Die Reform der postpromotionellen Ärzteausbildung
ist mit der neuen Ärztegesetznovelle in Begutachtung
gegangen. Am 1. Juli 2015 soll die Reform der postpro-
motionellen Aus-(bzw. Weiter)bildung in Kraft treten.
Durch sie soll eine Angleichung der Aus- und Weiterbil-
dung innerhalb der europäischen Union gewährleistet
werden. Ziel der Reform der Ausbildung zum Arzt für
Allgemeinmedizin ist eine Steigerung der Praxisrelevanz,
unter anderem durch die Einführung einer verpflichten-
den Lehrpraxis. Die Facharztausbildung soll vor allem
verkürzt werden, unter anderem durch Integration der
Additivfacharztausbildung in das jeweilige Mutterfach.
Das Medizinstudium schließt mit dem klinisch-prak-
tischen Jahr ab. Dann folgt mit der postpromotionellen
Reform eine 9 Monate dauernde Basisausbildung (com-
mon trunk), die von allen Absolventinnen und Absolven-
ten durchlaufen werden muss. Nach Abschluss der Basi-
sausbildung folgt die wohl wichtigste Entscheidung im
künftigen Medizinerleben: die Wahl der Aus-(bzw. Wei-
ter)bildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum
Facharzt eines Sonderfaches.
In diese wohl größte Reform der postpromotionellen
Ausbildung des Arztberufes der letzten Jahrzehnte inves-
tierten zahlreiche Funktionäre der Ärztekammer und Ver-
treter der wissenschaftlichen Gesellschaften sehr viel Ener-
gie und Zeit, mit dem Ziel diese attraktiver zu machen.
Wird diese Reform das Nachwuchsproblem im Fach
Allgemeinmedizin lösen?
Diese Frage kann derzeit nicht beantwortet werden. Da
die Entscheidung der definitiven Berufswahl künftig kurz
nach Abschluss des Studiums erfolgt, ist davon auszuge-
hen, dass die Informationen über das Fach Allgemeinme-
dizin von großer Bedeutung sein werden. Bedauerlicher-
weise gibt es nicht an allen Universitätsstandorten einen
Lehrstuhl für Allgemeinmedizin, sodass hier bereits syste-
misch bedingt ein Informationsdefizit besteht. Die prak-
tische Ausbildung im Studium sieht für die Allgemeinme-
dizin an den Universitäten unterschiedliche Regelungen
vor. An der Medizinischen Universität Innsbruck ist All-
gemeinmedizin im klinisch-praktischen Jahr ein vierwö-
chiges Pflichtfach in einer allgemeinmedizinischen Lehr-
praxis. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, zusätzlich
vier Wochen „Allgemeinmedizin am Land“ als Wahlfach
anstelle eines anderen Wahlfaches zu absolvieren. An der
Medizinischen Universität Wien ist für Allgemeinmedi-
zin eine vierwöchige Pflichtfamulatur vorgesehen. Zu-
sätzlich oder alternativ besteht die Möglichkeit, Allge-
meinmedizin als Wahlfach im klinisch-praktischen Jahr
in Form eines 8 bis 16-wöchigen Lehrpraktikums zu ab-
solvieren. An der Medizinischen Universität Graz ist All-
gemeinmedizin ein Pflichtfach im klinisch- praktischen
Jahr in Form eines vierwöchigen Lehrpraktikums.
Aus der Erfahrung der letzten Jahre und mit dem
Wissen, dass zwischen den verschiedenen medizinischen
Disziplinen europaweit aufgrund des zunehmenden Ärz-
temangels ein Wettbewerb um die Akquisition von Jung-
ärztinnen und Jungärzten entstanden ist, habe ich Zweifel,
dass künftig ausreichend Ärzte für Allgemeinmedizin zur
Versorgung der Bevölkerung gewonnen werden können.
Was sollte präventiv zur Vermeidung eines künftigen
allgemeinmedizinischen Versorgungsnotstandes un-
ternommen werden?
• Es sollte an allen Universitätsstandorten obligat ein
Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet werden.
• Es sollte an allen Medizinischen Universitäten Allge-
meinmedizin zumindest ein 8-wöchiges Pflichtfach im
klinisch-praktischen Jahr werden.
• Es sollte für dieses Fach sowie für alle anderen medizinischen
Disziplinen die Bezeichnung Facharzt eingeführt werden.
• Es sollten künftig polyklinische Ambulanzen eigenstän-
dig von Allgemeinmedizinern geleitet werden.
• Es müssen die allgemeinmedizinischen Honorarkatalo-
ge der verschiedenen Sozialversicherungsträger Öster-
reichs modernisiert werden, damit ein Arbeiten nach
dem Stand des Wissens auch für Allgemeinmediziner
mit leistungsadäquater Honorierung möglich wird.
• Es müssen Kooperationsmöglichkeiten geschaffen wer-
den, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Privat- bzw.
Familienleben möglich machen, unter anderem durch
Zulassung von Anstellungsverhältnissen auch im kas-
senärztlichen Bereich.
Diese Auflistung bedarf sicher einer Erweiterung, ich bit-
te Sie um ergänzende Anregungen.
Ihr Präsident
MR Dr. Michael Jonas
Aus-(bzw. Weiter)bildungsreform
C E T E R U M
ARZT IM LÄNDLE
10-2014
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