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| ARZT IM LÄNDLE
08-2012
ARZT IN DER PRAX I S
A
ufgrund der tragischen To-
desfälle an der Universitäts-
klinik für Kinderheilkunde
in Innsbruck und der Universitäts-
zahnklinik in Graz herrscht derzeit
in Österreich bei vielen Eltern und
PatientInnen große Verunsicherung
bezüglich der Verwendung von Pro-
pofol, einem Medikament zur Her-
beiführung eines schlafähnlichen
Zustandes bei Narkosen und Inten-
sivbehandlungen. Aus diesem Grund
erlaubt sich die Österreichische
Gesellschaft für Anästhesiologie, Re-
animation und Intensivmedizin fol-
gendes festzustellen:
Häufiger Einsatz von
Propofol
Weltweit werden jährlich rund 200
Millionen Narkosen durchgeführt.
Darunter gibt es mehrere Millionen
Anwendungen pro Jahr von Propo-
fol, das 1989 nach Zulassung durch
die amerikanische Zulassungsbehör-
de FDA in die klinische Praxis einge-
führt wurde. Dieser häufige Einsatz
erklärt sich daraus, dass Propofol
nach Verabreichung über einen
venösen Zugang eine hohe Wirksam-
keit durch rasches Herbeiführen und
Aufrechterhalten eines schlafähnli-
chen Zustandes besitzt. Die Substanz
zeichnet sich neben einem sehr
von den verantwortlichen ÄrztInnen
im Rahmen des „off-label use“, also
der zulassungsüberschreitenden Ver-
wendung, eingesetzt werden.
Wir wollen auch in der Zukunft
die uns anvertrauten PatientInnen
nach dem besten medizinischen Stan-
dard („state of the art“) behandeln,
unter Einsatz von erstklassigen, siche-
ren und lebenswichtigen Medika-
menten. Und da gehört das Propofol
dazu!
„Propofol-Infusionssyn-
drom“: eine seltene Kom-
plikation von Propofol
Zu dem in den Medien viel disku-
tierten „Propofol-Infusionssyndrom“
(PRIS) kann es insbesondere bei der
langfristigen Anwendung von höhe-
ren Dosen von Propofol – sehr selten
und nicht vorhersagbar – kommen.
Die Ursache der seit 1992 nur wenige
Male gemeldeten Komplikation ist
unklar. Es wird eine Fettstoffwechsel-
störung vermutet, die beim langfristi-
gen Einsatz von Propofol bei gleich-
zeitiger Gabe anderer Medikamente
zum Muskelzerfall und im schlimm-
sten Fall zu folgendem Multiorgan-
versagen führen kann.
Es gibt leider kein wirksames
Medikament ohne Nebenwirkungen
oder Komplikationen. Die differen-
zierte Abwägung des Einsatzes, das
Wissen um mögliche Nebenwirkun-
gen, die aktive Suche nach frühzei-
tigen Warnsymptomen und gegebe-
nenfalls die Therapie auftretender
Nebenwirkungen liegen immer in
der Verantwortung der behandeln-
den ÄrztInnen.
„Lungenkrampf“: Propofol
nicht als Ursache, sondern
Gegenmittel
Bei dem „Lungenkrampf“ kommt es
– ähnlich wie bei einem schweren
Asthmaanfall – zu einer Verkramp-
fung der Muskeln der kleinen Luft-
wege in der Lunge. Bei Allge-
meinanästhesien kann ein Lungen-
hohen Sicherheitsprofil durch eine
gute Steuerbarkeit mit rascher Been-
digung des Schlafzustandes bei sehr
guter Verträglichkeit aus: PatientIn-
nen berichten zumeist über eine
angenehme Aufwachphase. Natür-
lich gibt es für die Narkoseführung
Alternativen zu Propofol, diese sind
aber allesamt dem Propofol in Pati-
entensicherheit, Wirksamkeit, Ne-
benwirkungsprofil und Steuerbarkeit
deutlich unterlegen - Dies gilt auch
bei der Anwendung bei sehr jungen
Kindern (< 1. Lebensmonat).
Propofol wurde basierend auf den
klinischen Erfahrungen der letzten
Jahrzehnte bei Kindern und Er-
wachsenen für die Anästhesie und
zur Kurzzeitsedierung auf Intensi-
vstationen
unverzichtbar. Eine
erzwungene Rückkehr zu älteren
und deutlich nebenwirkungsrei-
cheren Sedierungs-Medikamenten
und gleichzeitiger Verzicht auf Pro-
pofol würde für viele PatientInnen
ein deutlich höheres Risiko und
eine deutliche Minderung des Nar-
kosekomforts bedeuten.
Zulassungsüber-
schreitender Einsatz
In Österreich werden Zulassungen
von Medikamenten durch die Medi-
zinmarktaufsicht und Agentur für
Gesundheit und Ernährungssicher-
heit (AGES) erteilt, wenn fundierte
wissenschaftliche Studienergebnisse
vorliegen. Insbesondere bei Kindern,
sehr alten PatientInnen und Schwan-
geren gibt es aber aus juristischen,
versicherungsrechtlichen, finanziellen
Gründen kaum Zulassungsstudien.
Viele Medikamente – wie z.B. Propo-
fol, viele Antibiotika und gut steuer-
bare Schmerzhemmer – sind daher
ebenfalls nicht für den Einsatz bei
Kindern verschiedener Altersklassen
und Gewichtsgruppen registriert.
Wenn aber deren Überlegenheit ge-
genüber alternativen therapeutischen
Optionen klinisch nachgewiesen
wurde, dann dürfen und müssen die-
se Medikamente auf der ganzen Welt
Verwendung von Propofol
Pressemitteilung der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensiv-
medizin vom 16. Juli 2012.
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