Die beste medizinisch wissenschaftliche Arbeit im Jahre 2015 wurde kürzlich von Präsident MR Dr. Michael Jonas mit dem Preis der Ärztekammer für Vorarlberg ausgezeichnet. Der etablierte und mit €  4.000.-- dotierte Wissenschaftspreis ging diesmal an den Facharzt für Innere Medizin, PD Dr. Philipp Rein, der schon seit vielen Jahren an der Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie des LKH Feldkirch arbeitet. Die Verleihung des Preises fand wiederum in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Ärzte im Rahmen des jährlichen Symposiums „Medizinische Forschung in Vorarlberg“ statt.

Der im Jahre 2004 von der Kammer initiierte Preis wurde heuer zum 12. Mal verliehen. Damit sollen sowohl in den Vorarlbergern Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich hochrangige wissenschaftlich Arbeiten und praktische Leistungen von Ärztinnen und Ärzten eine entsprechende Würdigung erfahren.

Priv.-Doz. Dr. Philipp Rein untersuchte in seiner Arbeit die Bedeutung von Störungen der Nierenfunktion für die Prognose von Patienten, die bei Verdacht auf Verengungen der Herzkranzgefäße einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen wurden. Die Ergebnisse der Studie zeigen neue und für die praktische Medizin wichtige Zusammenhänge auf. Kernaussage ist die hohe Inzidenz von klinisch manifesten  atherothrombotischen Ereignissen bei Patienten mit Mikro-     und Makroalbuminurie. Das Vorliegen einer Proteinurie stellt in dieser Arbeit ein Risikoäquivalent verglichen mit einer etablierten koronaren Herzerkrankung dar: Das kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit Proteinurie ohne signifikante Koronarstenosen war nicht unterschiedlich zum Risiko der Probanden frei von Proteinurie aber mit Stenosen der

Koronararterien. Die Ergebnisse untermauern die Bedeutung der Evaluierung bezüglich Proteinurie im Rahmen der kardiovaskulären Risikostratifizierung - einem Prozess, der sowohl im internistischen aber auch im allgemeinmedizinischen Setting in Vorarlberg von eminenter Bedeutung ist.

Nachfolgend eine Zusammenfassung der Arbeit die uns der Preisträger dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.

„Is Albuminuria a Myocardial Infarction Risk Equivalent for  Atherothrombotic Events ?”
Nachdem initial die hohe Inzidenz von atherothrombotischen Ereignissen bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz beobachtet worden war, sind in den letzten Jahren Arbeiten zum gesteigerten kardiovaskulären Risiko bei nur leicht oder moderat eingeschränkter Nierenfunktion publiziert worden. Erklärung für diese starke Assoziation könnte sein, dass eine Dysfunktion des am stärksten durchbluteten Organs Niere eine arterielle beziehungsweise endotheliale Dysfunktion reflektiert: Wie eine Untersuchung des Augenhintergrunds das Ausmaß einer arteriellen Hypertonie widergibt, so könnte die renale Funktion genutzt werden, um die Integrität des Gefäßsystems zu beurteilen.

Gemäß internationaler Empfehlungen sind Patienten mit einer berechneten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) <60ml/min als Hochrisikopatienten für kardiovaskuläre Ereignisse einzuschätzen – wie auch Patienten mit stattgehabtem Myokardinfarkt (MI). Im Gegensatz zur eGFR wurde bislang aber nicht untersucht, ob das vaskuläre Risiko bei Vorliegen einer Albuminurie dem von Patienten mit positiver Anamnese für einen MI entspricht. Um diese Frage beantworten zu können haben wir die Inzidenz vaskulärer Ereignisse in zwei Gruppen mit a) Albuminurie aber blander Anamnese für MI und b) keiner Albuminurie aber stattgehabtem MI verglichen.
Zu diesem Zweck untersuchten wir am Akademischen Lehrkrankenhaus Feldkirch etwa 900 konsekutiv rekrutierte Patienten, die einer elektiven Koronarangiographie zur Evaluierung einer bekannten oder suspizierten koronaren Herzerkrankung (KHK) zugewiesen wurden. Die Anamnese bezüglich stattgehabtem MI sowie die Evaluierung der vaskulären Risikofaktoren wurden mittels standardisiertem Interview durchgeführt. Das Vorliegen einer Albuminurie war definiert als eine Albumin / Kreatinin Ration von >=30 µg/mg im morgendlichen Spontanharn. Die eGFR wurde nach der CKD-EPI Formel berechnet, um auch valide Werte für Probanden ohne Einschränkung der GFR zu ermitteln.
Bei etwa einem Viertel unserer Patienten (24%) konnte in der quantitativen Harnuntersuchung eine Albuminurie detektiert werden. Die Prävalenz eines stattgehabten MI war in der Gruppe mit Albuminurie höher als in der Gruppe ohne Albuminurie (38 vs. 21%; p <0.001). Von unseren Patienten wiesen 513 (60%) weder einen MI noch eine Albuminurie auf, 126 (15%) hatten eine Albuminurie aber keine MI in der Anamnese, 137 (16%) hatten keine Albuminurie aber einen MI in der Anamnese und 76 (9%) wiesen beides auf, eine Albuminurie und eine positive Anamnese für MI.
Im Nachbeobachtungszeitraum von 3.2 ± 1.2 Jahren traten bei 148 Patienten vaskuläre Ereignisse auf. Die Inzidenz dieser Ereignisse war signifikant höher bei Patienten mit verglichen zur Gruppe ohne Albuminurie (29 vs. 14%; p <0.001) und auch signifikant höher innerhalb der Gruppe mit stattgehabtem MI verglichen mit der Gruppe ohne MI in der Anamnese (27 vs. 14%; p <0.001).
Nach Adjustierung für Alter, Geschlecht, BMI, Diabetes, Rauchen, Hypertonie, LDL-C und HDL-C, eGFR und relevante medikamentöse Therapie zeigte die Cox Regressionsanalyse mit Einschluss beider Variablen – Anamnese für MI und Vorliegen einer Albuminurie – ein signifikant und unabhängig erhöhtes vaskuläres Risiko für beide Variablen (HR = 1.52 [1.06 – 2.18]; p = 0.023 für die Anamnese eines MI und 1.81 [1.26 – 2.60]; p = 0.001 für das Vorhandensein einer Albuminurie).

