AIL Dezember 2020

AUS DER MEDI Z IN O ft wünschen wir uns, in den Kopf eines anderen Menschen hineinsehen zu können. Thomas Beyer von der Me- dizinischen Universität Wien ent- wickelt Methoden, die genau dazu in der Lage sind. Die Technik, die er und sein Team benutzt, ist eine Kombination der bekannten Mag- netresonanztomografie (MRT), die 3D-Aufnahmen von weichem Ge- webe macht, und der weniger be- kannten Positronen-Emissions-To- mografie (PET), die den Zucker- umsatz im Hirn bestimmen kann. Das Ziel ist, eine Art Landkarte der Hirn-Aktivität zu zeichnen. In ei- nem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt hat sein Team nun ein automatisiertes Verfahren dafür entwickelt, das große Vortei- le gegenüber den bisher gängigen Methoden hat. Blutabnahme erforderlich Eine genaue Messung des Hirn- stoffwechsels ist üblicherweise sehr unangenehm, erklärt Beyer: „Da- für wird am Handgelenk arteriel- les Blut abgenommen, die Proban- den müssen dafür eine Stunde ru- hig liegen.“ Mit einem PET/MRT- Scanner ließe sich die Blutabnah- me vermeiden, so Beyers Hypothe- se. Ein solches Gerät ist in der Lage, MRT-Bilder, die Weichteilkontras- te sichtbar machen, mit PET-Bil- dern zu verbinden. Für den PET- Scan wird den Probanden eine ge- ringe Menge an radioaktiv mar- kiertem Zucker verabreicht. „Man appliziert den radioaktiven Zucker in die Blutbahn, wo er sich ver- teilt. Der von uns verwendete Zu- cker ist mit dem radioaktiven Ele- ment Fluor 18 markiert, das nach dem Zerfall zwei Photonen aus- sendet“, erklärt der Forscher. Die- se können mit dem PET-Scanner detektiert werden. Auf diese Wei- se wird ein Bild erstellt, das zeigt, wo der Zucker im Hirn verarbeitet wird. Das MR-Bild dient dabei als Referenz, weil Personen im Scanner sich leicht bewegen können und die PET-Scans verwackeln können. Die Belastung durch Radioakti- vität sei dabei im Bereich der gän- gigen jährlichen Strahlenbelastung einer Person in Österreich durch natürliche Einflüsse. PET/MRT- Scanner sind immer noch sehr sel- ten, sagt Beyer. „Auf der ganzen Welt gibt es etwa 250 Stück, in Ös- terreich genau eines, und zwar je- nes an der Medizinischen Univer- sität Wien.“ Die mit PET/MRT er- zeugten Bilder seien mehr als eine Überlagerung zweier Einzelbilder, so der Physiker: „Wir verwenden Informationen aus dem MRT, um die PET-Bilder besser und genauer zu machen.“ Hirnaktivität ohne Blutabnahme Mit diesem Gerät wurde in dem klinischen Projekt gemeinsam mit den Kooperationspartnern der Me- dizinischen Universität Wien eine Gruppe von zehn Probanden un- tersucht. Sie bekamen das Kont- rastmittel, den radioaktiven Zu- Hirnaktivitäten messen und verstehen Eine Forschungsgruppe um den Physiker Thomas Beyer hat erforscht, wie sich die Hirnaktivität von Menschen messen lässt. Die entwickelte Methode ist vollautomatisch, schonend und soll helfen, die Diagnosen etwa im Bereich der Neurologie zu verbessern. cker, verabreicht und lagen danach 60 Minuten im PET/MRT-Scanner, wobei ihnen regelmäßig Blut abge- nommen wurde. „Das war notwen- dig, um zu sehen, ob das, was wir im Hirn messen, mit dem Zucker- gehalt des Bluts korrespondiert“, sagt Beyer. Durch den Vergleich mit der klassischen Methode durch Blutabnahme konnte die Verläss- lichkeit der PET/MRT-Messung der Hirnaktivität bestätigt werden, wodurch es künftig möglich ist, auf die Blutabnahme zu verzichten. Dadurch wird es möglich, quan- titative Messungen des Hirnstoff- wechsels im klinischen Bereich an- zuwenden. Anwendung für Epilepsie Nach dieser ersten erfolgreichen Studie wurde untersucht, ob sich die Methode zur Unterstützung von Epilepsie-Behandlungen ver- wenden lässt. Bei nicht läsionaler Epilepsie – das ist eine Form der Erkrankung, die nicht auf anato- mische Faktoren zurückzuführen ist – ist es entscheidend, die Akti- vität bestimmter Hirnregionen zu kennen, die dann das Ziel eines chi- rurgischen Eingriffs sind, bei dem das problematische Gewebe opera- tiv entfernt wird. Um sicher zu sein, welche Re- gion für die epileptischen Schü- be verantwortlich ist, sind genaue Messungen zur Bestimmung von deren Aktivität nötig. Der Zucker- umsatz eines solchen Areals ist im ruhigen Zustand niedrig, während ÄRZTE & ÄRZTINNEN IN VORARLBERG Die offizielle Facebook-Gruppe der Ärzteschaft Vorarlberg! Beitreten und immer auf dem aktuellsten Stand sein! 22 | ARZT IM LÄNDLE 12-2020

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