ARZT IM LÄNDLE
04-2012
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B
und, Länder und Haupt-
verband der Sozialversi-
cherungsträger haben sich
am 14. Februar 2012 vor dem
Hintergrund möglicher Eins-
parungen im österreichischen
Gesundheitssystem grundsätz-
lich darauf geeinigt, eine gemein-
same Planung, Steuerung und
Finanzierung von Spitalsbereich
und niedergelassenem Bereich
umzusetzen. Aus Sicht der Ärzte-
schaft dürfte es sich aber um
einen neuerlichen Versuch der
VP-geführten Länder handeln,
ihre radikalen staatsmedizini-
schen Forderungen umzusetzen.
Gefahr für Sozialpartnerschaft
Die eigenständigen Forderungen
der VP-Länder basieren im
Wesentlichen auf einer Initiative
der Vorarlberger Landesregie-
rung: In einem Schreiben an den
Sozialminister vom 12. Novem-
ber 2010 hatte die Vorarlberger
Landesregierung auf eine gesetz-
liche Ermächtigung zur Durch-
führung von gesundheitspoliti-
schen Vorhaben im Rahmen
einer Modellregion gedrängt.
Das bedeutet nichts weniger
als eine schriftliche Aufforderung
an den Sozialminister, das ASVG
zu ändern. Immerhin hatte die
Landesregierung unter anderem
die Ermächtigung gefordert, in
Gesamtverträge zwischen Ärzte-
kammer und Sozialversicherung
eingreifen sowie Einzelverträge
zwischen niedergelassenen Ärz-
ten und Sozialversicherungen
abschließen zu können.
Ärzte-Stellenplan ohne Ärzte
In ihrem Papier zu den geän-
derten Aufgaben der „Landesge-
sundheitsplattformen neu“ for-
dern die VP-Länder auch Ände-
rungen bei der Festlegung des
Stellenplans.
Seit jeher legen im Ärzte-
Stellenplan die Gesamtvertrags-
partner (Ärztekammer und
Sozialversicherung) gemeinsam
fest, wie viele Kassenordinatio-
nen für Allgemeinmedizin
sowie für die diversen Fachrich-
tungen es an welchen Standor-
ten geben soll.
Diese Vorgangsweise hat
sich bewährt: Wer sollte besser
über die tatsächlichen Bedürf-
nisse der Menschen Bescheid
wissen als die Ärzte – die die
Patienten behandeln – und die
Krankenkassen – die diese Lei-
stungen finanzieren?
Um Patientenbedürfnisse
scheint es den VP-Ländern
aber nicht zu gehen. Sie wol-
len, dass künftig ohne Mitspra-
che der Ärztevertreter ent-
schieden wird, wo den Men-
schen welche medizinische
Leistung zur Verfügung stehen
soll – und: wo nicht.
Mehr Bürokratie – auf Kosten
der Patienten
Weiters fordern die VP-Länder
eine einheitliche Leistungsdo-
kumentation für den niederge-
lassenen und den stationären
Bereich. Das bedeutet in der
Praxis: noch mehr Bürokratie,
noch weniger Zeit für die Pati-
enten, denn den Ordinationen
soll per Verordnung das Doku-
mentationssystem der Ambu-
lanzen aufgezwungen werden.
Unter die Räder kommen wird,
was sich die Patienten genauso
wünschen wie die niedergelas-
senen Ärzte: Zeit für menschli-
che Zuwendung und Gespräch.
Ärztehonorare ohne
Ärztevertreter
Bisher wird traditionell zwi-
schen den Gesamtvertragspart-
nern Ärztekammer und Sozial-
versicherung die Vergütung für
die freiberuflich tätigen Kas-
senärzte vereinbart (Honorar-
ordnung). Geht es nach den VP-
Ländern, dann sollen auch über
die Honorare für Kassenärzte
nur noch die Länder und die
Sozialversicherung verhandeln -
nicht aber die Ärztekammer als
gesetzliche Standesvertretung
der Ärzte. Das bedeutet nichts
anderes, als dass der Beruf des
Arztes kein freier Berufsstand
mehr ist.
Bruch des Koalitions-
übereinkommens der
Bundesregierung
Wer zu keinem Zeitpunkt in die
Verhandlungen
über
die
Zukunft der medizinischen Ver-
sorgung in Österreich einbezo-
gen war, ist die Österreichische
Ärztekammer oder eine der
Landesärztekammern.
Das ist nicht nur ein radika-
ler Bruch mit einer jahrzehnte-
lang bewährten Praxis. Diese
Verhandlungen missachten aus
Sicht der ÖÄK auch klar das
Koalitionsübereinkommen der
Bundesregierung. Denn darin
ist festgehalten, dass eine
Gesundheitsreform unter Ein-
bindung der Ärzteschaft von-
statten zu gehen habe.
Forderungen der Österreichi-
schen Ärztekammer
Aus diesem Grund und auf-
grund der Tatsache, dass bis
zum heutigen Tag keiner der
oben
genannten
Akteure
Gesprächsbereitschaft mit den
Ärzten signalisiert hat, hat die
Österreichische Ärztekammer
drei klare Forderungen gesellt:
• Sofortige Einbeziehung der
ÖÄK in die laufenden Ver-
handlungen.
• Aufwertung der Landesärzte-
kammern in den Landesge-
sundheitsplattformen
zu
gleichberechtigten Partnern
mit Sozialversicherung und
Ländern.
• Einvernehmliche Beschlussfas-
sung in allen Angelegenheiten,
die die Ärzteschaft betreffen.
Droht wieder die Staatsmedizin?
Wie wir bereits in der Dezemberausgabe des „Arzt im Ländle“ eingehend berichtet haben, laufen seit
Monaten Geheimverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Hauptverband der österreichischen
Sozialversicherungsträger über eine Reform des österreichischen Gesundheitswesens. Der Abschluss
steht nunmehr knapp bevor. Unter dem Schlagwort „Zielsteuerungssystem“ soll – unter völliger Aus-
schaltung der Ärzteschaft – der Start für diese staatlich-zentralistische Gesamtsteuerung ausgerechnet
das Land Vorarlberg sein.
In einer Pressekonferenz in Wien haben Bundeskurienobmann Dr. Günther Wawrowsky
und Präsident Dr. Michael Jonas gemeinsam vor den drastischen Änderungen in der medi-
zinischen Versorgung und zwar vor allem für den Bereich der niedergelassenen Ärztinnen
und Ärzte nachdrücklich gewarnt.