Die Abbildung 1 zeigt die Überlebenskurven der Subgruppen abhängig vom Vorliegen einer Albuminurie und der Anamnese für MI. Verglichen mit der Inzidenz des zusammengesetzten Endpunkts bei normoalbuminurischen Patienten ohne MI in der Anamnese (12%) waren die Ereignisraten bei Patienten mit Albuminurie aber ohne MI in der Anamnese (25%; p = 0.003) und bei Patienten mit Anamnese für MI aber ohne Albuminurie signifikant erhöht und waren am höchsten bei Patienten mit beiden erfüllten Kriterien, positiver Anamnese für MI und Vorliegen einer Albuminurie. Zu betonen sind die äquivalenten Ereignisraten der Patienten mit Albuminurie ohne MI in der Anamnese und der Gruppe mit Normoalbuminurie aber stattgehabtem MI (p = 0.937). Die Ereignisrate der Gruppe mit beiden Charakteristika – MI in der Anamnese und Albuminurie war signifikant höher als die der Gruppen mit nur einem erfüllten Charakteristikum (p = 0.049 gegenüber Patienten mit Normoalbuminurie aber stattgehabtem MI und p = 0.048 gegenüber Patienten mit Albuminurie und negativer Anamnese für MI).
Unsere Daten zeigen, dass sowohl die Albuminurie als auch die Anamnese eines MI einen signifikanten und unabhängigen Prädiktor für zukünftige vaskuläre Ereignisse darzustellen. Das Novum unserer Arbeit ist aber die Stellung der Albuminurie als KHK-Risikoäquivalent: Die Ereignisrate von Patienten mit Albuminurie ohne stattgehabtem MI entspricht der der Gruppe ohne Albuminurie aber positiver Anamnese für einen MI. Unsere Ergebnisse stützen die vorliegende Evidenz zur Bedeutung der Albuminurie als kardiovaskulärer Risikomarker. Kürzlich konnte unsere Gruppe ein äquivalentes kardiovaskuläres Risiko von Patienten mit angiographisch verifizierter KHK ohne Albuminurie verglichen mit Patienten ohne signifikante KHK aber mit Albuminurie publizieren. Die aktuelle Arbeit bestätigt unsere früheren Ergebnisse und hat nunmehr Implikation für die breite Masse unserer Patienten mit suspizierter koronarer Herzerkrankung, zumal die durchgeführte Risikostratifizierung mittels Anamneseerhebung für einen stattgehabten MI unabhängig von invasiven Untersuchungen ist.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Vorliegen einer Albuminurie ein KHK-Risikoäquivalent darstellt. Unter diesem Aspekt gewinnt die Untersuchung auf Vorliegen einer Albuminurie im Rahmen der kardiovaskulären Risikostratifizierung an Bedeutung und legt die strenge Kontrolle von vaskulären Risikofaktoren bei Nachweis einer Albuminurie nahe.

Der Preisträger PD Dr. Philipp Rein (mi.) mit dem Präsidenten der Vorarlberger Ärztekammer MR Dr. Michael Jonas (re.) und Laudator Univ.-Prof. Dr. Christoph Säly (re.)