ARZT & RECHT
D
ie rezente und in diesem
Heft besprochene Apo-
thekenentscheidung des
EuCH in der Rs Sokol/-Seebacher
wird wohl zum Anlass für eine ge-
setzliche Adaptierung der Bewilli-
gungsvorschriften für öffentliche
Apotheken, allenfalls auch für
ärztliche Hausapotheken, genom-
men werden müssen. Die Überle-
gungen versuchen einen Weg auf-
zuzeigen, mit dem nicht nur die
gemeinschaftsrechtlichen, sondern
auch die permanent in der jünge-
ren Vergangenheit aufgetauchten
verfassungsrechtlichen Bedenken
bewältigt werden könnten.
A. Historische Entwicklung der
Abgrenzung zwischen öffentli-
chen Apotheken und ärztlichen
Hausapotheken
Schon in der Stammfassung des
Apothekengesetzes aus dem Jahr
1906 war vorgesehen, dass der De-
tailvertrieb von Arzneimitteln (ge-
nauer gesagt von verschreibungs-
pflichtigen Arzneispezialitäten) auf
zwei Säulen steht: einerseits die
öffentliche Apotheke und anderer-
seits die ärztliche Hausapotheke,
also das bestimmten niedergelas-
senen Allgemeinmedizinern ein-
geräumte Recht, an ihre Patienten
die von ihnen verschriebenen Arz-
neispezialitäten abzugeben. Die mit
der Stammfassung des Apotheken-
gesetzes eingeführte Struktur hielt,
wenn man von einer Novelle aus
dem Jahr 1984 1) absieht, die nur
der Präzisierung der geübten Ver-
waltungspraxis diente, das gesamte
20. Jahrhundert. § 29 Apotheken-
gesetz gestattete in seiner Urfassung
die Haltung einer Hausapotheke
einem Arzt dann, wenn sich in der
Ortschaft, in der er tätig ist, keine
öffentliche Apotheke befindet und
mit Rücksicht auf die Entfernung
zur nächsten derartigen Apotheke
ein Bedürfnis nach einer „Verabrei-
chungsstelle von Heilmitteln“ be-
steht. Die Apothekengesetznovelle
1984 hat diese Anforderung in § 29
Abs 1 dahingehend klargestellt, dass
die Hausapothekenbewilligung an
Orten zu erteilen ist, in denen sich
keine öffentliche Apotheke befindet
und eine solche mindestens sechs
Straßenkilometer von der Arztor-
dination entfernt ist. Die Anforde-
rung, dass sich vor Ort keine öf-
fentliche Apotheke befindet, wurde
von der Judikatur, aber auch vom
Schrifttum dahin gedeutet, dass der
einfache Gesetzgeber damit ein Pri-
mat der öffentlichen Apotheke vor
der ärztlichen Hausapotheke zum
Ausdruck bringt. 2) Faktisch waren
die Regelungen des Apothekenge-
setzes aber auf eine duale Arznei-
mittelversorgung ausgerichtet, weil
nach § 10 Abs 3 Apothekengesetz in
der Stammfassung die Konzession
zur Neuerrichtung einer öffentli-
chen Apotheke verweigert wurde,
wenn dadurch die Existenzfähigkeit
der am Standort oder in der Um-
gebung bestehenden öffentlichen
Apotheken oder der Hausapothe-
ken führenden Ärzte gefährdet war,
bzw. war nach der Rechtslage der
Apothekengesetznovelle 1984 Vor-
aussetzung für die Konzessionser-
teilung einer öffentlichen Apotheke
u.a. der Nachweis, dass im Umkreis
von vier Straßenkilometern von der
künftigen Betriebsstätte aus min-
destens 5.500 Personen zu versorgen
sind. Im Ergebnis bedeutete dies,
dass öffentliche Apotheken sich aus-
schließlich in einigermaßen dicht
besiedelten Gebieten niederlassen
konnten, während in allen anderen
Regionen die Arzneimittelversor-
gung über die betreuenden und ver-
schreibenden Hausärzte erfolgte.
Dieses - zumindest in der fak-
tischen Auswirkung - duale System
der Arzneimittelversorgung wurde
durch die Entscheidung des VfGH
v 2. 3. 1998 in Frage gestellt.3) Mit
diesem Erkenntnis hob der VfGH
Teile des § 10 ApG wegen Verstoßes
gegen das Grundrecht auf Erwerbs-
freiheit nach Art 6 StGG auf. Der
VfGH konzedierte zwar, dass die Si-
cherung einer bestmöglichen Heil-
mittelversorgung der Bevölkerung
ein öffentliches Interesse darstellt,
das einen Grundrechtseingriff zu-
lässt. Er erachtete es daher auch als
akzeptabel, dass die Konzessions-
erteilung für eine neue öffentliche
Apotheke davon abhängig gemacht
wird, dass dadurch das Einzugsge-
biet der benachbarten Apotheken
nicht unter eine kritische Größe
fällt. Er konnte aber kein öffentli-
ches Interesse daran erkennen, ei-
nem Apotheker, der sich wirtschaft-
lich im Stande sieht, in einem dünn
besiedelten Gebiet eine Apotheke
zu führen, die Konzession zu ver-
weigern.
Mit dieser Entscheidung des
VfGH geriet aber nicht nur das bis
dahin bestehende System der Apo-
thekenkonzession ins Wanken, son-
dern mittelbar auch die bewährte
Struktur der dualen Arzneimittel-
versorgung.
Da das Apothekengesetz den
Wegfall der ärztlichen Hausapo-
theke vorschreibt, wenn in ent-
sprechender Nähe eine öffentliche
Apotheke errichtet wird, wurde aus
der ursprünglich und über fast 100
Jahre hinweg bloß theoretischen
Subsidiarität der ärztlichen Haus-
apotheke eine faktische.
Von dieser Konsequenz waren
nicht nur die betroffenen Land-
Überlegungen zu einer verfassungs- und gemeinschafts-
rechtskonformen Neuregelung der Abgrenzung zwischen
öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken
Zusammenfassung eines Artikels aus der Schriftenreihe RdM (Recht der Medizin) 2014/04. Autor: Dr.
FelixWallner (Linkangabe zu RdM:
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