AIL Mai 2019
rungen: „Der Allgemeinmediziner wird immer mehr zum komplexen Lebensberater, den die Menschen in allen Lebenslagen aufsuchen.“ Allgemein- und Familienmedizin ist Beziehungsmedizin Der Zusatz „Familienmedizin“ be- schreibt eine besondere Qualität, die vor allem der Hausarzt erfüllen kann. Oft kennen Hausärzte die ganze Familie, wissen um geneti- sche Erkrankungen und familiäre Situationen. Durch die kontinuier- liche Betreuung entsteht Vertrauen, was für die Patienten in Krisensi- tuationen enorm wichtig ist, er- klärt Allgemeinmediziner Markus Baldessari. „Gerade bei ernsthaf- ten Erkrankungen wollen sich die Patienten nicht damit begnügen, eine Art ausgewiesenen Ingenieur für den Menschen als Arzt zu ha- ben, bei dem alle Zahlen stimmen. Vielmehr wollen sie nicht nur ei- nen Könner, sondern eine Persön- lichkeit, bei der sie sich menschlich auch aufgehoben fühlen.“ Nur – das erfordert Zeit, die im momen- tanen Kassensystem pro Patient limitiert ist. Baldessari ist daher überzeugt, dass der Faktor „zu we- nig Zeit für den Patienten“ für viele Jungärzte ein wichtiger Grund ist, sich nicht für eine Kassenstelle für Allgemein- und Familienmedizin zu entscheiden. Masterplan für vernetzte Neu ausrichtung der Allgemein- und Familienmedizin Die schwierige Situation der Primärversorgung und ihre unter- schiedlichen Ursachen sind zwar bekannt, bisherige Strategien, den Allgemeinarzt aufzuwerten, waren bis heute jedoch unzureichend. Die Allgemeinmediziner in Österreich haben daher eine einzigartige In- itiative gesetzt und in einjähriger Arbeit einen Masterplan für die Allgemein- und Familienmedi- zin in Österreich erstellt. Mit ein- gebunden war neben den Ärzten und den Ärztekammern auch die universitäre Allgemeinmedi- zin. Susanne Rabady, ebenso wie Thomas Jungblut Allgemeinme- dizinerin und Vizepräsidentin der österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), be- tont, dass mit dem Masterplan ein umfassendes Paket an vernetzten Maßnahmen vorliegt. Damit sollen der Beruf des Hausarztes sowie die Allgemein- und Familienmedizin wieder attraktiver gemacht werden. Susanne Rabady: „Eine hochwer- tige und flächendeckende Primär- versorgung ist nur mit einer aus- reichenden Zahl hoch qualifizierter und motivierter Allgemein- und Familienärzte möglich.“ Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin Auffallend ist das große Inter- esse von Medizinstudenten und Jungärzten an den Inhalten der Allgemeinmedizin. Es ist nachge- wiesen, dass die Idee Hausarzt zu werden für Medizinabsolventen sehr attraktiv ist, nur die Rahmen- bedingungen sind es noch nicht. Der Masterplan zeigt auf, dass die Einführung einer eigenen Fachaus- bildung eine wesentliche Voraus- setzung für eine Aufwertung der Allgemein- und Familienmedizin bedeutet. Im Gegensatz zu fast al- len anderen europäischen Ländern ist es in Österreich bislang nicht gelungen, den Facharztstatus für Allgemein- und Familienmedizin zu etablieren. „Momentan kon- zentriert sich die Lehre der spezi- alisierten Universitätsmedizin eher auf oft unzusammenhängendes Spezialwissen, das in der primären und auch fächerübergreifenden „Basismedizin“ nicht angewendet werden kann.“ Thomas Jungblut betont, dass es beim Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin neben einer breiten allgemeinme- dizinischen Arbeitsweise auch um die Vermittlung der sogenannten „Soft Skills“ geht – und dazu ge- hören Empathie, Patientenorien- tierung, interkulturelle Kommuni- kation, Gesundheitsmedizin und die Freude an einem Beruf, in dem Menschen im Mittelpunkt stehen. ÄRZTEKAMMERFÜRVORARLBERG – KÖRPERSCHAFTÖFFENTLICHENRECHTS Schulgasse17 + A-6850Dornbirn + Postfach206 + T+43 (0)55 72/21 900-0 + F+43 (0)55 72/21 900-43 + aek@aekvbg.at www.arztinvorarlberg.at Aktuelle Situation in der Allgemeinmedizin 2.400,00 2.450,00 2.500,00 2.550,00 2.600,00 2.650,00 2.700,00 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Durchschnittliche Patientenzahl pro AM mit Kassenvertrag DurchschnittlichePatientenzahlproAM ÄRZTEKAMMER FÜR VORARLBERG – KÖRPERSCHAFT ÖFFENTLICHEN RECHTS Schulgasse 17 + A-6850 Dornbirn + Postfach 206 + T +43 (0) 55 72/21 900-0 + F +43 (0) 55 72/21 900-43 + aek@aekvbg.at www.arztinvorarlberg.at 2.400,00 2.450,00 2.500,00 2.550,00 2.600,00 2.650,00 2.700,00 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 20 Durchschnittliche Patientenzahl pro AM mit Kassenvertrag Durchschnittliche Patientenzahl pro AM Abb. 1: Entwicklung Patientenzahl pro Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag Aktuelle Situation in der Allgemeinmedizin ÄRZTEKAMMERFÜRVORARLBERG – KÖRPERSCHAFTÖFFENTLICHENRECHTS Schulgasse17 + A-6850Dornbirn + Postfach206 + T+43 (0)55 72/21 900-0 + F+43 (0)55 72/21 900-43 + aek@aekvbg.at www.arztinvorarlberg.at Nachwuchs in der Allgemeinmedizin 0 15 30 45 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Potentielle Bewerber aus den Einreichungen "Jus Practicandi" Einreichung "JusPracticandi" ØBewerberproStelle ÄRZTEKAMMER FÜR VORARLBERG – KÖRPERSCHAFT ÖFFENTLICHEN RECHTS Schulgasse 17 + A-6850 Dornbirn + Postfach 206 + T +43 (0) 55 72/21 900-0 + F +43 (0) 55 72/21 900-43 + aek@aekvbg.at www.arztinvorarlberg.at Nachwuchs in der Allgemeinmedizin 0 15 30 45 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Potentielle Bewerber aus den Einreichungen "Jus Practicandi" Einreichung "Jus Practicandi" Ø Bewerber pro Stelle Abb. 2: Potentielle Bewerber aus den Einreichungen „Jus Practicandi“ Nachwuchs in der Allgemeinmedizin M ENTORING -P ROJEKT Ä RZTEKAMMER V ORARLBERG Anmeldung und weitere Informationen auf www.arztinvorarlberg.at oder unter mentoring@aekvbg.at ARZT IM LÄNDLE 05-2019 | 7
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTY1NjQ=