AIL Mai 2019
Ärztenovelle 2019 Am 18. März 2019 wurde die Ärztegesetznovelle BGBl I Nr 20/2019 kundgemacht. Unter anderem finden sich Regelungen zur freiberuflichen Praxisvertretung und zur Beistandspflicht des Arztes. Auch wurde das Notarztwesen umfassend geändert. Praxisvertretung Nach langjährigem Bemühen der Ärztekammer ist es gelungen, dass im Ärztegesetz und im ASVG/FSVG gesetzlich klargestellt wurde, dass Praxisvertretungen als freiberuf- liche ärztliche Tätigkeiten gelten, unabhängig von der Gestaltung des Entgeltes. So lautet der neue § 47a Abs 4 ÄrzteG: „Sowohl eine regelmäßige als auch eine fallweise Vertretung der Ordinationsstätteninhaberin/des Ordinationsstätteninhabers oder der Gesellschafterinnen/Gesell- schafter der Gruppenpraxis ist eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit, sofern die vertretende Ärztin/der vertretende Arzt und die vertrete- ne Ärztin/der vertretene Arzt nicht überwiegend gleichzeitig in der Ordinationsstätte oder Gruppen- praxis ärztlich tätig sind.“ Unter Vertretung wird vom Gesetzgeber die ordnungsgemä- ße Fortführung einer Ordination durch einen anderen Arzt im Falle einer persönlichen Verhinderung des Ordinationsstätteninhabers verstanden. In der Abwesenheit des Ordinationsinhabers ist der bestell- te Vertreter Behandler des Patien- ten. Der Gesetzgeber zielt auf eine deutliche Unterscheidung zwischen der Anstellung eines Arztes und der Praxisvertretung ab. Die Vertre- tung darf zu keiner nennenswerten Steigerung des Leistungsvolumens einer Ordination führen. Sie wird dann zum Anstellungsverhältnis, wenn der Vertreter zusätzlich zur Vertretung auch gleichzeitig mit dem Arzt, den er vertritt, in der Or- dination tätig ist und dies im Um- fang zur Vertretungstätigkeit zeit- lich überwiegt. Aufgrund dieser gesetzlichen Änderungen haben wir Herrn Dr. Wolfgang Höfle, Partner bei der TPA Steuerberatung GmbH in Wien, welcher uns im Jahr 2012 bereits den Mustervertrag für Pra- xisvertretungen ausgearbeitet hat, gebeten, diesen für uns zu überar- beiten. Den überarbeiteten Muster- vertrag können Sie gerne im Kam- meramt anfordern. Zu beachten gilt, dass im Be- reich des Steuerrechtes (noch) kei- ne explizite Ausnahmebestimmung vorliegt, der zufolge Praxisvertre- tungen (unabhängig von der Ge- staltung des Entgeltes) als freiberuf- liche Tätigkeiten gelten. Daher ist derzeit insbesondere Lohnneben- kostenpflicht (DB zum FLAF 3,9% und KommSt 3%) des Ordinati- onsinhabers bei Praxisvertretungen nicht ausgeschlossen. Bis zur Schaf- fung einer allfälligen steuerlichen Ausnahmebestimmung empfehlen wir Ihnen daher weiterhin die um- satzabhängige Entlohnung zu ver- wenden. Beistandspflicht des Arztes für Sterbende Neu geschaffen wurde auch eine Regelung über den ärztlichen Bei- stand für Sterbende. Damit sollen jene Fallgruppen angesprochen werden, in denen eine Entschei- dungsfähigkeit des Patienten nicht mehr gegeben ist, sich ein (mut- maßlicher) Wille auch nicht ermit- teln lässt und bei einer Therapiezie- länderung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Nicht um- fasst sind daher jene Fälle, in denen eine Patientenverfügung vorliegt oder wenn ein Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts eine oder auch mehre medizinische Behandlungen ablehnt. Auch ist festzuhalten, dass aktive Sterbehilfe weiterhin verboten bleibt und dem- entsprechend strafbar ist. Mit der neuen Regelung wur- de vom Gesetzgeber in Anlehnung an die (Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztin- ARZT & RECHT nen und Ärzte (MBO-Ä 1997) eine Beistandspflicht des Arztes für Ster- bende normiert. Die Grundsätze der deutschen Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung besagen, dass der Arzt verpflichtet ist, Sterbenden, das heißt Kranken oder Verletzten mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer vi- taler Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist, so zu helfen, dass sie menschenwürdig sterben können. Die Hilfe besteht in palliativme- dizinischer Versorgung und damit auch in Beistand und Sorge für die Basisbetreuung. Dazu gehören nicht immer Nahrungs- und Flüs- sigkeitszufuhr, da sie für Sterbende eine schwere Belastung darstellen können. Jedoch müssen Hunger und Durst als subjektive Empfin- dungen gestillt werden. Maßnah- men, die den Todeseintritt nur verzögern, sollen unterlassen oder beendet werden. Bei Sterbenden kann die Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen, dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf. In diesem Sinne hat ein Arzt Sterbenden, die von ihm in Be- handlung übernommen wurden, unter Wahrung ihrer Würde bei- zustehen. Insbesondere ist es bei Sterbenden nunmehr auch zulässig, im Rahmen qualitätsgesicherter palliativmedizinischer Indikatio- nen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Ver- hältnis zum Risiko überwiegt, dass dadurch eine Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen bewirkt werden kann. Unter dem Begriff „Qualen“ versteht der Ge- setzgeber Leiden oder Angstzustän- de, die wegen ihrer beträchtlichen Intensität oder weil sie einen gewis- sen Zeitraum andauern oder sich ARZT & RECHT 24 | ARZT IM LÄNDLE 05-2019
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