Für ein heilsames Miteinander - Buch 1: Expedition in neue Felder

13 12 genau weiß, was zu tun ist. Es dürfen keine Fehler passieren. Das be- deutet, dass ein lineares Denken in „Richtig oder Falsch“ gut trainiert ist. Wo ist im beruflichen Ärzte-Alltag Platz für das Visionieren und Experimentieren? Wo darf laut in Möglichkeiten gedacht werden, in Nebulosem und Unkonkretem? Wie entstehen Ahnungen? Wo gibt es Raum für kreative und künstlerische Formen der Gestaltung? Was geht uns im Kopf herum, was liegt uns am Herzen? In einer Vision, die echte Zugkraft entwickelt, sind die Bedürf- nisse der Einzelnen und der Gruppe sowie das Ziel, das sich die Gruppe gesetzt hat, und das Umfeld, in dem die Gruppe arbeitet, abgebildet. Was kommt auf uns zu? Man stürzt sich in etwas hinein und ist mitten drin. Wir machen uns gemeinsam auf einen unbekannten Weg. Können ÄrztInnen, von denen in der Praxis meistens verlangt wird, dass sie die All-Wissenden sind, eine Landkarte des Nichtwissens akzeptieren? Wer engagiert sich und warum? Menschen, die standespolitisch tätig sind, tun sich zusammen. Die Menschen im Kernteam haben sich gegenseitig nicht ausgesucht. Sie denken verschieden in ihrer parteipolitischen Ausrichtung, sind durch soziale Herkunft und Erfahrungen unterschiedlich geprägt - von streng katholisch bis antiklerikal. Ein Ziel im Kernteam - als Gemeinschaft, die etwas bewegen will – ist, dass alle, die für die Ärztekammer arbeiten, sich als Teil die- ses Visionsprozesses verstehen. Was sind die Herausforderungen der Zeit? Was heißt, sehen und agieren? Wie weit reicht der Horizont der einzelnen Personen und wie wird er sich durch unseren gemeinsamen Visionsprozess erweitern? Wir leben in einer Welt, in der interdisziplinäre Zusammen- arbeit, konstruktivistisches und systemisches Denken weitgehend eta- bliert sind. Gesundheit ist weit mehr als „Richtig oder Falsch“, sprich: gesund oder krank. Laut WHO, der Weltgesundheitsorganisation, wird Gesundheit folgendermaßen definiert: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ („Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“) Was ist unsere jeweils ganz persönliche Verantwortung für das Ge- meinwohl, über die eigenen Interessen hinaus? Was heißt Arzt oder Ärztin sein? Was heißt Mensch sein? Die Wunde ist eine gemeinsame. Die Wunde ist eine gesellschaftliche. Sie zeigt sich nur in verschiede- nen Symptomen. Der Präsident und der Vizepräsident der Vorarlberger Ärzte- kammer, Michael Jonas und Burkhard Walla initiieren eine ungewöhn- liche Initiative. Und damit macht erstmals eine Ärztekammer die Fenster weit auf. Am Beginn öffnet sie nur einen Spalt, später soviel, dass sogar Luftzug entsteht. Frische Luft tut gut. Der Vorstand der Ärztekammer trifft eine Entscheidung mit Folgen: „Visionen, Ziele und Rollen der Ärztekammer von Vorarlberg werden vom Vorstand mit demWillen definiert, verstärkt in einen ge- sundheitspolitischen Dialog einzutreten“. Michael Jonas Der Weg ist offen und unbekannt. Ein Kernteam aus engagierten Kam- merfunktionärInnen bildet sich und macht sich für dieses Ziel auf den Weg. Aus der Wunde entstehen leise und unbemerkt die Wunder. Standortbestimmung oder eine Anamnese Bevor Bilder von Visionen und möglichen Zielen der Kammer entste- hen können, geht es um das Ankommen im Kernteam und damit um eine Standortbestimmung. ÄrztInnen sind durch ihre Rolle häufig in hierarchischen Denk- mustern gefangen. PatientInnen verlangen, dass der Arzt, die Ärztin Der Entschluss, die Fenster zu öffnen, reift. Eine erste Vision des Kernteams ist, dass die Ärztekammer von Vorarlberg „sprudelnde Quelle sein will für …“. Zufall ist, was einem zufällt, wenn es fällig ist. Max Frisch Das ist der Anfang, leiser Aufstand, ich wollte schon lange beginnen, und das ist ein guter Ort dafür, so geht der Morgen, Auf- Bau einer streunenden Zuversicht Als Bildschirmhintergrund, ich weiss den Namen nicht, dafür ist es noch zu früh. Mit wenigen Worten ein Aufbruch: die Durchsage geht ins eigene Ohr, anfänglich unverständlich, ja, das könnte was werden. Martin Zingg Das Anliegen Das Anliegen

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