Für ein heilsames Miteinander - Buch 1: Expedition in neue Felder
198 199 einzutragen. Alle lachen dabei. Das ist das Maß des Erfolgs, über das wir in der Mittagspause gesprochen hatten. Auf der Liste steht einerseits: Ich suche einen Mentor. Darunter steht jetzt eine Reihe von email-Ad- ressen. Andererseits steht da: Ich biete mich als Mentor an. Darunter stehen Namen mit dem jeweiligen Fach. Mir scheint, zwischen Angabe und Nichtangabe von email-Adressen wird ein Generationensprung ersichtlich – oder ein Erfahrungssprung. Ich mache mir keine Sorgen – beide Gruppen werden sich finden. Der erste Schritt ist erledigt. Aber allen ist klar, dass es ein Sport bleiben wird, darüber zu sprechen, zu erzählen. Ohne persönliche Ansprache wird gar nichts weitergehen. Pretty woman, stop awhile. Pretty woman, talk awhile. Zum Abschluss wird das Kernteam in die Mitte geholt. Ruth zitiert noch einmal ihre Frage vom Beginn: Bruucht´s des? Jo, des bruuchts, ist der einhellige Tenor. Viele Kreise schließen sich – vom Vernetzen über das Mentoring. Das Mentoringprojekt muss uns allen Selbstverständnis werden, höre ich, mehr denn je für den Standort Vorarlberg. Es war der Wunsch da, das Feuer weiter auszubreiten – Danke, sagt der, der amWeihnachtsabend angerufen wurde. Bald ist es ein Jahr zwischen diesem Telefonat und meiner jetzigen Niederschrift. Ein Jahr, in dem viel geschah, was noch nicht zu messen ist. An diesem Wochenende jedoch habe ich etwas wahr genommen, weil ich etwas nicht wahrgenommen habe: Ich habe nicht einen missmutigen Unter- ton gehört. Hansjörg lacht mich durch den aufgelösten Kreis an. Am Ende bleibt ein leerer Stuhlkreis und Menschen, die sich umarmen. Der Landesrat ist wohl schon vorher gegangen. Ich hätte mich gerne verabschiedet. Während die ersten bereits gehen, räumen andere auf. Blatt für Blatt wird die Dokumentation fein säuberlich geordnet. Ich trinke noch ein Glas Wein und schaue jetzt entspannt. Aber wie nur soll man das alles, was an diesen eineinhalb Tagen, in diesem Jahr, ge- schehen ist, zusammenfassen? Mir fällt ein Erlebnis der letzten Woche ein. Eine Frau, die ich sehr liebe, sagte ganz verzweifelt zu mir: „Ich kann da nicht durchgehen!“ Ich antwortete: „Das ist ein Spiegel. Wir gehen durch die Tür.“ Pretty woman, give your smile to me. Hohenems, 12.12.2016 Zitate aus „Oh pretty woman“ von Roy Orbison meinmedizin zeigte Interesse, jedoch nur in Bezug auf den Punkt, wie ein Mentoringprojekt zu finanzieren sei. Plötzlich war in diesem Team die Luft draußen. Alle vier fragten sich, ob sie drei Schritte zurückge- hen sollten bis hin zur Frage, ob es dieses Mentoring überhaupt brau- che. Dr. Jungblut recherchierte weiter, weil er selbst Mentoren gehabt hatte und dieses spezielle Vertrauensverhältnis hochschätzte. Österreichweit gibt es viele Mentoringinitiativen. In den meisten Fällen ist Mentoring bezahlt. In Innsbruck z.B. erhält der Mentor den Auftrag durch die Universität, in Frankfurt z.B. wird das Mentoring von Sozial- pädagogen angeboten. In der Industrie werden Mentoren den Mentees oft zwangszugeteilt. Birgit Plankl hält fest, dass es, wenn überhaupt, einen Vorarlberger Weg geben sollte. Ehrenamtlich. Über Alters- und Fachgrenzen hin- weg. Jeder, der etwas beitragen will, solle das tun können. Und dass das Mentoring schon im Grundschulalter verankert sein sollte, damit Kinder sich für den Arztberuf interessieren. Wir nehmen also drei Fragen in kleine Arbeitsgruppen mit: Wie schaut unser Mentoring Modell aus, wenn wir von beiden skizzier- ten Modellen das Beste übernehmen? Wie finden sich Mentees und Mentoren? Wie soll das klassische Mentoring angepasst sein, damit es die ursprüngliche Vision stärkt? Es ist halb drei, als wir zu diesem Thema einen Dialog starten. Dialog bedeutet, eine gemeinsame Intelligenz zu generieren. Wir hö- ren generativ und bauen auf dem auf, was der Vorgänger sagte. Dazu verlangsamen wir mit einem Redestein. Wir halten unsere Meinung in Schwebe und sprechen von Herzen. Dieses Mal gehen wir jedoch der Reihe nach vor – das irritiert mich ein bisschen und ist vielleicht nur der fehlenden Zeit geschuldet. Auf diese Weise jedoch fällt es mir schwerer, auf dem aufzubauen, was der Vor- gänger sagte – und gibt es mehrere Wiederholungen in den Aussagen. Beherzt beginnt eine Jungärztin, weil sie selbst Mentee sein möchte. Sie kann sich eine Plattform im Internet vorstellen, und auch, dass andere Ärzte in Ausbildung Mentoren sein können. Ihre Begeisterung ist vielleicht ansteckend – denn nach dem Dialog und einer erneuten Fish-Bowl-Runde ist klar: Das Projekt Mentoring wird leben. Es wird einen Vorarlberger Weg geben. Mentoring ist Ehrensache, ist Wertschätzung. Und laut Christian Bernhard soll die Zusammenarbeit mit dem Land Vorarlberg nicht die „schlimmste vorzustellende Strafe“ sein. Er spricht sich dafür aus, jetzt und unkompliziert zu beginnen. Ist das nicht die Freude am Arztsein, was ich an ihm wahrnehme? Das kleine Glück geht durch das Tor des Humors wird Lisa später sagen. Ich jedenfalls freue mich. In der folgenden Abstimmung wird ersichtlich, dass eigentlich alle jun- gen Ärzte Mentees sein möchten - und fast alle „älteren“ Ärzte Mento- ren sein möchten: Sofort wird eine Liste erstellt. Man steht an, um sich Poetische Dokumentation Poetische Dokumentation
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