aus der Kammer
Kurienobmann VP
Dr. Harald Schlocker
„Lernen die Turnusärzte
die Arbeit in der Praxis
erst einmal kennen, wer-
den sich sicherlich wie-
der mehr für den Beruf
als Land- bzw. Hausarzt
entscheiden“.
O
hne wirksame Gegenmaß­
nahmen besteht die Ge­
fahr, dass es auch in Vor­
arlberg schon bald zu Engpässen bei
der wohnortnahen medizinischen
Versorgung auf dem Land kommen
kann, weil der ärztliche Nachwuchs
fehlt und Arztpraxen nicht nachbe­
setzt werden können. Abhilfe schaf­
fen könnte neben flexiblen und
familienfreundlichen Arbeitsbedin­
gungen insbesondere die Förderung
und verpflichtende Einführung
einer mindestens einjährigen Lehr­
praxis sowie die Beseitigung recht­
licher Hürden für Hausapotheken.
Im Rahmen einer österreichweiten
Landmedizin-Kampagne wird die
Politik um Unterstützung dieser
Forderungen ersucht.
Die Problematik um die Land­
medizin wird akuter denn je. Immer
weniger Jungmediziner bewerben
sich um Landarztstellen. Während
Mitte der 2000er-Jahre noch fünf
und mehr Bewerber auf eine Land­
arztstelle kamen, fand sich auch in
Vorarlberg zuletzt für – teilweise
auch mehrfach – ausgeschriebene
Stellen zumeist nur ein Bewerber.
Dieser Trend zeichnete sich schon
bei den nur schwer – und lange Zeit
nicht – zu besetzenden Landarzt­
stellen in Lingenau, Schruns und
im Kleinwalsertal ab. Zwischenzeit­
lich hat diese Abwärtsentwicklung
auch schon die Ballungszentren
im Rheintal erreicht. Als jüngstes
Beispiel ist die Landeshauptstadt
Bregenz zu nennen, wo eine Prak­
tikerstelle – schon zum zweiten Mal
– erst nach einem 2. Anlauf nach­
besetzt werden konnte.
Hohe Arbeitsbelastung
und geringe Familien­
freundlichkeit
In einer kürzlich durchgeführten
Umfrage bei den Vorarlberger Tur­
nusärzten waren sich 82 % der be­
fragten Turnusärzte bereits jetzt
sicher, dass sie sich trotz abgeschlos­
sener Turnusausbildung und jus
practicandi nicht um eine Stelle als
Allgemeinmediziner bewerben wer­
den. „Ständig wachsende Bürokra­
tie, viele Nacht- und Wochenend­
dienste, mangelndes Gleichgewicht
zwischen Arbeits- und Freizeit
(„Life-work-balance“) – die hohe
Arbeitsbelastung und die geringe
Familienfreundlichkeit lassen das
gute Berufsbild des freien, selbstbe­
stimmten Arztes in der eigenen Pra­
xis immer mehr dahinschwinden“,
so Dr. Harald Schlocker, Kurienob­
mann der niedergelassenen Ärzte.
Ein Grund, dass es junge Ärz­
tinnen und Ärzte immer weniger
zur Niederlassung auf dem Lande
hinzieht, liegt aus Sicht der Ärzte­
kammer aber auch darin, dass Tur­
nusärzte das Berufsbild des Allge­
meinmediziners gar nicht wirklich
kennen, weil sie während ihrer Aus­
bildung nie in einer Praxis arbeiten
konnten.
Forderungen
Kurienobmann Dr. Harald Schlo­
cker: „Wir fordern daher schon seit
langem die Umsetzung einer Aus­
bildungsreform mit Absolvierung
einer verpflichtenden, mindestens
einjährigen Lehrpraxis als Teil des
Turnus und die Finanzierung durch
das Land Vorarlberg im Rahmen ei­
ner Modellregion. Lernen die Tur­
nusärzte die Praxisarbeit erst ein­
mal kennen, werden sicherlich wie­
der mehr als bisher Gefallen daran
finden und sich für eine Zukunft als
Land- bzw. Hausarzt entscheiden“.
Weiteres sollte es mögliche sein,
die erfolgreiche Turnusausbildung
mit der Anerkennung als Facharzt für
Allgemeinmedizin abzuschließen.
Eine weitere Forderung der Ärz­
tekammer ist das uneingeschränkte
und zeitlich unbegrenzte Recht auf
das Führen einer Hausapotheke
durch Landärzte. „Landärzte sind
der erste Ansprechpartner, wenn es
um den raschen und unbürokra­
tischen Zugang zu Medikamenten
geht und somit ein wichtiger Bei­
trag zu einer wohnortnahen medi­
zinischen und medikamentösen Be­
treuung“, so Dr. Harald Schlocker.
Außerdem stellen Hausapotheken
für viele Landärzte einen unver­
zichtbaren Einkommensbestandteil
dar, ohne den ihre Praxis wirtschaft­
lich nicht existenzfähig wäre.
Appell an die Politik:
Endlich wirkungsvolle
Schritte setzen
Die Sicherung der landmedizini­
schen Versorgung muss im Inter­
esse der auf dem Land wohnenden
Menschen in der österreichischen
Politik höchsten Stellenwert be­
kommen.
Regional- und Landespolitiker
werden deshalb ebenso wie Kandi­
daten für den Nationalrat und an­
dere Vertreter der Politik aufgefor­
dert, die Inhalte der Kampagne zu
unterstützen und nicht nur Lippen­
bekenntnisse, sondern endlich wir­
kungsvolle Schritte zur Sicherung
der wohnortnahen medizinischen
Versorgung vorzunehmen.
Kampagne Landmedizin
Im Rahmen der von der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte initiierten österreichweiten Land­
medizin-Kampagne zur Sicherung der wohnortnahen medizinischen Versorgung hat die Ärztekam­
mer für Vorarlberg am 31. Juli 2013 nachstehende Presseaussendung veröffentlicht:
Factbox:
Maßnahmen und Forderungen zur Absicherung
der landärztlichen Versorgung
• Einführung einer verpflichtenden, mindestens
einjährigen Lehrpraxis
• Sicherstellung bestehender und Einrichtung
neuer Hausapotheken
• Anreize zur Praxisgründung etwa durch Bereit­
stellung von Praxisräumlichkeiten und Schaf­
fung von Wohnraum
• flexible und familienfreundliche Arbeitsbedin­
gungen
Arzt im Ländle
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