorarvereinbarungen können noch möglich sein (dies allerdings mit der Einschränkung, dass die Wiener Zentra- le der Honorarvereinbarung zustimmen muss, da die Landesstelle keine Mittelverwendungsbefugnis hat). Viele bestehende, teils auch innovative, gesamtvertragliche Regelungen auf Landesebene (z.B. Job-Sharing, Dringlichkeitsterminsystem, Reihungsrichtlinien...) werden wohl nicht mehr möglich sein. Wie groß die Spielräume für die regionalen Honorarvereinbarungen sein werden, wird vom Inhalt des österreichweiten Gesamtvertrages abhängen. Bisher be- steht ein vollwertiger Gesamtvertrag im Land und somit vollwertige Gestaltungs- und Innovationskraft im Land. Wir werden jedenfalls versuchen, jene Punkte, in denen wir eine Gefahr für eine vernünfti- ge regionale Gestaltung sehen, mit dem Landesrat und dessen Juris- ten zu diskutieren und allenfalls auch im Gesetzesentwurf Formulie- rungen unterzubringen, die uns zusichern, dass wir auch in Zukunft unser Gesundheitssystem regional besser machen können. VP Kurienobmann Dr. BurkhardWalla Sozialversicherungs-Organisations- gesetz, oder des Kaisers neue Kleider ARZT IM LÄNDLE 10-2018 | 3

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