aus der Kammer
... aus der Kurie niedergelassene Ärzte
Ausbildungsreform:
Und sie bewegt sich
(vielleicht) doch?
Es herrscht Stillstand in den Ver-
handlungen im Bundesministeri-
um für Gesundheit über die Aus-
bildung zum Arzt für Allgemein-
medizin. Die Pläne scheitern nach
wie vor an der Dauer und Finanzie-
rung der Lehrpraxis.
Das Gesundheitsministerium
konnte sich bisher nur 6 Monate
Allgemeinmedizin in einer Lehr-
ambulanz oder in einer Lehrpraxis
wie bisher ohne zusätzliche Finan-
zierung vorstellen, dieses aber nur
mit insgesamt 48 Monaten All
gemeinmedizinerausbildung. Das
würde bedeuten, dass sich im End-
effekt der Turnus nur verlängern
würde – ohne Verbesserung der
Ausbildungsqualität.
Nach einer intensiven medialen
Informationskampagne, die sowohl
österreichweit als auch hier im Lan-
de die Wichtigkeit der Lehrpraxis
im Rahmen einer Ausbildungsre-
form für Allgemeinmediziner auf-
zeigen sollte, kommt es jetzt auf
Landesebene vielleicht zu einer Be-
wegung in Richtung Verbesserung
der Ausbildungsqualität durch ein
Pilotprojekt Lehrpraxis.
Am 18. November 2013 fand ei-
ne erste Besprechung zur Konzepti-
onierung eines eventuell österreich-
weit ausrollbaren „Pilotprojektes
Vorarlberg im Bereich Lehrpraxis“
mit Vertretern des Landes, des
Bundesministeriums für Gesund-
heit, der Vorarlberger Gebietskran-
kenkasse, des Hauptverbandes,
Vertretern der Krankenhäuser, der
Vorarlberger Gesellschaft für Allge-
meinmedizin und der Ärztekam-
mer für Vorarlberg statt. Hinter
der Notwendigkeit der Schaffung
von Lehrpraxen standen dabei alle
Teilnehmer. Verhandlungsziel wird
die Finanzierung einer definierten
Anzahl von Lehrpraxen auf eine
bestimmte Dauer sein.
Was ist das Ziel der
Lehrpraxis?
Kenntnisse, Erfahrungen und Fer-
tigkeiten für die selbständige Füh-
rung einer Allgemeinpraxis, die
im stationären und ambulanten
Spitalsbereich nicht erworben wer-
den können, lernen die Lehrprak-
tikantinnen und Lehrpraktikanten
nur in einer niedergelassenen allge-
meinmedizinischen Praxis. „Allge-
meinmedizin ist nur in der Allge-
meinmedizin zu erlernen“.
Beispiele spezieller Kenntnisse,
in den allgemeinmedizinischen
Lehrpraxen vermittelbar:
• Typische Krankheitsbilder der
medizinischen Grundversorgung,
denenman im stationären Bereich
z.T. überhaupt nicht begegnet.
• Diagnosestellung sowie Behand-
lung mit Auswahl der am besten
geeigneten medizinischen Ebene.
• Koordination der Behandlungs-
strategien von Mitbehandlern im
Einvernehmen mit dem Patien-
ten.
• Zusammenarbeit mit anderen Ge-
sundheits- und Pflegeberufen.
• Schnittstelle
intra-extramural:
was ist extramural machbar und
sinnvoll?
Grund für den intensiven Lern-
effekt der Lehrpraxis im Vergleich
zum Spital ist die
1:1-Lernsitua
tion.
Der Lehrende verfügt über ei-
nen großen Erfahrungsschatz in
der bio-psycho-sozialen Betreuung
seiner Patienten, der weitergegeben
werden kann und soll. Die Prakti-
kanten lernen viel über die
wirt-
schaftliche und administrative
Organisation
einer Allgemeinpra-
xis sowie über
Qualitätssicherung,
wozu sie weder während des Stu-
diums noch im Spital Gelegenheit
haben.
Die
ökonomischen Aspekte
der medizinischen Tätigkeit wer-
den vor allem im niedergelassenen
Bereich erfahren – nicht nur bei der
Auseinandersetzung mit dem EKO
(Erstattungskodex), sondern auch
bei der Beurteilung von Arbeits-
unfähigkeit,
Hilfsbedürftigkeit,
Pflegegeld, Pflegefreistellung und
Ähnlichem.
Ein weiterer wichtiger Aspekt
ist das
Erlernen rationeller Dia-
gnostik unter beschränkten Um-
ständen,
aber mit wissenschaftlich
durchaus als angemessen angese-
hener Methoden (z.B. beim Haus-
besuch).
Dies alles ist nicht in 6 Monaten
Lehrpraxis zu vermitteln, deshalb
fordert die Österreichische Ärzte-
kammer eine Mindest-Lehrpraxis-
dauer von 12 Monaten.
Die Bereitschaft junger Ärztin-
nen und Ärzte den Hausarztberuf
zu ergreifen, nimmt derzeit dra-
matisch ab – einer der Gründe da-
für ist, dass sich die wenigsten auf
Grund der derzeitigen Ausbildung
diesen Aufgaben gewachsen fühlen.
Die Lehrpraxis könnte eine we-
sentliche Voraussetzung für junge
Ärztinnen und Ärzte sein, Vorur-
teile und Ängste zu überwinden
und sich in die Niederlassung als
Hausarzt zu wagen.
Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, ich wünsche Ihnen und Ihren
Familien frohe und besinnliche
Weihnachtstage und einen guten
Start ins neue Jahr.
von Kurienobmann VP Dr . Harald Schlocker
Kurienobmann VP
Dr. Harald Schlocker
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| Arzt im Ländle
12-2013