Arzt in der Prax i s
A
n dieser Rechnung gibt es
wohl nichts zu deuteln:
Schon 2020 werden inVorarl-
berg 50.000 Menschen über 70 Jahre
alt sein. Gelänge es, durch angepasste
Maßnahmen nur einem Prozent die-
ser Personen zwei Monate länger die
Selbständigkeit zu erhalten, würde
das im Vergleich zu einem Pflege-
heimaufenthalt eine Kostenersparnis
von 4 Millionen Euro bringen. In
Anbetracht der demografischen Ent-
wicklung, laut der Menschen immer
älter werden, ist vor allem die Sturz-
prävention ein Gebot der Stunde.
Denn bei betagten und hochbetagten
Senioren führen sturzbedingte Ver-
letzungsfolgen häufig direkt in die
Pflegebedürftigkeit.
Effektiv und kostengünstig
Als ebenso effektiv wie kostengüns-
tig hat sich das vor zehn Jahren in
Neuseeland entwickelte Sturzprä-
ventionsprogramm der Universität
Otago erwiesen. Es besteht aus einfa-
chen Übungen, die zu Hause durch-
geführt werden, sowie einem regel-
mäßigen Gehtraining. Die Einwei-
sung in den Trainingsablauf erfolgt
durch geschulte Übungsleiterinnen
und Übungsleiter. Damit sollen die
alten Menschen in die Lage versetzt
werden, das Programm selbständig
zu absolvieren. Dass es viel Nutzen
stiftet, belegen inzwischen auch zahl-
reiche Studien. Obwohl unterschied-
lich in ihren Aussagen, kommen alle
doch zu einem Schluss: Mit Otago
lässt sich das Sturzrisiko im höheren
und hohen Alter um 35 Prozent re-
duzieren. Die höchste Wirksamkeit
erzielt das Otago-Programm dem-
nach bei über 80-Jährigen, die schon
Stürze hinter sich haben.
Trainerinnen in Schulung
Wohlwissend um die Notwendig-
keit solcher Maßnahmen startet
demnächst in Vorarlberg unter der
Federführung der Hauskrankenpfle-
ge Vorarlberg und in Kooperation
mit Sicheres Vorarlberg ein Otago-
Pilotversuch. Derzeit werden zehn
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Hauskrankenpflege von Christi-
ane Feuerstein (Studio Drehpunkt)
in Otago geschult. „Damit ein sol-
ches Projekt erfolgreich sein kann,
müssen auch die Hausärzte mit ins
Boot. Denn ältere Menschen hören
eher auf ihren Arzt als auf Angehöri-
ge“, betont Feuerstein, die sich lang-
jährig mit der Thematik befasst und
seit 2014 Otago Kaskadentrainerin
ist. Ihre gute Botschaft: „Für ein
angemessenes Training ist es nie zu
spät.“ Das Otago-Programm bein-
haltet Aufwärmübungen sowie Kräf-
tigungs- und Balanceübungen. Es
deckt damit genau jenes Spektrum
an Defiziten ab, die alte Menschen
buchstäblich zu Fall bringen. Fehlen-
de Kraft, ein Mangel an Beweglich-
keit sowie Probleme mit dem Gleich-
gewicht und der Reaktionszeit gelten
als die Risikofaktoren für Stürze im
Alter. Andererseits lässt sich an dieser
Schraube am einfachsten drehen.
Übungen für den
Hausgebrauch
Beim Otago-Programm erhält jeder
Teilnehmer eine, seinen Fähigkei-
ten individuell angepasste Übungs-
auswahl, wobei die Intensität der
Übungen langsam gesteigert wird.
Voraussetzung: „Die Teilnehmer
müssen mobil und in der Lage sein,
die Übungen zu verstehen“, erläutert
Christiane Feuerstein. Deshalb steht
am Beginn ein kleiner Check. Un-
ter anderem wird die Zeit gemessen,
die eine Person braucht, um 5 Mal
hintereinander ohne Abstützen der
Arme von einem herkömmlichen
Stuhl aufstehen kann. Dann wird
im Rahmen von 4 Hausbesuchen,
die innerhalb von 6 Monaten erfol-
gen, das Übungsprogramm Stück für
Sturzprävention:
Wirksames Training für den Hausgebrauch
Das Otago-Übungsprogramm hat sich als effektive Methode gegen Stürze im Alter erwiesen. Im Rahmen
einer Initiative „Sicheres Vorarlberg“ wird dieses Programm derzeit von 10 Dipl. Pflegern der Hauskran-
kenpflege Vorarlberg mit 20 „Testpersonen“ als Pilotversuch umgesetzt.
Eine Statistik aus Vorarlberg
Menschen über 65 Jahre, die 2012 in Vorarlbergs Spitälern nach
einem Sturz stationär behandelt wurden.
Quelle: Land Vorarlberg
Fraktur Oberschenkelhals
506
Fraktur Lendenwirlbelsäude und Becken
221
Fraktur Bereich Schulter und Oberam
207
Fraktur Unterschenkel/oberes Sprunggelenk
150
Fraktur Rippe(n), Brustwirbelsäule
143
Fraktur Unterarm
175
Fraktur Gesichtsschädelknochen
71
Gesamt
1473
Altersstatistik Vorarlberg 2000-2050
Jahr
> 70 Jahre
Geamtbevölkerung
2000
30.250
249.253
2012
42.652
373.008
2020
49.847
371.272
2030
60.010
379.076
2040
74.076
381.944
2050
77.331
380.661
18
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