Für ein heilsames Miteinander - Buch 2: Feldstecher
160 161 Ärztekammer für ein heilsames Miteinander Im Gespräch Visionen konkretisieren. Visionen realisieren. – Gespräche aus dem Visionsprozess Die Ärztekammer für Vorarlberg befindet sich seit mehr als einem Jahr in einem Visionsprozess, der vom Wunsch ihrer Mitglieder getragen ist, einen verstärkten Beitrag zu einer finanzierbaren und ganzheitlichen Gesundheitspolitik zu leisten. In der Reihe „Im Gespräch“ kommen monatlich einzelne Teilnehmer/innen des interdisziplinär gestalteten Prozesses zu Wort. Im achten Teil befindet sich Dr. Esther Voitle, Radiologin im LKH Feldkirch, im Gespräch mit Gabriele Bösch. Dr. Esther Voitle WERTVOLLE INPUTS AUS DEM AUSLAND Frage: Du bist Radiologin im Krankenhaus in Feldkirch, hast vorher aber mehrere Jahre im Ausland gearbeitet. Gibt es Un- terschiede in deiner Tätigkeit im Ausland und im Inland? Wenn ja, was ist dir hier im Vergleich ein Anliegen? Dr. Voitle: Ich bringe sehr viele positive Eindrücke von meiner Tätigkeit im Aus- land mit und es wäre mir ein großes An- liegen, dass einiges davon hier eingeführt und umgesetzt werden kann. Dinge, die die Abläufe und Zusammenarbeit erleich- tern, im ambulanten wie auch stationären Bereich, von denen alle nur profitieren können, sei es nun Patient, Pflege, Arzt usw. Deshalb nehme ich auch an diesem Visionsprozess teil, weil ich die Hoffnung habe, hier vielleicht etwas einbringen zu können. Frage: Hast du konkrete Beispiele? Dr. Voitle: Gerne, um nur ein paar zu nen- nen. Die elektronische Vernetzung ist bei- spielsweise beindruckend. Zuweisungen erfolgen elektronisch. Die elektronische Patientenakte (bei uns Fieberkurve) ist im- plementiert, getrennte Einträge für Pflege und Ärzte, für alle Beteiligten schnell ge- ordnet, mit einem Click ersichtlich. Visiten werden in Form eines schriftlichen Notats festgehalten, somit kann man sich, wenn man nachts zu einem Patienten gerufen wird, den man vorher noch nie gesehen hatte, rasch einen Überblick verschaffen und dementsprechend handeln. Eben- falls leicht einsehbar sind ältere Verläufe des Patienten, Notate bei Konsilien oder Aufenthalte auf anderen Stationen. Das Labor auch aus anderen Spitälern einer Region (bedingt vergleichbar mit unseren Bundesländern) ist elektronisch abrufbar. Beeindruckend auch die Vernetzung der Häuser untereinander innerhalb einer Region. Dies erspart Doppeltuntersuchun- gen (Labor, Röntgen etc.). Erfasst werden Patienten über eine Nummer, die der Staat vergibt, lebenslang sich nicht ändert (ver- gleichbar der Sozialversicherungs-Num- mer) und die Verwechslungen nahezu unmöglich macht. Über diese Nummer ist auch im gesamten Land abrufbar, welche Medikamente ein Patient wann in welcher Apotheke bezogen hat, oft ein sehr hilfrei- ches Instrument. Bemerkenswert ist wei- ters die Zusammenarbeit aller Beteiligten an einem Patientenverlauf bis hin zur Übernahme der Pflege nach Entlassung. Erfolgreich umgesetzt z.B. das FAM – eine gemeinsame fächerübergreifende Not- aufnahme (Unfall- bzw. Orthopädische Chirurgie, Innere Medizin, Kardiologie als eigenständige Abteilung, Neurologie), auf der die Patienten mit einer maximalen Liegedauer von drei Tagen verbleiben, und wenn möglich dann nach Hause entlassen oder aber - bei absehbarem längeren Ver- lauf - auf die zuständige Abteilung verlegt werden. Am Spital in Esbjerg waren ein- mal mehrere Ärzte aus dem AKH Wien zu Gast, um sich dieses Modell anzuschauen. In Dänemark ist außerdem der ambulan- te Bereich gut ausgebaut, hierunter vor allem die Allgemeinmedizin. Es gibt kaum Selbstzuweiser in die Spitalsambulanzen bzw. ein dem Krankenhausbetrieb vor- geschalteter Facharzt für Allgemeinmedi- zin und das implementierte, extramurale „Arzt-Diensttelefon“ klären vieles. Wesentlich für Ausbildungsärzte ist weiters ein funktionierendes und gelebtes Mentoring-System. In Dänemark gibt es solche „vejleder“ für jeden Ausbildungs- arzt und während der