Für ein heilsames Miteinander - Buch 2: Feldstecher

150 151 Ärztekammer für ein heilsames Miteinander Im Gespräch Visionen konkretisieren. Visionen realisieren. – Gespräche aus dem Visionsprozess Die Ärztekammer für Vorarlberg befindet sich aktuell in einem professionell be- gleiteten Visionsprozess, in dem es um die Zukunft der Ärztekammer geht und der vom Wunsch ihrer Mitglieder getragen ist, einen verstärkten Beitrag zu einer finanzierbaren und ganzheitlichen Gesundheitspolitik zu leisten (siehe Beitrag zur Visionsklausur in der Ausgabe 01/2016). In der Reihe „Gespräche aus dem Visions- prozess“ werden bis Ende des Jahres monatlich einzelne Teilnehmer/innen des interdisziplinär gestalteten Prozesses zu Wort kommen. Den Auftakt macht der Prozessteilnehmer Thomas Jungblut, Allgemeinmediziner in Bregenz, im Gespräch mit Karin Metzler: Ärztekammer für ein heilsames Miteinander Visionen konkretisieren. Visionen realisieren. – Gespräche aus dem Visionsprozess Die Ärztekammer für Vorarlberg befindet sich aktuell in einem professionell be- gleiteten Visionsprozess, in dem es um die Zukunft der Ärztekammer geht, und der vom Wunsch ihrer Mitglieder getragen ist, einen verstärkten Beitrag zu einer finanzierbaren und ganzheitlichen Gesundheitspolitik zu leisten (siehe Artikel zur Visionsklausur in der Ausgabe 01/2016). In der Reihe „Im Gespräch“ werden bis Ende des Jahres monatlich einzelne Teilnehmer/innen des interdisziplinär gestal- teten Prozesses zu Wort kommen. Im zweiten Teil der Reihe befindet sich die Prozessteilnehmerin Birgit Plankel, Spediteurin und Betriebsratsvorsitzende bei Gebrüder Weiss Gesellschaft, im Gespräch mit Gabriele Bösch. ENGAGEMENT FÜR DIE ZUKUNFT Frage: Birgit, du bist Spediteurin und Betriebsratsvorsitzende und nimmst an dieser Klausur als Nicht-Ärztin teil. Was nimmst du für deine eigene Tätigkeit aus diesem Visionsprozess der Ärztekammer mit? Birgit Plankel: Auffallend für mich ist, dass der Beruf des Arztes mit meinem Beruf viele Parallelen hat. Beide Berufe sind bestimmt durch Begeisterung, Leiden- schaft, persönliche Stärken, Fachwissen und beinhalten zentral die Arbeit mit und für die Menschen. Ich sehe auch, dass sich die Sorgen und Nöte eines Arztes ähnlich gestalten wie diejenigen eines anderen Menschen in seinem beruflichen Umfeld oder in seinem Betrieb. Das Engagement der anwesenden Ärzte hat mich schon bei den ersten Visionstagen im vergangenen April extrem positiv gestimmt. Es war mir nicht bewusst, wie viele Probleme die ver- schiedenen Arztgruppen im Hintergrund beschäftigen. Für mich war das als Außen- stehende immer alles eines. Und jetzt stel- le ich fest, dass es doch viele verschieden gelagerte Ebenen und Problemfelder gibt und dass auch Ärztegruppen unterein- ander kommunikative Schwierigkeiten haben. Es ist aber toll, dass alle Anwesen- den aktiv an einer Lösung für die Zukunft arbeiten. Und es ist schön zu sehen, wie viele gute Ansätze in kurzer Zeit heraus- gearbeitet wurden. Das gefällt mir sehr. Der Prozess wäre durchaus übertragbar in meine Firma, wenn bei uns Probleme auftreten. Mit den angebotenen kom- munikativen Methoden könnte man auch in der Privatwirtschaft gute Lösungen erreichen. Frage: Wenn du die Methoden ansprichst, nimmst du davon auch etwas für dich persönlich mit? Birgit Plankel: Ich kenne und schätze Frau Mag. Karin Metzler (die Prozess- leiterin, Anm.d.Red.) schon seit 4 oder 5 Jahren durch ihre Arbeit in verschiede- nen Gremien der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft und in den Betrieben. Die Kommunikationsexperten bringen uns neue Methoden wie den „Dialog“ oder „Art of Hosting“ bei, damit wir sie in unseren Betrieben anwenden können. Für uns war es immer wieder eine fruchtbare Zu- sammenarbeit mit Frau Metzler. Deshalb habe ich mich auf diese Tage gefreut und ich bin gerne gekommen, weil ich weiß, es wird sicherlich auch für mich wieder etwas Neues, Interessantes dabei sein. Frage: Wenn du dir jetzt etwas für diese Ärzteschaft hier wünschen könntest, was würdest du ihnen wünschen? Birgit Plankel: Einfach, dass sich der Drive und das Engagement, das derzeit bei allen spürbar ist, für eine lange Zukunft fortsetzt. Es wurden viele gute Projekte erarbeitet, die nun Schritt für Schritt