Psychiatrisch Kranke besser behandeln – aber die Kasse bremst
ÖÄK, Psychische Erkrankungen
Neue Therapiemöglichkeiten könnten für viele Patienten deutliche Erleichterungen bringen. Doch die Österreichische Gesundheitskasse steht hier auf der Bremse.
„Die Versorgung von Patienten mit Substanzgebrauchsstörungen wird von der Österreichischen Gesundheitskasse leider sehr stiefmütterlich behandelt“, kritisierte Norbert Jachimowicz, Leiter des Referates für Substitutionsangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer, im Rahmen einer Pressekonferenz.
Das im Jahr 2018 von der EMA zugelassene Medikament mit Depotwirkung namens Buvidal R wird wöchentlich bzw. monatlich durch den behandelnden Arzt injiziert und bringe Jachimowicz zufolge einige Vorteile: deutlichen Zugewinn an Lebensqualität, effektivere Loslösung von Rückfall-Risikofaktoren und zudem weniger Arztbesuche. Die Patientenzufriedenheit sei hoch, es komme zu keinen Entzugszeichen, keinem Verlangen nach Substanzkonsum und außerdem zu keinem Beikonsum von anderen Opiaten. Allerdings sei das Medikament, weil es noch recht neu entwickelt ist, teurer als ein oral einzunehmendes Medikament, aber es müssten auch die Folgekosten berücksichtig werden, die sich durch Rückfälle, Missbrauch, intravenösem Konsum der oral einzunehmenden Formen mit all seinen negativen Gesundheitsfolgen ergeben, betonte Jachimowicz. Zudem gebe es für an Schizophrenie oder bipolarer Störung Erkrankte seit Längerem injizierbare Depotpräparate, die von der ÖGK anstandslos bewilligt würden. „Warum dann nicht auch bei Patienten mit Substanzgebrauchsstörungen?“, fragt sich der ÖÄK-Referatsleiter. Das Depotmedikament erweitere die Palette der Therapiemöglichkeiten für die Patienten und ihre individuellen Lebenssituationen. Zudem verwies Jachimowicz darauf, dass die Substitutionsverordnung aufgrund der nun verfügbaren subkutan zu applizierenden Depotzubereitung durch das Parlament entsprechend geändert wurde - eben um deren Einsatz zu ermöglichen.
  Nur in der Krankenhausapotheke verfügbar
  
 Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz, Suchtforschung
  und Suchttherapie an der Medizinischen Universität Wien, verwies auf
  den wissenschaftlichen Konsens, wonach ein wesentliches Problem die
  Compliance (die Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an
  therapeutischen Maßnahmen) darstelle, nämlich über Jahrzehnte täglich
  Medikamente nehmen zu müssen. „Die Compliance ist umso höher, je
  weniger Tabletten täglich einzunehmen sind“, betonte die Expertin. Das
  Depotmedikament werde an der MUW/AKH erfolgreich verabreicht, auch das
  interdisziplinäre Behandlungsteam berichte über positive Erfahrungen,
  gute Verträglichkeit und hebe den Vorteil heraus, nicht täglich oder
  wöchentlich in der niedergelassenen Apotheke die Medikation beheben zu
  müssen. Damit werde die optimale Integration in den Arbeitsalltag
  ermöglicht. „Leider gelingt aber die Verordnung über niedergelassene
  Ärztinnen und Ärzte nicht, weil die ÖGK dieses Medikament,
  argumentierend mit zu hohen anfallenden Kosten, nicht bezahlt und wir
  es über die Krankenhausapotheke beziehen“. Damit werde dieses
  Medikament vielen Betroffenen vorenthalten. Das habe nicht nur
  individuelle Nachteile, sondern wirke sich auch auf die
  Allgemeinbevölkerung aus, da sich die Rückfallswahrscheinlichkeit auf
  illegal erworbene Opioide vergrößere und sich insgesamt die
  „indirekten“ Kosten für die Gesellschaft erhöhen würden (z.B.
  Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Inhaftierungen etc.). „Es herrscht
  eine Zweiklassenmedizin, da das Medikament für Vermögende durch
  Selbstzahlermodalität problemlos erwerbbar ist. Österreich ist 2020
  eines der reichsten Länder der EU, eine Monatsdosierung kostet pro
  Patient ca. 500.- Euro - im Vergleich zu anderen Medikationskosten
  vernachlässigbar gering, zudem ist die Zahl der Betroffenen äußerst
  überschaubar“, kritisiert Fischer.