AIL September 2020
Unterlagen über bereits verstor- bene Patienten zählen auch zur Do- kumentation im Sinne des § 51 Abs. 1 Ärztegesetz und sind daher eben- falls mindestens 10 Jahre aufzube- wahren. Auch die Einstellung der Berufsausübung durch den Arzt verkürzt diese Frist nicht. Die Auf- bewahrungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt der Eintragung in die Dokumentation zu laufen. Obwohl die Dokumentations- pflicht und die Auskunftserteilung im Sinne des § 51 Ärztegesetz prin- zipiell für alle Ärzte gelten, haben sie nur für die niedergelassenen Ärzte, für Gruppenpraxen und für Wohn- sitzärzte praktische Bedeutung, da für den Bereich der Krankenan- stalten und deren Träger gemäß Vorarlberger Spitalsgesetz Spezial- bestimmungen (Aufbewahrungs- pflicht z.B. für Krankengeschichten mindestens 30 Jahre, für ambulan- te Untersuchungen, Röntgenbilder, Videoaufnahmen und andere Hilfs- mittel zur Erstellung von Befunden mindestens 10 Jahre) gelten. Nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Lehrmeinung ver- jähren Entschädigungsansprüche gemäß § 1489 Allgemeines Bürger- liches Gesetzbuch drei Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem der Eintritt des Schadens und die Person des Schä- digers dem Geschädigten soweit be- kannt sind, dass dieser eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstellen kann. Objektiv verjähren Schaden- ersatzansprüche erst nach 30 Jah- ren. Es ist daher überlegenswert, die Dokumentation über die 10 Jahre hinaus für die Dauer von 30 Jahren aufzubewahren. Nach den Allgemeinen Bedin- gungen für die Haftpflichtversiche- rung hat der Versicherungsnehmer alles ihm Zumutbare zu tun, um Ur- sachen, Hergang und Folgen eines Versicherungsfalles aufzuklären und den entstandenen Schaden gering zu halten. Werden daher Schadener- satzansprüche erst z. B. 15 Jahre nach der Behandlung gestellt, so könn- te sich aufgrund der vorgenannten Obliegenheitspflicht im Schadenfall ein nicht unbeträchtliches Ableh- nungspotenzial für den Versicherer ergeben, wenn keine Dokumentati- on mehr vorhanden ist. Im Falle der Löschung einer Dokumentation sind Akten und Datenträger datenschutzkonform so zu vernichten bzw. zu löschen, dass der Inhalt der Dokumentation nicht wieder herstellbar ist. Schrift- liche Aufzeichnungen dürfen daher nicht über das Altpapier und Fest- platten nicht über den Haushalts- müll entsorgt werden. Für EDV- Spezialisten ist es nämlich leicht möglich, Daten auch von gelösch- ten Festplatten wiederherzustellen und auszulesen. Es wird daher emp- fohlen, sich für die Vernichtung der Dokumentation der Dienste einer professionellen Firma zu bedienen. Rechtsfolgen bei Verletzung der Dokumentationspflicht Wie eingangs erwähnt, dient die Aufbewahrung der Dokumentati- on neben der Therapiesicherung auch der Beweissicherung im Hin- blick auf etwaige Schadenersatzan- sprüche eines Patienten im Falle ei- nes Zivilprozesses. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH ergibt sich, dass es sich bei der Dokumentationspflicht des Arz- tes um eine Nebenverpflichtung aus dem Behandlungsvertrag handelt. Die Lückenhaftigkeit einer ärztlichen Dokumentation stellt daher eine Sorgfaltspflichtverletzung dar und hat der Patient dadurch in einem all- fälligen Gerichtsverfahren einen Vor- teil in der Beweisführung. Es wird nämlich vermutet, dass eine nicht dokumentierteMaßnahme vomArzt auch nicht getroffen wurde. Neben den geschilderten nachteili- gen Folgen im Rahmen eines zivil- gerichtlichen Verfahrens, stellt die Verletzung der Dokumentations- pflicht eine Berufspflichtverletzung dar, die sowohl disziplinar- als auch verwaltungsstrafrechtlich geahndet werden kann. Übergabe der Patienten dokumentation Gemäß § 51 Abs. 4 Ärztegesetz hat der Kassenplanstellennachfolger, sofern ein solcher nicht gegeben ist der Ordinationsstättennachfol- ger, die Dokumentation von seinem Vorgänger zu übernehmen und für die der Aufbewahrungspflicht ent- sprechende Dauer aufzubewahren. Er darf sie jedoch nur mit Einwil- ligung des betroffenen Patienten zur Erbringung ärztlicher Leistun- gen verwenden. Bei Auflösung der Ordinationsstätte ohne ärztlichen Nachfolger ist die Dokumentation vom bisherigen Ordinationsstät- teninhaber für die der Aufbewah- rungspflicht entsprechende Dauer aufzubewahren. Aus dieser Bestimmung ergibt sich keine Pflicht, dass der Praxis- inhaber die Dokumentation zwin- gend an einen Kassenplanstellen- oder Ordinationsstätten-nachfolger übergeben muss. Übergibt der Pra- xisinhaber jedoch die Dokumenta- tion, so hat sie der Kassenplanstel- len- oder Ordinationsstättennach- folger zwingend zu übernehmen und für die der Aufbewahrungs- pflicht entsprechende Dauer auf- zubewahren. Eine Weitergabe von Patientendaten an andere Ärzte als den Kassenplanstellen- oder Ordi- nationsstättennachfolger ist gemäß Ärztegesetz nicht vorgesehen und auch nach Art 9 Abs. 2 lit. h DSGVO iVm. § 51 Abs. 4 Ärztegesetz daten- schutzrechtlich unzulässig. Kommt es zu keiner Übergabe der Dokumentation an den Nach- folger, so ist der bisherige Ordina- tionsinhaber verpflichtet die Do- kumentation selbst für die Dauer der mindestens zehnjährigen Auf- bewahrungspflicht aufzubewahren und den Patienten Einsicht in diese zu gewähren. Dasselbe gilt gemäß § 51 Abs. 4 3. Satz Ärztegesetz, wenn die Ordination ohne Nachfolger niedergelegt wird. Eine Einwilligung des Patienten für die Übernahme der Dokumen- tation durch einen Kassenplanstel- ARZT IN DER PRAX I S Ärztekammer Vorarlberg www.arztinvorarlberg.at 18 | ARZT IM LÄNDLE 09-2020
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