rea- lisiert werden müssen. Und ich würde mir wünschen, dass auch kleinere Projekte und Ideen, die vorläufig nicht priorisiert worden sind, nicht in Vergessenheit ge- raten und irgendwann umgesetzt werden. Ich habe in diesen beiden Tagen oft ge- spürt, dass die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte aus tiefster Überzeugung gute Ärzte sein wollen, und wünsche ihnen somit, dass sie viele der erarbeiteten Projekte, die ein neues Verständnis vom Arztberuf und bessere Rahmenbedingun- gen mit sich bringen, realisieren können. Denkanstöße: Was verbindet Berufe wie Arzt und Spe- diteur? Begeisterung, Leidenschaft und Fachwissen. – Eine berufsübergreifende Sichtweise bringt andere Perspektiven – Wir brauchen neue Haltungen und Kommunikationsformen für ein gutes Miteinander. Warum sollen sich der Drive und das Engagement in die Zukunft fortsetzen? „MAN MUSS AUCH VERZEIHEN KÖNNEN“ Frage: Seit der letzten Gesundheitsreform gibt es neben der Bundeszielsteuerungs- kommission auch die Landeszielsteue- rungskommissionen. Was ist aus deiner Sicht der Grund, warum die Ärzte hier ausgeschlossen sind und in den Gremien kaum vertreten? Dr. Jungblut: Die Gesundheitsreform ist uns Ärzten grundsätzlich ein großes An- liegen und sehr wichtig. Natürlich stellt sich die Frage, warumman uns nicht offiziell bei der Erstellung und Planung mit eingeladen hat. Ich vermute, dass es kommunikative Schwierigkeiten größeren Ausmaßes gibt. Dies wäre meiner Mei- nung nach nicht notwendig. Auf der ande- ren Seite weiß ich aber, dass es zahlreiche Kanäle gegeben hat, wo doch ärztliche Anliegen hineingeflossen sind. Wenn man das Papier „Das Team rund um den Haus- arzt“ liest, dann hat man den Eindruck, es ist viel Sachverstand auch von ärztlicher Seite eingeflossen. Es ist eigentlich ein sehr gutes Papier, mit demman in Zukunft sehr viel wird anfangen können. Frage: Löst es bei dir Betroffenheit aus, dass die Ärzte für politische Entscheidun- gen zu wenig angefragt werden? Könnte es sein, dass die Ärzteschaft hier in der Vergangenheit Fehler gemacht hat und dass man sich intern etwas anschauen müsste? Gibt es hier auch eine Selbstkritik in euren Reihen? Dr. Jungblut: Wenn man sich das überlegt, kommt man natürlich ins Phantasieren. Wenn man in die Vergangenheit zurück- blickt, könnte man als Laie, der in der Presse liest, den Eindruck haben, dass die Ärztekammer oder die Ärzte generell zu allem nein sagen z.B. zur ELGA, zur e-card oder zu anderen Reformen, zu vielen Dingen, die sich letztlich als sehr sinnvoll herausgestellt haben. Ich glaube, dass es hier in der Vergangenheit Dinge gegeben hat, die nicht gut gelaufen sind. Wenn man etwas in einem System verändert, dann sollen beide Seiten etwas davon haben, man sollte eine Win-Win-Situation anstre- ben. Die Zukunft könnte meiner Meinung nach rosig aussehen, wenn wir uns zu- sammensetzen. Politik und Ärzteschaft. Jeder hat seine Anliegen und die meisten davon haben auch ihre Berechtigung. Für mich wäre es sehr wichtig, dass wir diese Interessen zusammenführen, zumWohle der Patienten. Der Patient muss ganz oben stehen. Dann streiten wir viel weniger, als wenn irgendwelche partikuläre Interes- sen im Vordergrund stehen. Frage: Wenn du jetzt anpacken könntest im Gesundheitssystem, z.B als Gesundheitspolitiker, was würdest du zu- erst machen? Dr. Jungblut: Was wir in allererster Linie und vor allem brauchen, wäre eine Versöhnung. Ein Versöhnungsprozess zwischen den verhärteten Fronten. Dass alle zunächst einmal - gut moderiert - zusammen kommen, sich aussprechen und dann ordentlich miteinander feiern. Wenn man auch gemeinsam feiern kann, kommt man zusammen. Und dann sollte man unter neuen Gesichtspunkten an- fangen, nicht unter dem Gesichtspunkt „ich behüte meine alten Privilegien und gebe keinen Millimeter nach“. Wir müssen „mögig“ miteinander umgehen, wie man bei uns in Vorarlberg sagt. Und ganz schwierig: man muss auch verzeihen können (lacht). Denkanstöße: Versöhnung als Voraussetzung für ein produktives Miteinander - Einzelinteres- sen für das Gemeinwohl zusammenfüh- ren – Feiern ermöglicht Begegnung. Dr. Thomas Jungblut Birgit Plankel Im Gespräch Arzt im Ländle 02-2016 Arzt im Ländle 03-2016

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