Für ein heilsames Miteinander - Buch 2: Feldstecher

178 179 Arzt im Ländle 11-2018 Arzt im Ländle 11-2018 Aus der Kammer 3. Treffen des Netzwerks der Vorarlberger Gesundheitsberufe Mitte September fand das dritte Treffen des Netzwerks der Vorarlberger Ge- sundheitsberufe statt. Inhaltlich ging es beim Treffen vor allem um die anstehende Kassenreform und die Auswirkungen auf die einzelnen Gesundheitsberufe. Präsident MR Dr. Michael Jonas brachte die anwesenden Vertreter der Gesundheits- berufe zunächst auf den neuesten Stand. Im Anschluss berichteten die einzelnen Gesundheitsberufe, wie sich die Reform auf ihre Arbeit auswirken wird. Dabei kamman gemeinsam zu dem Schluss, dass eine einzige österreichische Kasse keine Verbesse- rungen mit sich bringen wird. Gemeinsam wurde dann die Idee entwickelt, sich mit den Vorarlbergern Nationalrats- und Bundesratsabgeordneten zu treffen, um die Beden- ken hinsichtlich Kassenzusammenlegung noch einmal im persönlichen Gespräch vorzu- bringen. Ende Oktober fand bereits ein erstes Gespräch mit den Vertretern der FPÖ statt. Bei Redaktionsschluss des „Arzt im Ländle“ konnte der Termin mit der ÖVP noch nicht fixiert werden. Für ein heilsames Miteinander Der Gatekeeper – Ein Blick in den Alltag eines Praktikers beobachtet von Brigitta Soraperra Er sagt, er sei Allgemeinmediziner aus Leidenschaft, auch nach 29 Jahren mache er seinen Beruf immer noch sehr gerne, und er freue sich nicht, dass er in sieben Jahren vielleicht schon in Pension gehen werde. Ich bin neugierig auf den, der das sagt, und mache mich auf den Weg zu Peter Pircher, einem von drei niedergelassenen HausärztInnen und Gemeindearzt in der Marktgemeinde Frastanz, die knapp 6.500 BewohnerInnen zählt. Meine (selbst gewählte) Mission ist es, den ganz normalen Alltag eines Vorarlberger Landarztes sichtbar zu machen. Dem zugrunde liegt, dass der Visionsprozess in der Ärztekammer, den ich seit Anfang an dokumentarisch begleite, aufzeigt, wie wichtig es ist, dass die drei ärztlichen Bereiche Krankenhaus, niedergelassene Fachbereiche und Allgemeinmedizin Einblick in den Berufsalltag der anderen haben. Außerdem stellt sich die Frage, warum gerade der Hausarztbereich mit Nachwuchssor- gen zu kämpfen hat. Es ist Mittwoch Früh und die Praxis in der Bahnhofstrasse 11 hat zwischen 7.30 und 11 Uhr geöffnet. Bereits um 7.15 Uhr stehen drei PatientInnen vor der Türe. Um 7.28 Uhr öffnet Daniela, Peter Pirchers Sprechstundenhilfe, die Türe, und nimmt sogleich die Daten der Wartenden in ihren PC auf, bevor sie diese um Geduld und ins Wartezimmer bittet. Ich spreche mich mit Peter Pircher kurz ab, wie wir den Vormittag gestalten wollen. Ob ich vielleicht auch bei den Behandlungen anwesend sein könne, frage ich. Das dürfte kein Problem sein, antwortet er, seine Patienten seien es gewohnt, dass jemand dabei ist. Peter Pirchers Praxis ist, wie ich erfahre, eine von fünf Lehrpraxen, die es in Vorarlberg gibt. Regelmäßig arbeitet er mit jungen TurnusärztInnen zusammen, die das letzte halbe Jahr ihrer Ausbildung bei ihm in der Praxis verbringen. „Die beste Idee überhaupt und ich bin froh, dass ich mich dazu motivieren habe lassen“, wird er mir später noch erzählen. Ich bin gespannt und folge ihm diskret mit meinem Notizblock ins angrenzende zweite Behandlungszimmer. Hallo, wie geht’s? Es ist 7.35 Uhr, ein Mann mit einem großen Kuvert hat dort be- reits Platz genommen. „Hallo, wie geht’s?