AIL Oktober 2020

C E T E R U M Die Kammern werden wieder einmal von der Politik kritisch hinter- fragt, in den letzten Tagen konnten Sie den Medien entnehmen, dass eine Landtagsanfrage der NEOS auch bezüglich der Ärztekammer eingebracht wurde. Trotz der polemischen Berichterstattung gab es keine Reaktionen aus demKreis der Ärzteschaft. Dennoch möchte ich das zum Anlass nehmen, die Kolleginnen und Kollegen erneut zu einem offenen Dialog über unsere Interessensvertretung einzuladen. Vorab erlaube ich mir einige Bemerkungen. Die Bedeutung der Vertretung des freien Berufsstandes der Ärztinnen und Ärzte durch die Ärztekammer ist den meist jüngeren Politikerinnen und Politi- kern nicht bewusst. Unsere hervorragende medizinische Versorgung ist u.a. deshalb so, weil eine starke, verfassungsrechtlich verankerte Standesvertretung politisches, respektive gestalterisches Gewicht hat und sich entsprechend einbringen kann, was ja der ureigene Sinn dieser staatsrechtlichen Organisation war und ist. Die Verteidigung und Sicherung der Freiheit des ärztlichen Berufsstandes und der ärztlichen Kunst hat ihre Wurzeln in der Entwicklung des Bürger- tums und war gegen den Obrigkeitsstaat gerichtet, eine zutiefst de- mokratische Motivation. Immer schon waren politische Belastun- gen, Zumutungen und Bevormundung sowie die Beaufsichtigung durch die Regierungen Motivation für standespolitische Aktivitäten und Selbstverwaltung. Der Staat hatte im ausgehenden 19. Jahrhun- dert erkannt, dass er auf den Sachverstand der Ärzteschaft angewie- sen ist und hat daher Autonomie im Rahmen der Ärztegesetze gebil- ligt, nur abgeschafft während des Nationalsozialismus. Ein gewisses Misstrauen zwischen Politik und Ärztekammer war immer vorhan- den, gefürchtet wurde die faktische Macht der kollektiven Ärzte- schaft. Zwischen der Interessenvertretung der Ärztekammer und der Verpflichtung zum Gemeinwohl besteht ein anhaltendes Span- nungsverhältnis zwischen Selbstverwaltung und Politik. Die Selbst- verwaltung der Ärztekammer und der freien Berufe ist auch heute unverändert kein Relikt der Vergangenheit, sondern eine wesentliche Errungenschaft unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Wir sind eine engagierte Standesvertretung, bieten konkrete Leis- tungen an, übernehmen aber auch die Funktion einer Gewerkschaft und verhandeln für unsere Mitglieder Kassenverträge und Gehälter. Die Ärztekammer führt Gehaltsverhandlungen für die Spitals- ärzte: hier erinnere ich an die Gehaltsreform vor wenigen Jahren, die ohne Ärztekammer nie zustande gekommen wäre. Ebenso führt sie Vertragsverhandlungen für die Kassenärzte und unterstützt die Wahlärzte bei der Durchsetzung ihrer Interessen. Der Kassen- bzw. Spitalsarzt muss sich nicht um sein Honorar kümmern, das wird von der Ärztekammer erledigt, weil es ihre Aufgabe ist, die wirtschaftli- chen Interessen der Mitglieder zu vertreten. Die Ärztekammer kann aber auch kämpfen . Das hat sich u.a. 2008 gezeigt – durch das entschlossene und gemeinschaftliche Auf- treten konnte die größte Bedrohung im Kassenwesen in den letzten Jahrzehnten – nämlich Einzelverträge mit der Sozialversicherung – abgewendet werden. Damit wurde letztlich auch ein sozialpolitischer Beitrag geleistet für die Aufrechterhaltung der kassenärztlichen Ver- sorgung und Verhinderung eines vertragslosen Zustandes. Wofür setzt sich die Ärztekammer im Interesse ihrer Mitglieder noch ein? Einige zusätzliche Beispiele ohne alle Aufgaben aufzählen zu wollen: Die Ärztekammer ist persönlicher Ansprechpartner für die Ärztin und den Arzt in allen Fragen der beruflichen Tätigkeit – vom Einstieg in den Turnus, über die Ausbildung, die spitalsärztliche Tätigkeit, der Praxisgründung bis zum Pensionsantritt. Die Ärztekammer betreibt das GNV und gewährleistet damit den Datenaustausch zwischen Ordinationen und Krankenhäusern auf höchstem Stand der Datensicherheit. Die Mitglieder erhalten in der Ärzte- Sonderklassenversiche- rung beste Leistungen zu einem Preis, den man als Privatperson nie- mals bekommen würde – der Rahmenvertrag mit der Ärztekammer enthält ca. 50 Prozent Rabatt. Jedem Arzt in Vorarlberg steht dieser Vorteil offen. Auch im Zuge der Covid-19-Pandemie war und ist es die Ärzte- kammer, die bei der Sozialversicherung, beim Land Vorarlberg und beim Bund die kostenlose Bereitstellung von Schutzausrüstung für alle ordinationsführenden Kassen- und Wahlärzte einfordert. Die gesamte Organisation der Verteilung der Schutzausrüstung im heu- rigen Frühjahr ist durch die Ärztekammer erfolgt. Auch der Schaf- fung der Infektionsordination im heurigen Frühjahr wurde nur über massiven Druck der Ärztekammer von Land und Sozialversicherung zugestimmt. Mit dem Wohlfahrtsfonds bieten wir den Ärztinnen und Ärzten und ihren Angehörigen Unterstützung in schwierigen Situationen und eine Pensionskasse mit einzigartigen steuerlichen Vorteilen. Die einbezahlten Beiträge kommen nicht den Pensionen der Kammer- mitarbeiter, sondern ausschließlich den Ärzten zu gute. Und zwar in vollem Umfang: im Gegensatz zu privaten Pensionskassen verdient die Ärztekammer kein Geld am Wohlfahrtsfonds – alles wird direkt an die Ärzte weitergegeben. Bei den Beiträgen an die Kammer machen die Einzahlungen in den Wohlfahrtsfonds den Löwenanteil aus. Die Kammerumlage selbst beträgt bei uns in Vorarlberg im Schnitt 78 Euro pro Monat und pro Ärztin/Arzt und ist steuerlich voll absetzbar. Wir sind stolz auf unsere schlanke Verwaltung und einen modernen Bürobetrieb mit kompetenten freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeitern. Ich bin überzeugt von der Solidarität unter uns Ärzten. Die Ärztekammer bietet uns die Organisation und die Plattform, auf der wir stark agieren können. Ich lade euch daher alle ein, bringt euch aktiv in unsere Standesvertretung ein, meldet euch zu Wort und arbeitet mit. Die Ärztekammer als Sprachrohr der Ärzte in der Öffentlichkeit ist so stark wie ihre Mitglieder. Ihr Präsident OMR Dr. Michael Jonas Die Neos und der Kammerstaat ARzT IM LÄNDLE 10-2020 | 3

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