AIL Dezember 2018
C E T E R U M Ein Jahr neue Bundesregierung hat uns und viele andere auch sehr beschäftigt und wird uns auch weiterhin beschäftigen und dies nicht nur in der Gesundheitspolitik. In der Vorweihnachts- zeit will angesichts inhumaner Abschiebungen (Asylwerber mit Lehrvertrag in Lustenau, Familie aus Sulzberg) nicht so recht Freude aufkommen. Der Flüchtlingsstrom 2015 zeigte die Hilf- losigkeit der europäischen Politik und die couragierte Hilfsbe- reitschaft der Zivilgesellschaft. Damals wie heute war Solidari- tät und Entsolidarisierung spürbar, zwischenzeitlich macht sich Letzteres nicht nur in den Visegrad Staaten, sondern auch in Österreich politisch stark bemerkbar. Aussagen wie „Asyl- werber (sind) künftig konzentriert in Grundversorgungszent- ren unterzubringen“, rassistische, fremdenfeindliche Hetze z.B. beim Bewerben der e-card mit Foto, Symbolpolitik beim Kopf- tuchverbot in Kindergärten oder der Ausstieg aus dem UN-Mi- grationspakt machen politische Aussagen, in denen das Ge- meinsame über das Trennende gestellt wird, zu Lippenbe- kenntnissen. Beim Umgang mit den Menschen, die ihre Hei- mat aus welchen Gründen auch immer, auf jeden Fall aber un- ter Druck verlassen haben, zeigt sich die humanitäre Grundhal- tung der Gesellschaft und Politik. Wenn Bundeskanzler Kurz die Seenotrettung von Flüchtlingen durch „Ärzte ohne Gren- zen“ als Schlepperunterstützung kritisiert, obwohl unabhängi- ge Studien dies widerlegen, findet ein politischer Angriff auf die Unabhängigkeit und Freiberuflichkeit des Ärztestandes statt. Ich bin froh, dass es in Vorarlberg ein zivilgesellschaftli- ches öffentliches Aufbegehren gegen die inhumane Abschiebe- politik gibt und dass sich hier auch Ärzte öffentliche engagie- ren. Kanzler Kurz besuchte im Vorfeld der beginnenden EU- Subsidiaritätskonferenz den Vorarlberger Landtag zu einem Bürgerdialog zur Zukunft der EU. Da er nach seinem State- ment ohne Dialog aufbrechen wollte, empörten sich mehrere Besucher lautstark und bewirkten doch noch eine Stellungnah- me des Kanzlers zu den aktuellen Abschiebungen, wobei er die Verantwortung bei den Asylrichtern und nicht bei der Politik sieht. Dem Wunsch nach einer Mitsprache des Landes Vorarl- berg beim humanitären Bleiberecht erteilte er eine Absage, zu- dem verwies er darauf, dass die Asylgesetze vor seiner Kanzler- schaft beschlossen wurden. ImVergleich zu früher ist der Einfluss der Bundesländer auf die Bundespolitik seit Beginn der laufenden Legislaturperiode deutlich eingeschränkt. Am Beispiel des humanitären Bleibe- rechts ist erkennbar, dass verlorenes Terrain der Bundesländer an den Bund auch bei Landtagsbeschlüssen mit großer Mehr- heit nicht wieder gut zu machen sind. Obwohl das Sozialversi- cherungsorganisationsgesetz zum Zeitpunkt des Redaktions- schlusses noch nicht beschlossene Sache ist, wird das Zentralis- musopfer Vorarlberger Gebietskrankenkasse die Bevölkerung unseres Landes, aber auch die Landespolitik noch ordentlich beschäftigen. Das kann auch durch scheinbar identitätsstiften- de (von der Industriellenvereinigung initiierte) Marketingmaß- nahmen wie der „Marke Vorarlberg“ nicht verhindert werden. Zurück zur Vorweihnachtszeit. In der Bibel finden sich viele Flüchtlingsgeschichten. Auch die im Matthäusevangelium überlieferte Weihnachtsgeschichte handelt davon und zeigt den Umgang der Menschen mit den Schwachen und Ausgestoße- nen der Gesellschaft auf. Die Ärzteschaft ist beruflich immer wieder mit betroffenen Menschen konfrontiert. Als Beispiel möchte ich das Engagement von Kinderärztinnen- und ärzten in Vorarlberg 2015 und 2016 in Erinnerung rufen. 13 Kinder- ärztInnen haben mit 30 Schülern der Krankenpflegeschule so- wie Mitarbeitern von Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Cari- tas, Rotem Kreuz und der Betreiberfirma für Flüchtlingsunter- künfte ORS Untersuchungen an 600 Flüchtlingskindern ehren- amtlich in ihrer Freizeit durchgeführt. Für Ihr berufliches und öffentliches Engagement bei der Be- treuung von Kranken und Schwachen bedanke ich mich sehr und wünsche Ihnen Frohe Weihnachten und alles Gute im Neuen Jahr. Ihr Präsident MR Dr. Michael Jonas Vorweihnachtliche Gedanken ARZT IM LÄNDLE 12-2018 | 3
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