AIL September 2019

C E T E R U M Üblicherweise erfolgt zu diesem Zeitpunkt vor der Wahl eine Analyse der gesundheitspolitischen Arbeit der vergangenen Regierung und eine Bewertung der Wahlprogramme. Dazu nehme ich jedoch aufgrund der zahlreichen Kommentare an dieser und anderer Stelle unserer Standeszeitschrift während der letzten zwei Jahre nicht ausführlich Stellung. Die Ein- schränkung des Föderalismus sowie die Zentralisierung der Sozialversicherungen durch die Sozialversicherungsreform ist aus Vorarlberger (Ärztekammer-)Sicht klar abzulehnen. Posi- tiv zu bewerten ist die Ermöglichung der Anstellung von Ärz- tinnen/Ärzten im niedergelassenen Kassenarztbereich, eine Jahrzehnte lange Forderung der Standesvertretung, die nun endlich realisiert werden kann und dem Bedarf der Kollegin- nen und Kollegen sowie der Bevölkerung entspricht. Erfreu- lich ist in diesem Zusammenhang, dass in dieser Angelegen- heit die Verhandlungen zwischen der österreichischen Ärzte- kammer und dem Hauptverband der Sozialversicherungen zu einen Gesamtvertrag geführt haben. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses ist lediglich von der SPÖ ein Wahlprogramm abrufbar mit einem kurzen Ab- schnitt zur Gesundheitspolitik (gleichberechtigter Zugang zu einem öffentlichen und solidarisch finanzierten Gesundheits- system für alle Menschen, optimale medizinische Versorgung im Rahmen einer Pflichtversicherung, Abbau der Selbstbehal- te, rasche wohnortnahe ärztliche Versorgung, Kindergesund- heit, Garantie einer guten Gesundheitsnahversorgung, ver­ fassungskonforme Vertretung der Versicherten in der Selbst- verwaltung). Die ÖVP hat zum Thema Gesundheit außer einem Bekenntnis zur Prävention noch kein Programm prä- sentiert. Auch von den Grünen liegt noch keinWahlprogramm mit Bezug zur Gesundheitspolitik vor. Von der FPÖ gibt es aktuell zur Gesundheitspolitik kein Wahlprogramm, aller- dings nimmt sie im Parteiprogramm dazu Stellung (keine Förderung der Mehrklassenmedizin, Ausschluss von Privile­ gien aufgrund der sozialen Herkunft oder der religiösen Ori- entierung, Präventionsförderung). Das ist auch bei den NEOS der Fall, wobei hier in erster Linie Kritik am bestehenden Ge- sundheitssystem geübt wird, jedoch keine entsprechenden konkreten Verbesserungsvorschläge gemacht werden (zu we- nig gesunde Lebensjahre, hohe Spitalsbettendichte, geringe Zahl von Primärversorgungseinrichtungen mit ÄrztInnen, PflegerInnen und TherapeutInnen im europäischen Vergleich, keine freie Wahl der Krankenkasse, zu starke Konzentration des Gesundheitssystems auf die Ärzteschaft). Europäisches Forum Alpbach Erfreulich war die Eröffnung der Gesundheitsgespräche im Forum Alpbach durch Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Er prangerte die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft mit Auswirkungen auf die Gesundheit und das Gesundheitswesen an. Kritik übte er auch daran, dass es im Gesundheitswesen immer mehr um Finanzen geht und erklärte, dass die Verei- nigten Staaten ein Lehrstück bieten, was zu tun ist, damit eine Sache schiefgeht. Eine Konsequenz der wachsenden Ungleich- heit sieht er in den Wahlerfolgen demagogisch agierender Po- pulisten, da schlecht gebildete Menschen auf solche Populisten und Demagogen hereinfallen. Die Folge der Ungleichheit und der Benachteiligung großer Teile der Bevölkerung ist die Ab- schaffung der Prinzipien der Aufklärung wie die wahre Dar- stellung von Sachverhalten und die soziale Verantwortung in einer Demokratie. Der Neoliberalismus der vergangenen Jahre habe diese Werte beseitigt. Dem kann ich nur zustimmen. Ihr Präsident MR Dr. Michael Jonas Gesundheitspolitik und Nationalratswahl 2019 ARZT IM LÄNDLE 09-2019 | 3

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