Für ein heilsames Miteinander - Buch 1: Expedition in neue Felder
188 189 ches auch fühlte: persönlich angesprochen. Er erzählte, dass sich eine Projektgruppe mit der „Inneren Versöhnung“ und eine andere mit der „Vernetzung“ beschäftigen würden. Dass er sich mit dem Begriff Innere Versöhnung schwer tat – und dass trotzdem Türen aufgegangen seien, weil er erkannt hatte, dass beide Themenkreise ineinander wirkten. Er wolle mitarbeiten und suche Menschen, die bereit seien, sich ihm anzu- schließen. Patrick fing Feuer. Seither haben sie sich monatlich in ihrer Projektgruppe getroffen. Patrick hält eine Postkarte in die Höhe: Darauf ist ein Mann zu sehen, der alleine einen Zug zieht. Genau das wolle er nicht – er wolle, dass möglichst Viele diesen Zug der Vision anziehen. Joachim spricht an, dass das nur mit Wertschätzung gelingen könne – und die fehle manchmal. Birgit Plankl (Spediteurin), Ruth Krumpholz und Thomas Jung- blut gehören der Projektgruppe „Mentoring“ an. Birgit verfügt über ein perfektes Hausarztteam. Ihr Hausarzt ist jedoch in einem ähnlichen Alter wie sie selbst, wird also in etwa zur gleichen Zeit in Pension ge- hen. Sie wolle sich daher jetzt schon dafür einsetzen, dass diese Praxis weitergeführt werden könne, sie brauche doch jemanden, auf den Verlass sei, wenn sie selbst „schusselig werde“. Sie setzt sich daher für das Mentoring ein. Ruth sieht das ähnlich. Auch ein Arzt brauche einen vertrauenswürdigen Hausarzt. Sie denke jedoch nicht nur an sich - sie spricht die prekäre Situation diesbezüglich in den Tälern an. Ihrer Mei- nung nach hätte nicht nur der Mentee sondern auch der Mentor einen Gewinn aus seiner Tätigkeit. Ein junger Teilnehmer fragt spontan: „Was?“ Darüber müsse sie noch intensiver nachdenken, antwortet sie. Die Frage bleibt für mich bis zum Schluss im Raum hängen. Thomas ist 57 Jahre alt und daher, wie er sagt, „auf die andere Seite gerutscht“. Er würde gerne mit den Jungen zu tun haben, er ist für ein Miteinander. Er bedankt sich dafür, dass die Teilnehmer an dieser Tagung wiederum aus vielen Sparten kommen. Sie seien repräsentativ für die Gesellschaft und er freue sich auf ihre Beiträge, denn alleine konnte es die Gruppe noch nicht schaffen, eine Anzahl von interessierten Mentees und Men- toren zu verpflichten. Es erfolgt eine kurze Pause, in der wir keinen smalltalk führen dürfen. Keine Nichtigkeitsgespräche. Kleingespräche nur in Bezug auf ein oder zwei Ideen, die wir einbringen wollen. Wir notieren sie auf Karten. Sie sind das Futter für morgen. In der tatsächlichen Pause dürfen wir uns stärken. Während ich hier im Foyer ummich schaue, will mir scheinen, dass es schon einen gewissen Geist der Vision gibt. Keiner steht alleine, alle sind im Gespräch miteinander. Auch die Durchmischung ist gut, die Ärzte se- parieren sich nicht. Die meisten stehen in Vierergrüppchen. Vielleicht ist das auch der Größe der Stehtischchen geschuldet. Es gibt Brötchen, Säfte, Wasser, Kaffee. Hansjörg erzählt mir, wie schön er es gefunden Alphatiere, Einzelkämpfer, sogenannte Dinosaurier gewesen, jeder von ihnen ein Star – und plötzlich hätten sie gleichberechtigt miteinander reden müssen. Die Stimmen der Bürgermeister von Dornbirn (50.000 Einwohner) und von Bildstein (500 Einwohner) zählten gleich viel. Es hätte diesbezüglich aber auch Anreize vom Land gegeben: Wenn ihr gemeinsam ein Heim baut, bekommt ihr 20% mehr Förderung. Heute sei zu erkennen, dass die BürgermeisterInnen nicht mehr aufeinander losgingen. Miteinander statt gegeneinander sei das Motto. Der Wett- bewerb wird seit ca. 10 Jahren von Netzwerken und Clustern abgelöst. Erwin Mohr spricht von einem „Netzwerk der Zufriedenheit“, in dem der Hausarzt allerdings Knotenpunkt bliebe. Durch gegenseitige Wert- schätzung könne Vorarlberg ein Mustermodell im Gesundheitssystem werden. Hm, denkt es mir. Sind wir Vorarlberger wirklich so anders, dass wir in allen Sparten Vorzeigemodelle entwickeln können? Irgend- jemand murmelt, in der Landesverfassung käme das Wort „Staat“ vor. Ich bin ehrlich gesagt zu faul, um das zu überprüfen. Aber wäre es möglich, dass so ein tragendes Wort sich als Gen in unserem Pool mani- festiert hätte? Ich schaue in die Runde. Viele der anwesenden Ärzte und Ärztinnen sind keine Eingeborenen (Gott sei Dank). Das vermutete Gen ist wohl eher ein Virus. Vielleicht ein gesundmachender. Vielleicht aber ist dieser Virus gar nicht männlich sondern weiblich, eine „Vira“. Pretty woman don´t walk away, hey OK. If that´s the way it must be, OK. Nach diesem Impulsreferat erinnert uns die Prozessbeglei- terin Karin Metzler an die von uns erarbeiteten Meilensteine: 1 Wir wollen uns in den gesundheitspolitischen Dialog einbringen. 2 Heilsames Miteinander = Wertschätzung für die eigene und die Arbeit der anderen. Es ist jetzt halb acht und auf meinem Skript steht für diesen Zeitpunkt: Blitzlichter. Ein Wort, das ich nicht einmal lesen mag. Gemeint ist damit allerdings, dass die Beteiligten der Entwicklungskreise „Innere Ver- söhnung“ und „Mentoring“ ihr Thema jeweils in einer Elevator speech für morgen aufmachen sollen. Im Sinne der Neugierkarotte . Ich komme mir vor wie ein Esel. Wieder einmal merke ich, dass ich mit dieser Spra- che nichts anfangen kann. Eine Liftansprache. Appatizer . Warum nicht Sprungbrettrede, Spritzlichter, Schlüsselrede oder Enthemmungsre- de? Oder ganz einfach: Vorspiel? Das macht doch auch Lust. Patrick Clemens erzählt mit Bedauern, dass er bei der letzten Klausur nicht anwesend sein konnte. Dass am 26.12., mitten in einer Weihnachtsfeier, sein Telefon klingelte und ein Kollege am Apparat war: Joachim Hechenberger. Ein Arzt ruft den anderen an einem Feiertag an? Patrick ging nach draußen in die Kälte, um zu telefonieren. Kein Notfall der herkömmlichen Art. Joachim erzählte ihm von der Visions- klausur, dass er persönlich angesprochen worden sei und sich als sol- Poetische Dokumentation Poetische Dokumentation
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