AIL_2013-04 - page 6

IM GESPRÄCH
Gesundheitsberufe intensiveinbinden
Frage:
Du erzählst mir immer wieder von demDruck, unter dem
du während der ganzenWoche stehst.Was macht diesen Druck in
deinemberuflichenAlltag aus?
Dr. Metzler:
Wir erleben heute in der Praxis, vor allem in der
Kassenpraxis, einen ungeheuerlichen Zeit- und Termindruck.
Das hängt mit vielen Unwägbarkeiten im System zusammen.
Auch wenn man noch so genau versucht, Termine zu vergeben
und einzuhalten, gibt es immerwiederAkutfälle, Zwischenfragen
und Probleme, die behandelt und eingeschobenwerdenmüssen.
Daraus resultiert dann eine unbefriedigende Situation für den
Arzt und für den Patienten. Der Arzt hat nicht genügend Zeit
für den Einzelnen und der Patient nimmt das auch so wahr. Er
hat dann möglicherweise das Gefühl, dass er schnell abgefertigt
wird, obwohl er lange auf einenTermin hat wartenmüssen. Eine
wirkliche Lösung habe ich derzeit dafür nicht. Eigentlich haben
wir ja eine sehr hohe Arztdichte inVorarlberg, auch im interna-
tionalen Vergleich, und trotzdem ist offenbar die Begehrlichkeit
in der Bevölkerung, denArzt aufzusuchen und auchmit kleinen
Beschwerdenwahrgenommen zuwerden, sehr hoch.
Frage:
DerDruck kommt also daher, dass dieNachfrage sehr ange-
stiegen ist?
Dr. Metzler:
Ja, das kann ich nur bestätigen. Der Patientenan-
sturm istmanchmal kaum zu bewältigen.Vielleicht hat der „me-
dizinische Hausverstand“ in der Bevölkerung abgenommen, die
Kompetenz, mit kleineren Problemen selbst zurechtzukommen.
Natürlichwird auch die Bevölkerung immer älter und diemedi-
zinischen Behandlungsmöglichkeiten haben in vielfältigerWeise
zugenommen.
Das alles steigert unsere„Fallzahlen“.
Frage:
Landeszielsteuerungskommission ist meine nächste Frage.
Warum glaubt du, dass die ÄrztInnen hier weitestgehend ausge-
schlossenwurden?
Dr.Metzler:
Es ist für unsÄrzteundÄrztinnen sehr schmerzhaft,
aus diesemGremium praktisch komplett ausgeschlossen zu sein.
Hier regiert wohl der Grundsatz:Wer zahlt, schafft an. Aus mei-
ner Sicht bleibt die fachliche Kompetenz der Gesundheitsberufe
damit außenvor.DieUrsache ist auf politischerEbene zu suchen.
Man wählt den einfacherenWeg, viele Anfragen und Bedenken
unsererBerufsgruppemüssen so von vornherein gar nicht gehört
werden.Wir sindaberüberzeugt,dassdas fürdiePatientenversor-
gung zuNachteilen führenwird.
Frage:
Was wären deine konkreten Empfehlungen an den Gesund-
heitsminister oder an den Gesundheitslandesrat? Was könnte die
Ärzteschaft zu einerÄnderung des Systems beitragen?
Dr.Metzler:
Wennman bedenkt, dass wir inVorarlberg eine der
höchstenÄrztedichteneuropaweithabenunddieseÄrzteauch tat-
sächlich so viel inAnspruch genommenwerden, dann fragtman
sichnatürlich, lebenwir in soeinerkrankmachendenUmwelt?Wo
liegen die Faktoren, dass dieses medizinische System so intensiv
genutzt wird? Ich denke, man hat jetzt über Jahre dieMenschen
mit einer Überladung an Informationen durchaus auch verängs-
tigt und hysterisch gemacht:Wenn es im kleinen Finger kribbelt,
könnte es ein Schlaganfall sein.Wenn es inder Brust sticht, kann
es einHerzinfarkt sein. Sofort denArzt konsultieren, etc.Das hat
auf der einen Seite natürlich eine Berechtigung, schießt aber in
vielenFällenüberdasZielhinaus.EswäreausärztlicherSicht sehr
wünschenswert,wenn inderBevölkerung einehöherehausmedi-
zinischeKompetenz bestehenwürde, um zumindestmit Bagatel-
leproblemen selbst zurechtzukommen.Hier könnteman gesund-
heitspolitischansetzen,alsodieBevölkerunggut aufklären,bereits
imKindergartenund imSchulalterMaßnahmen setzen, dieMut-
ter wieder als „erste Krankenschwester“ in der Familie gewinnen,
Ärztekammer füreinheilsamesMiteinander
Visionen konkretisieren. Visionen realisieren. –
Gespräche aus dem Visionsprozess
DieÄrztekammer fürVorarlbergbefindet sich in einemVisionsprozess, der vomWunsch ihrerMit­
glieder getragen ist, einen verstärktenBeitrag zu einer finanzierbaren und ganzheitlichenGesund­
heitspolitikzu leisten.InderReihe„ImGespräch“kommenmonatlicheinzelneTeilnehmer/innendes
interdisziplinärgestaltetenProzesseszuWort.
Im sechstenTeil befindet sichWolfgangMetzler, Internist aus Rankweil mit eigener Praxis, imGe­
sprächmitMag.KarinMetzler:
Dr. WolfgangMetzler
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