AIL Dezember 2019

Die Bundesregierung, insbesonde- re die zuständige Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, wird aufge- fordert, unter Einbindung der wis- senschaftlichen Fachvereinigungen unverzüglich eine Regierungsvorlage auszuarbeiten und dem Nationalrat zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der die Ausübung von Konversi- ons- und vergleichbaren „reparativen Therapieformen“ an Minderjährigen verboten wird. In diesem Zusammenhang darf weiters festgehalten werden, dass unter der Ausübung von Konver- sions- und vergleichbaren „repa- rativen Therapieformen“ an Min- derjährigen Verfahren zu verstehen sind, die das Ziel haben, die sexu- elle Orientierung von Personen zu verändern. Diese Verfahren sind aus fachlicher Sicht als unethisch abzulehnen, da z.B. Homosexuali- tät keine (psychische) Erkrankung darstellt. Aus diesem Anlass ist der beim Bundesministerium für Arbeit, So- ziales, Gesundheit und Konsumen- tenschutz angesiedelte Beirat für psychische Gesundheit, in dem alle einschlägigen wissenschaftlichen Fachvereinigungen – insbesondere aus den Bereichen Psychiatrie, Kin- der- und Jugendpsychiatrie, Psycho- therapie und Klinische Psychologie – vertreten sind, mit der oben erwähn- ten Entschließung befasst worden. In seiner 39. Sitzung am 10.09.2019 hat der Beirat für psychische Ge- sundheit einstimmig folgende Stel- lungnahme beschlossen: • Sexuelle Orientierungen und Genderidentität sind keine Er- krankungen, daher ist auch keine Legitimation einer therapeuti- schen Intervention bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gegeben (vgl. ICD-10 bzw. ICD- 11, DSM-5). • Konversionsverfahren bzw. sog. „Konversionstherapien“ werden von allen im Beirat vertretenen Fachexpertinnen und Fachexper- ten und Betroffenenvertretern als unethisch und nach vorliegender Evidenz als schädlich eingestuft. • Die Anwendung von sog. „Kon- versionstherapien“ stellt eine Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung gegen LGBTI – Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender and In- tersexual) dar. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu- mentenschutz geht – gestützt auf die geltende Rechtslage und die Stellungnahme des Beirats für psy- chische Gesundheit – davon aus, dass es sich bei der Ausübung von Konversions- und vergleichbaren „reparativen Therapieformen“ an Minderjährigen um einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Ach- tung des Privat- und Familienle- bens) handelt. Darüber hinaus ist im jeweiligen Anlassfall zu prüfen, ob nicht eine entsprechende Berufspflichtverlet- zung mit den entsprechenden Kon- sequenzen (vgl. etwa Verlust der Vertrauenswürdigkeit, Streichung aus der Berufsliste, disziplinar- rechtliche Konsequenzen bei ärztli- ARZT & RECHT cher Berufsausübung etc.) gegeben ist. Insbesondere geht es um die Missachtung der Bestimmungen ei- nes „Arbeitens nach bestem Wissen und Gewissen“, die sich in § 49 Ärz- tegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, § 14 Psychotherapiegesetz, BGBl. Nr. 361/1990, § 27 Musiktherapie- gesetz, BGBl. I Nr. 93/2008, sowie § 32 Psychologengesetz 2013, BGBl. I Nr. 182/2013, finden. Nicht zuletzt sind in diesem Kontext die Körperverletzungsde- likte des Strafgesetzbuches (vgl. § 83 ff) zu erwähnen. Diese umfassen neben einer Verletzung am Körper auch eine Schädigung an der Ge- sundheit. Erreicht ein geistig-seeli- sches Leiden durch eine Konversi- onstherapie die Qualität einer Stö- rung mit Krankheitswert, wäre auf- grund der Erfüllung der objektiven Tatseite eine Ermittlung aufgrund der einschlägigen Strafbestimmun- gen möglich bzw. sogar geboten. Das bedeutet, dass die Aus- übung von Konversions- und ver- gleichbaren „reparativen Therapie- formen“ an Minderjährigen bereits nach aktueller Rechtslage als unzu- lässig anzusehen ist und entspre- chende berufsrechtliche und/oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Abschließend sei noch erwähnt, dass neben den angesprochenen Sanktionen im Falle eines Schadens auch eine zivilrechtliche Schaden- ersatzforderung in Erwägung zu ziehen ist, die bei den ordentlichen Gerichten durchzusetzen wäre (vgl. z.B. Rückforderung der Therapie- kosten etc.). ARZT & RECHT Ärztekammer Vorarlberg www.arztinvorarlberg.at Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz erlaubt sich unter Einbindung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, darauf hinzuweisen, dass der Nationalrat am 2. Juli 2019 die nachstehende Entschließung betreffend Konversionstherapie stoppen (82/E XXVI. GP) einstimmig angenommen hat. Entschließung des Nationalrats vom 02.07.2019, 82/E XXVI. GP Konversionstherapie stoppen 20 | ARZT IM LÄNDLE 12-2019

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