AIL Dezember 2020

Ein ungewöhnliches, herausforderndes Jahr neigt sich dem Ende zu. Eine Pressemeldung zum Jahreswechsel 2019/2020 über mehrere hundert Infizierte durch ein neuartiges Coronavirus in der Stadt Wuhan in China mit zahlreichen Todesfällen vor allem bei älteren immungeschwächten Menschen wird zum dominierenden Thema des Jahres, weltweit. Bald nach dieser Pressemeldung traten in Euro- pa und auf anderen Kontinenten Hotspots dieser Infektionserkran- kung auf. Am 25. Februar wurden die ersten Fälle in Österreich dia- gnostiziert. Am 26. Februar tagte der erste erweiterte Krisenstab in Vorarlberg zur Vorbereitung auf die zu erwartende Pandemie, am 5. März wurde der erste Covid-Patient in Vorarlberg diagnostiziert. Die Weltgesundheitsorganisation erklärte am 11. März die weltweite Ausbreitung der Erkrankung zur Pandemie. Ab dem 11. März ver- hängte die Bundesregierung schließlich einen radikalen Lockdown mit Grenzschließungen, Stopp der Wirtschaft und faktischem Still- stand des Flugverkehrs. Bis dahin erfolgte eine massive Umgestal- tung der medizinischen Versorgung im intra- und extramuralen Be- reich. Durch die Einschränkung des Flugverkehrs, die rasant steigen- den Infektionszahlen weltweit und die fast ausschließliche Produkti- on von Schutzausrüstung, Arzneimittel und Medizinprodukten in Asien bzw. in China zeigte sich sehr rasch ein eklatanter Mangel die- ser Güter. Das Fehlen von Schutzausrüstung machte die Einrichtung einer zentralen Infektionsordination erforderlich, dies zum Schutz der Patientinnen und Patienten, des Ordinationspersonals sowie der Ärztinnen und Ärzte. Die Inbetriebnahme erfolgte bereits am 18. März am Dornbirner Messegelände. Die außerordentliche Diszi- plin der Bevölkerung während des Lockdown im Frühjahr, das En- gagement und die Zusammenarbeit aller im Gesundheitsbereich tä- tigen Organisationen führte zu einer relativ geringen Anzahl von Er- krankten während der ersten Welle. Die getroffenen Maßnahmen zeigten im internationalen Vergleich für Österreich sehr gute Daten. Nach sechs Wochen wurde das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben schrittweise wieder normalisiert. Die Reflexion über die Situation und die getroffenenMaßnahmen während der erstenWelle führten in der Vorarlberger Ärzteschaft zum Wunsch, dass zukünftig ein radikales Herunterfahren der medizini- schen Versorgung vermieden werden müsse. Für künftige Pandemien sollte/muss immer eine ausreichende Reservekapazität an Schutzaus- rüstung, Spitalsbetten und insbesondere Intensivbetten vorgehalten werden. Es braucht ausreichend ausgebildetes medizinisches Personal, denn die bereits bei der Normalversorgung knappen Personalressour- cen werden in Krisenzeiten zur Gefahr für die Versorgung. Über den Sommer kam es bei relativ geringen Neuinfektionszah- len zu einer zunehmenden Missachtung des Social Distancing und ei- ner schwach ausgeprägten Maskentragedisziplin. Das führte schließ- lich in allen Staaten, so auch bei uns ab September zu einer deutlichen Zunahme der Neuinfektionen, besonders stark ab Oktober. Die Dia- gnostik wurde deutlich erleichtert durch die Verfügbarkeit der sehr genauen Covid-19-Antigenschnelltests, die in Vorarlberg sowohl intra- wie extramural flächendeckend ab Anfang Oktober angewen- det wurden. Das Contact Tracing war der großen Zahl an Neuinfekti- onen nicht mehr gewachsen. Die sehr guten Ergebnisse im Frühjahr kehrten sich zuletzt ins Gegenteil, Österreich gelangte bei den Neuin- fektionen an die Weltspitze, wobei vor allem in Vorarlberg die Inzi- denz im Bundesländervergleich sehr hoch und fallweise am höchsten war. Hier gab es sicher Fehler in der Einschätzung der zweiten Welle und der möglichen raschen Absonderung von Kontaktpersonen der Kategorie 1. Mannschaftssportarten wie Fußball zeigten außeror- dentlich hohe Infektionsraten, dennoch wurde der Mannschaftspro- fisport nicht gestoppt. Patienten berichteten, dass manche Unterneh- men Druck auf Mitarbeiter als Kontaktpersonen der Kategorie 1 aus- übten, solange noch kein Absonderungsbescheid vorlag. Der Wunsch nach normalem gesellschaftlichem Leben, der relative milde Verlauf der Erkrankung beim Großteil der Infizierten führten auch zu einer Abnahme der Solidarität der Jüngeren mit der besonders gefährdeten älteren Bevölkerung. Spät aber doch kam es schließlich ab 2. Novem- ber zum zweiten Lockdown. Wir können davon ausgehen, dass diese Maßnahme wirksam ist, auch wenn sie nicht so radikal wie im Früh- jahr erfolgt und auch für einen kürzeren Zeitraum geplant ist. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses kündigt David Navarro von der WHO für Europa die dritte Welle zu Jahresbeginn 2021 an. Diese Nachricht raubt vielen Menschen die Aussicht auf Besserung. Diesem Pessimismus steht die Hoffnung auf rasche Zulassung von hochwirksamen, gut verträglichen Impfstoffen gegen das SARS- CoV-2-Virus gegenüber. Die Impflogistik wird derzeit noch geplant und diskutiert. Ich bin sicher, dass die notwendige Durchimpfung der Bevölkerung bei Verfügbarkeit von ausreichend Impfstoff gut funktionieren wird. Im zu Ende gehenden Jahr war nicht alles nur negativ. Die Zu- sammenarbeit vieler im Gesundheitsbereich Tätiger ist konstruktiv und hoch erfreulich. Die Zusammenarbeit der Kolleginnen im intra- und extramuralen Bereich funktionierte sehr gut und wertschät- zend. Die außerordentliche Arbeit bei der PCR-Testung am patholo- gischen Institut im LKH Feldkirch muss erwähnt werden. Die Kolle- ginnen und Kollegen und das Pflegepersonal, die schwer erkrankte Covid-19-Patienten zu betreuen haben, verdienen allen Respekt. Denselben Respekt verdienen auch die Hausärztinnen und Hausärz- te, die eine zentrale Rolle bei der Diagnostik und Betreuung von Co- vid-19-Erkrankungen zu Hause und in Pflegeeinrichtungen spielen. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen zeigten zur Pandemiebewälti- gung außerordentliches Engagement, alle zu nennen würde zu weit führen. Aber einen Kollegen muss und möchte ich in diesem Zusam- menhang doch nennen, OMR Dr. Robert Spiegel. Er hat mit seiner UN-Krisen-Erfahrung sowohl das Management in der Diagnostik, der niedergelassenen Versorgung und einer möglichen zentral- stationären Notversorgung in Vorarlberg ab der ersten Krisensitzung im Land relevant geprägt. Allen Kolleginnen und Kollegen danke ich für das berufliche Engagement im zu Ende gehenden Jahr und wünsche Frohe Weihnachten und ein hoffnungsvolles Jahr 2021. Ihr Präsident OMR Dr. Michael Jonas C E T E R U M 2020 – annus horribilis, 2021 Jahr der Hoffnung? ARZT IM LÄNDLE 12-2020 | 3

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