“ fragt Peter Pircher aufmunternd und streckt ihm die Hand hin. Der ca. 80-Jährige erwidert den Händedruck und klagt über Schmerzen im rechten Bein. Im Kuvert sind Röntgenaufnahmen enthalten, die der Arzt neben seinen Aufzeichnungen im Computer gründlich studiert. Dann untersucht er das Bein, routiniert und schnell. „Kannst du mit den Schmerzen leben, wie sie jetzt sind“, fragt er, „die Rönt- genaufnahmen sind zwar nicht gut, aber ich würde mit einer Operation noch zuwarten“. Dann erkundigt er sich mit einem neuerlichen Blick in seinen PC nach den Schmerztabletten, nach den Blutdrucktabletten, und fragt, ob der Mann noch genug davon habe. Man einigt sich, in ein paar Wochen nochmals wegen des Beins zu reden. „Warten wir ab“. Der Mann verabschiedet sich, Peter Pircher tippt flink alle Informationen in seinen Computer: Beschwerden, Untersuchungsergebnis, Behandlung, verschriebene Medikamente. Nach einem kurzen Blick auf die nächste Krankenakte, wechselt er ins zweite Behandlungszimmer, wo eine Frau ihn bereits hustend erwartet. „Immer wieder was Neues“ „Guten Morgen, wie geht’s? Was ist los?“ Auch hier fällt mir das freundschaftliche Verhältnis auf. Man ist per Du, man kennt sich. „Du bist schon länger nicht mehr da gewesen“, bemerkt Peter Pircher und wirft einen Blick auf seinen Bildschirm am Schreib- tisch: „Was macht denn dein Sodbrennen?“. Die ca. 40-jährige Patientin erzählt von ihrem Husten, der sie seit drei Wochen plage, manchmal verbunden mit dem Gefühl zu ersticken. Der Arzt schaut ihr in den Mund, horcht Rücken und Brustraum ab, erklärt, dass es sich um einen Infekt handle, und erkundigt sich erneut nach dem Magen. „Du bist zwar wegen des Hustens da, aber das andere ist mir fast wichtiger“, sagt der erfahrene Me- diziner. Er sieht in seinen Unterlagen, dass die Patientin zuletzt vor drei Jahren bei einem Internisten war, es sei an der Zeit, den Magen-Darm-Trakt wieder anzuschauen, findet er. Er schlägt den neuen Spezialisten im Dorf vor – der andere ist in Pension ge- gangen – und die Terminbuchung erledigt er gleich selbst, direkt via Computer. „Praktisch, immer was Neues“, meint die Patientin, erleichtert, dass sie sich darum nicht kümmern muss. Dann verschreibt ihr Dr. Pircher noch ein Rezept für Hustentropfen und bittet sie, den gewünschten Termin für eine Vorsorgeunter- suchung mit Daniela draußen zu vereinbaren. Man verabschiedet sich freundlich, noch im Hinausgehen der Patientin tippt der Arzt bereits wieder alles Wichtige in seinen Computer und wech- selt sogleich ins andere Behandlungszimmer. „Hallo, was gibt’s denn?“ Ein ruhiger Herbsttag Es sei ein „ruhiger Herbsttag“, sagt mir Peter Pircher nach un- gefähr acht PatientInnen und eineinhalb Stunden, in denen er immer wieder zwischen den beiden Behandlungszimmern hin und her gewechselt ist. Einmal hat er sogar zwei Patienten paral- lel behandelt, da er bei einem erst den Bluttest abwarten musste, den seine Assistentin durchführte. Es werde heute nicht so viel laufen, wie zu Spitzenzeiten, sagt der 58-Jährige. Aber wissen könne er es nicht, denn seine Praxis ist keine Bestellpraxis, sie hat kein Terminsystem und die Leute kommen stets spontan vorbei. „Das liegt mir mehr, ich bin eher der Improvisierende“, sagt Peter Pircher schmunzelnd, ihn stresse es mehr, wenn er von vornherein mit einem fixen Terminkalender konfrontiert sei. ››› Aus dem Visionsprozess

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