C E T E R U M
In Arbeitsgruppen des Gesundheitsministeriums, der So-
zialversicherung und der Länder wurde - als Alternative
zum derzeitigen Hausarzt - ein neues
primary health
care – Modell (PHC)
erarbeitet, welches im Rahmen
sogenannter „Primärversorgungszentren“ das bisherige
System der Primärversorgung durch niedergelassene Ärz-
tinnen und Ärzte weitgehend ersetzen soll. Die Tendenz
zu derart zentralen Versorgungsstrukturen mit langen
Öffnungszeiten und Telefonberatung, multiprofessio-
nellen Teams auf Augenhöhe unter Einbeziehung vieler
Gesundheitsberufe, war bereits auf einer Bundesgesund-
heitskonferenz Ende März abzusehen.
Die uns nun aber erst kürzlich bekannt gewordenen
geplanten rechtlichen Rahmenbedingungen zur Umset-
zung dieser Primärversorgung, geben berechtigten Anlass
zu Unruhe und Sorge vor der Aushebelung der Gesamt-
verträge. Es ist nämlich zu befürchten, dass mittel- bis
langfristig allgemeinmedizinische Einzelordinationen,
und somit die Gesamtverträge mit den Sozialversiche-
rungen, auslaufen werden. Dies insbesondere deshalb,
weil die Gesamtverträge für das neue Primärversor-
gungsmodell keine Gültigkeit mehr haben sollen (ge-
planter Abschluss von Direktverträgen zwischen den
Primärversorgungszentren und der Sozialversicherung!).
Zwar versuchen Gesundheitsminister Stöger und
der im Gesundheitsministerium zuständige Sektions-
chef Auer zu beschwichtigen. Sie sprechen von Missver-
ständnissen – die Gesamtverträge würden sicher nicht
abgeschafft, vielmehr solle die Position des Hausarztes
gestärkt werden... Hören wir letzteres nicht bereits seit
vielen Jahren – allein es fehlt wiederum der Glaube.
Ich meine jedoch, dass nunmehr die „Katze aus dem
Sack“ ist.
In den vorliegenden Papieren wird dezidiert über die
Aushöhlung der Gesamtverträge, Ersatz der Kassenor-
dinationen durch Primärversorgungszentren und Ho-
norierungsmodellen mit Budgets und Pauschalen sowie
Bonuszahlungen für die Erreichung definierter Ziele,
gesprochen. All dies stellt einen Anschlag auf die haus-
ärztliche Versorgung in Österreich dar, und würde das
Ende des Sozialversicherungssystems, wie wir es derzeit
kennen, bedeuten.
Der zwischen Kasse und Kammer abgeschlossene
ärztliche Gesamtvertrag regelt vor allem die den Kas-
senärzten zu zahlenden Tarife und Arbeitsbedingungen.
Dieser Gesamtvertrag wurde vor gut 60 Jahren als Gegen-
gewicht zum damals durch das ASVG eingerichteten Mo-
nopol der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt.
Dieses bewusst dem System „Kollektivvertrag –
Arbeitsverträge“ nachgebildete Gesamtvertragssystem
nimmt den einzelnen Arzt aus der politischen Einfluss-
sphäre.
Durch die nun geplanten Veränderungen würde der
bisher unabhängige Arzt von der Politik und von finanzi-
ellen Zielvorgaben abhängig.
Der kollektive Schutz der Kassenärzte ist nun nach
2008 wieder bedroht!
Absurd ist, dass einige gesundheitspolitische Protagonis-
ten so agieren, als müsste das Rad neu erfunden werden.
Es gibt keinen Beleg dafür, dass größere Versorgungszen-
tren leistungsfähiger, qualitativ besser oder effizienter
wären. Mit welchem Personal, mit welcher Infrastruktur
und in welchen Qualitätsstandards sollen diese Primär-
versorgungszentren eine flächendeckende Gesundheits-
versorgung garantieren, die auch von der Bevölkerung
angenommen wird ?
In einemGespräch am 17. Juni 2014 konnten wir Lan-
deshauptmann Mag. Wallner und Gesundheitslandesrat
Dr. Bernhard unsere Bedenken, insbesondere zur Gefahr
der Aushöhlung bzw. Abschaffung der Gesamtverträge,
darlegen und erhielten die Zusage, dass diese Intentionen
von Landesseite nicht unterstützt werden. Diesbezügliche
Beschlüsse sollen in der Bundeszielsteuerungskommissi-
on aber bereits Ende Juni 2014 gefasst werden. Nachdem
Landesrat Dr. Bernhard Mitglied dieser Kommission ist
und dort Beschlüsse (auch zum neuen Primärversor-
gungskonzept) nur einstimmig erfolgen können, werden
wir den weiteren Entwicklungen mit Interesse entgegen-
sehen.
MR Dr. Harald Schlocker
Vizepräsident und Kurienobmann
der Niedergelassenen Ärzte
Neuerliche Bedrohung der
Gesamtverträge
ARZT IM LÄNDLE
07-2014
|
3