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| ARZT IM LÄNDLE
04-2013
aks- gesundhe i t
S
eit 2008 ist die Musiktherapie
in Österreich ein gesetzlich
geschützter Beruf, gleichge-
stellt mit Psychologen und Psycho-
therapeuten. Diese eigenständige,
wissenschaftlich-künstlerische The-
rapieform orientiert sich am Erleben
und Ausdruck der Patienten. Die
Musik wirkt dabei auf drei Ebenen:
als Eindruck, Ausdruck und wech-
selseitige Kommunikation.
Eindruck: Wirkung von
außen nach innen
Musik nimmt die Funktion eines
„basalen Stimulus“ ein. Durch
Klang-, Rhythmus-, Intensitäts- und
Formerfahrungen der sensomotori-
schen (intermodalen) Integration
dient sie der Verbesserung neuro-
physiologischer
Wahrnehmungs-,
Verarbeitungs- und Handlungszy-
klen (Frohne-Hagemann et al,
2005). Vereinfacht umschrieben: Ich
höre, was ich spüre und sehe. In der
Rolle des „Holding“ schaffen musi-
kalische Formen mit klarem Aufbau,
beispielsweise Lieder, den Boden für
Sicherheits-, Geborgenheits- und
Strukturerfahrungen. Beim musika-
lischen Begleiten oder dem beschrei-
benden Singen der kindlichen
Handlungen fungiert Musik als
„Integrator“. Dabei werden neben-
einanderstehende Handlungen mit-
einander verbunden und in einen
sinnhaften Kontext gestellt. Beispiel
das Situationslied: „Peter macht
Musik, jetzt spielt er die Flöte und
jetzt die Trommel, etc.“
Ausdruck: Wirkung von
innen nach außen
Lutz Hochreutner (2009) beschreibt
Musik als „Container“: „Ein Halt
gebendes Gefäß, in welches das
Kind seine Gefühle einfließen lassen
kann, wo sie empathisch beantwor-
tet und gespiegelt werden.“ Die
„Vehikelfunktion“ ermutigt das
Kind emotional. Sie „nimmt es
mit“, um in den Spielfluss zu kom-
men und zu bleiben – selbst wenn
es schmerzhaft wird. Veränderun-
gen von Dynamik und Tempo der
Musik unterstützen diesen Prozess.
Als „Katalysator“ ermöglicht Musik
den Ausdruck von angestauten,
gehemmten oder verdrängten Af-
fekten. Ebenso können Musik
beziehungsweise Instrumente als
„Projektionsfläche“ dienen. Sie wer-
den zum Symbol für Personen, Per-
sönlichkeitsanteile oder Qualitäten.
Etwa die Trommel als Stärkesym-
bol. Musik als „Ressource“ nährt,
fördert Fähigkeiten sowie Kreati-
vität und hilft neue Bewältigungs-
strategien zu entwickeln.
Wechselseitige
Kommunikation
Das gemeinsame musikalische Spiel
bietet laut Lutz Hochreutner (2009)
„einen erlebniszentrierten Spiel-
raum, in welchem Übertragungs-
und
Gegenübertragungsprozesse
stattfinden.“ Ihrer Meinung nach
werden so Resonanzerfahrungen
gemacht und soziale Kompetenzen
erweitert. Musik als „Intermediärob-
jekt“ erleichtert die Kontaktaufnah-
me zwischen Kind und Therapeut.
Als verbindendes Drittes schafft sie
eine Brücke und reguliert Nähe und
Distanz. Hilfreich sind dabei Dialog-
oder Tutti-Solo-Spiele. Als „emotio-
nale Resonanzgeberin“ spiegelt die
Musik Gefühle und Stimmungen der
Kinder wider. Dadurch fühlen sie
sich gesehen und verstanden. Beson-
ders bei Jugendlichen kommt die
„soziokulturelle Funktion“ der Mu-
sik zum Tragen. Das Eingehen auf
die musikalischen Vorlieben erleich-
tert den Aufbau einer tragfähigen
Beziehung.
Musik als Prozess
Musiktherapie schafft einen kreati-
ven Erlebnisraum, in dem das Kind
oder der Jugendliche sich selbst in
der Beziehung zum Therapeuten
erlebt. Dadurch wird es in seiner
Gefühlswahrnehmung und -regula-
tion, seiner Selbstwahrnehmung
und seinem Selbstwert gestärkt. Das
gemeinsame musikalische Gestalten
ermöglicht korrigierende Bezie-
hungserfahrungen,
fördert
die
Selbstwirksamkeit und wirkt iden-
titätsstiftend. Dabei orientiert sich
das therapeutische Handeln an dem,
was das Kind inszeniert oder was
sich im Kontakt mit dem Kind ent-
wickelt. Diese aus dem Prozess ent-
standene Musik ist unmittelbar, ein-
zigartig und lässt Ungesagtes hörbar
werden.
Literatur
Frohne-Hagemann, Isabell, & Pleß-
Adamczyk, Heino (2005).
Indikation Musiktherapie bei psychi-
schen Problemen im Kindes- und
Jugendalter (S. 97).
Vandenhoeck & Ruprecht.
Lutz Hochreutner, Sandra (2009).
Spiel-Musik-Therapie (S. 39f).
Hogrefe.
Lutz Hochreutner, Sandra (2009).
Spiel-Musik-Therapie (S. 42).
Hogrefe.
Kontakt
aks gesundheit GmbH,
Kinderdienste
Rheinstraße 61,
6900 Bregenz,
Tel. 055 74/202-0
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Die Rolle der Musik in der Musiktherapie
In den Kinderdiensten der aks gesundheit ist die Musiktherapie ein fester Bestandteil des Therapie-
angebotes. Für Kinder und Jugendliche in emotionalen Krisen oder mit auffälligem Sozialverhalten
leistet sie einen wertvollen Beitrag. Gefühle, Stimmungen und Erlebnisse werden ausgedrückt und
verarbeitet. Musiktherapeutin Jutta Grabher, M.A., von den aks Kinderdiensten, erläutert die wir-
kungsvolle Therapieform.
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