gesamten Ausbil- dungszeit. Mit seinem „vejleder“ trifft man sich mehrmals im Jahr, um zu schauen, ob die vorgegebenen, im Ausbildungskata- log genannten Lernziele bereits erreicht wurden und wo noch etwas gearbeitet werden muss. So bekam ich wertvolle Rückmeldungen, wie ich gesehen werde und wo ich stehe. Als Mentoren werden auch jüngere Ärzte nach Absolvierung des „vejleder“- Kurses im zweiten Aus- bildungsjahr eingebunden. Ich selbst habe nach einem Jahr ebenfalls so eine begleitende Funktion übernommen. Sehr hilfreich sind auch die elektro- nisch abrufbaren „instrukser“, die es auf jeder Abteilung gibt und die eine Art guidelines für Krankheitsbilder darstellen. Diese erleichtern Jungärzten die Arbeit nicht nur in den Nachtdiensten, sondern auch tagsüber in den Ambulatorien und erziehen zu selbstständigem Arbeiten. Überaus wertvoll zur Erfassung des gesamten Fachspektrums erachte ich die Tatsache, dass sämtliche Ausbildungsärz- te während ihres Verlaufes fix vorgegeben für 1,5 Jahre an ein Universitätsspital bzw. ein höher spezialisiertes Haus kommen. Weiters gibt es für Ausbildungsärz- te wöchentliche Fortbildungen mit fest vorgesehenen Zeiten, wo man auch selbst gefordert wird, etwas vorzubereiten und vorzutragen. Für alle Jungärzte gab es zu- dem zu Beginn einen ALS Kurs, mit „hands on“, Puppen, durchgespielten Krankheits- verläufen und Videoaufzeichnungen für die spätere Supervision. Meine Kollegen kannten das bereits vom Studium, für mich aus Österreich war es neu, aber eine sehr große Hilfe. Ummehr Dinge zu nennen, ist die Zeit hier aber leider zu knapp. Frage: Das sind wirklich beeindruckende Beispiele für die Kommunikation Arzt zu Arzt, wie sieht es aus mit der Beziehung Arzt – Patient? Dr. Voitle: Auch das Arzt-Patienten-Ge- spräch hat in Dänemark immer einen hohen Stellenwert eingenommen. Bereits im ersten Jahr wird während eines für alle verpflichtenden mehrtägigen Kurses erörtert und geübt, worauf es ankommt. Bei einem späteren Termin wird die eigene Video-Aufzeichnung eines Arzt-Patienten-Gesprächs gemeinsam analysiert. Unglaublich lehrreich. Man lernt, wenn man im Ambulatorium oder in der HA-Praxis sitzt und maximal 15 Minuten Zeit zur Verfügung stehen, dass man Prioritäten und Ziele setzt (eine Art Tagesordnung), und man klärt gemein- sammit dem Patienten ab, was in der zur Verfügung stehenden Zeit wichtig ist und was vielleicht bei einem zweiten Termin abgehandelt werden kann. Sehr viel Wert wird darauf gelegt, auf der Ebene des Patienten zu kommunizieren und ihn dort abzuholen, wo er gerade steht. In meinem Fach der Radiologie ist der direkte Patien- tenkontakt zwar nicht so ausgeprägt wie in anderen Fächern, die Grundregeln sind aber auch hier sehr hilfreich. Frage: Wenn du einen Wunsch frei hättest für dein zukünftiges Ärztinnensein, was würdest du dir wünschen? Dr. Voitle: Es wäre mir wichtig, dass die jungen Kollegen von Anfang an gut einge- bunden werden. Man sollte wegkommen von dem alten Spruch: „So war das im- mer.“ Auch Führungskräfte sollten bereit sein, ihre Haltungen zu überdenken und sich Innovationen gegenüber zu öffnen. Warum nicht einmal über die Grenzen schauen? Vorarlberg als Modell-Region, da sind alle gefordert. Teaching als Schlagwort, wobei hier einerseits das ausgezeichnete Fachwissen der Ober- und Fachärzte weitergebeben werden kann, andererseits die Jungärzte durchaus gefordert werden dürfen. Denkanstöße: erfolgreiche Beispiele aus dem Aus- land einbeziehen- elektronisches Vernetzungssystem und elektronische Patientenakte zur gegenseitigen Arbeits- erleichterung - fächerübergreifende Notaufnahme - gelebtes Mentoringsystem als wichtige Unterstützung für Jungärzt/innen – regelmäßige Fort- bildungen - Training des Arzt-Patienten- gesprächs - Jungärzt/innen als Partner/ innen sehen – Neugier und Offenheit für Innovationen als Gewinn für alle Arzt im Ländle 09-2016 Arzt im Ländle 09-2016
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