aus der Kammer
... aus der Kurie niedergelassene Ärzte
Best point of service –
was bedeutet „Best“ ?
„Best Point of Service“ ist das Mot­
to der Zielsteuerungsverträge zur
Gesundheitsreform, die im kom­
menden Jahr anlaufen sollen. Was
können wir von diesen Verträgen
erwarten?
Im Zielsteuerungsvertrag ist erst­
malig von diesem „Best Point of Ser­
vice“ die Rede, wobei aus derzeitiger
Sicht jedoch nicht herauszulesen ist,
auf wen oder was sich das „Best“ be­
zieht. Ist es die Vorgabe, das Beste für
die Politiker, für die Sozialversiche­
rungen oder gar das Beste für die Pa­
tientinnen und Patienten zu wollen?
Die Länder haben gemeinsam
mit den regional zuständigen Sozi­
alversicherungsträgern den Auftrag,
eine Reform auszuarbeiten, die sich
an diesem „Best Point of Service“
orientiert. Ziel aus Sicht der Sozial­
versicherung ist es jedenfalls, die Ver­
sorgung für den einzelnen Patienten
dort zu erbringen, wo es medizinisch
am besten und für das Gesundheits­
system am kostengünstigsten ist. Es
wird hierbei klargestellt, dass die
Primärversorgung
flächendeckend
umgesetzt werden soll. Das deckt sich
durchaus mit der langjährigen Forde­
rung der Ärzteschaft nach einer Stär­
kung des niedergelassenen Bereichs.
Doch wer weiß wirklich, wie die
Verantwortlichen Primärversorgung
definieren? Ein operatives Ziel des
Zielsteuerungsvertrages lautet, eine
multiprofessionelle und interdiszi­
plinäre Primärversorgung bis Mitte
2014 zu konzipieren und bis 2016
auf Landesebene umzusetzen. Bis
Ende 2016 soll mindestens 1 Prozent
der Bevölkerung von entsprechen­
den Modellen versorgt werden.
Bei der Suche nach Definitionen
für „Primary Health Care“, landet
man unter diesem Begriff immer
wieder beim Hausarzt, bei Haus­
arztmodellen und/oder der wissen­
schaftlichen Erkenntnis, dass je bes­
ser ein Hausarztsystem funktioniert,
desto besser und auch billiger funk­
tioniert die medizinische Versorgung
innerhalb eines Gesundheitssystems.
Wir haben in Österreich ein gut
funktionierendes System, innerhalb
dessen die klassischen Hausärztin­
nen und Hausärzte bereits heute
mehr als 50 Prozent aller Behand­
lungsfälle abwickeln.
Was fehlt sind Steuerungsmecha­
nismen, die es für die Patientinnen
und Patienten attraktiv machen, den
Einstieg ins System über die Primär­
versorgung zu suchen.
Für die Bevölkerung ist ein
wohnortnahes Basisversorgungsmo­
dell mit freiberuflichen, niederge­
lassenen Allgemeinmedizinerinnen
und Allgemeinmedizinern in Einzel­
ordinationen, mit eigener und freier
Auswahl durch die Patientinnen und
Patienten wichtig und laut Umfra­
gen gewünscht. Die Ärztinnen und
Ärzte sollen im Rahmen eines „Ver­
trauensarztmodells“ arbeiten und
alle Belange rund um die Grundver­
sorgung inklusive Visiten abdecken.
Auch die Medikamentenversorgung
sollte sich am „Best Point of Service“
orientieren.
Ein Bedürfnis nach Versorgungs­
zentren oder erweiterten Öffnungs­
zeiten in Einzelpraxen lässt sich aus
diesen Umfragen nicht ableiten, wird
doch gerade dieser Punkt sehr oft als
zentrale Forderung der Bevölkerung
dargestellt. Ein Großteil der Befrag­
ten hat einen Hausarzt und ist im
Großen und Ganzen auch mit den
Öffnungszeiten zufrieden.
Der Trend in Richtung Versor­
gungszentren ist jedoch unverkenn­
bar, seit Jahren wird die Tätigkeit im
niedergelassenen Bereich vorsätzlich
erschwert, so als würde man gera­
dezu darauf hinarbeiten, dass sich
das Problem von alleine lösen möge,
weil man keine Ärztinnen und Ärzte
mehr findet, die einen Kassenver­
trag als Allgemeinmediziner unter­
schreiben. Man spricht heute bereits
öffentlich davon, dass die Zukunft
den wie auch immer gearteten Ver­
sorgungszentren gehört und Allge­
meinmediziner als Einzelkämpfer als
Auslaufmodell gelten. Versorgungs­
zentren sind vermutlich der Anfang
vom Ende der wohnortnahen Ver­
sorgung.
Bleibt weiterhin die Frage, wo
denn nun der „Best Point of Ser­
vice“ ist. Man kann die Dinge dre­
hen und wenden wie man will: Der
niedergelassene, wohnortnahe All­
gemeinmediziner ist der Best Point
of Service im Sinne der Patientinnen
und Patienten, wenn es um die Pri­
märversorgung geht. Und in Summe
gesehen ist diese Primärversorgung
auch noch die billigste, und zwar mit
großem Abstand.
Nicht zur Diskussion steht der­
zeit ein „Gatekeeper-Modell“: Die
freie Arztwahl sei ein Grundprinzip
des österreichischen Gesundheits­
wesens und müsse auf jeden Fall
erhalten bleiben, tönt es zumindest
derzeit aus allen politischen Lagern.
Wir brauchen schlanke und un­
komplizierte ärztliche Kooperations­
modelle dort, wo sie sinnvoll sind.
Die positive Einstellung gegenüber
Gruppenpraxen ist ebenfalls wenig
verwunderlich, schließlich würden
diese ja eine sinnvolle Ergänzung
zum bestehenden Einzelvertrags­
system darstellen. Wir brauchen vor
allem ein effizientes Steuerungssys­
tem, bei dem die Patientinnen und
Patienten den (echten) „Best Point
of Service“ auch finden. Und zwar
ohne den Zwang durch Rationie­
rungen, sondern ganz einfach durch
Vernunft.
Was der Bevölkerung jedoch ver­
schwiegen wird, ist die Tatsache, dass
in Summe gesehen nicht mehr Geld
als bisher verwendet werden darf.
Für Gruppenpraxen und Versor­
gungszentren werden also Einzelpra­
xen sterben müssen.
Das würde aber ganz klar das
Ende der wohnortnahen Versorgung
durch niedergelassene Ärzte nach
sich ziehen. In der Hoffnung, dass
der „Best Point of Service“ immer
möglichst nahe am Patienten und
somit der Allgemeinmediziner/die
Allgemeinmedizinerin in der Ein­
zelordination, vor allem im ländli­
chen Raum, kein Auslaufmodell ist,
wünsche ich allen niedergelassenen
Kolleginnen und Kollegen ein er­
folgreiches und gesundes Neues Jahr
2014 !
von Kurienobmann VP Dr . Harald Schlocker
Kurienobmann VP
Dr. Harald Schlocker
6
| Arzt im Ländle
01-2014
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,...36