ÖÄK, Wahlärzte

Die geforderte Abschaffung des Wahlarztsystems wird die Attraktivitäts-Probleme im kassenärztlichen Bereich auf keinen Fall lösen. Der ÖGK-Vizeobmann möge endlich die Realität zu Kenntnis nehmen, fordert die Ärztekammer.

„Auch Wahlärztinnen und Wahlärzte haben eine eminent wichtige Funktion in unserem Gesundheitssystem – in ländlichen Bereichen etwa, in denen es keinen Kassenarzt mehr gibt, sind sie oft die einzige Option für die Menschen dort für den niederschwelligen Zugang zum Gesundheitsversorgung“, richtet Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, dem Vizeobmann der Österreichischen Gesundheitskasse, Andreas Huss, aus. Dieser hatte sich medial für die Abschaffung des Wahlarztsystems ausgesprochen und eine Trennung in Kassenärzte und reine Privatärzte gefordert. „Das löst das Problem überhaupt nicht, dass es aktuell offensichtlich einfach zu wenig attraktiv ist, einen Kassenvertrag anzunehmen. Der starke Trend hin zum Wahlarztbereich ist Ausdruck dafür, dass es im Kassenbereich Probleme gibt. Ärztinnen und Ärzte wollen sich Zeit für ihre Patientinnen und Patienten nehmen können, sie wollen Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können. Das sind die Punkte, bei denen die ÖGK herzlich eingeladen ist, endlich Verbesserungen zu schaffen, anstatt zu versuchen, einen Keil in die Ärzteschaft zu treiben“, kommentiert Szekeres.

„Das Abschaffen der Wahlärztinnen und Wahlärzte wird überhaupt nichts bringen“, sagt auch Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Die jungen Ärztinnen und Ärzte zeigen dem System die kalte Schulter, weil dieses völlig veraltet und verstaubt ist. Es braucht dringend bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit, flexiblere Anstellungsmöglichkeiten, eine Kombination von Wahl- und Kassenarztmöglichkeit, weniger Bürokratie, und vieles mehr. Da soll die ÖGK zuerst einmal aufräumen, bevor sie einen ganzen freien Berufszweig abschaffen will. Das haben wir der ÖGK auch schon x-mal ausgerichtet. Aber die einzige Antwort, die wir von der ÖGK zu den Problemen im kassenärztlichen Bereich bekommen, ist immer nur die Attacke auf die Wahlärztinnen und Wahlärzte. Diese Platte hat schon einen gehörigen Sprung“, konstatiert Steinhart. „Ich empfehle zudem einen Blick in das scheinbare kassenärztliche Vorzeigeland Deutschland: Dort werden Studien zufolge bis zum Jahr 2035 ungefähr 11.000 Hausärzte fehlen. Die medizinische Versorgung auf dem Land ist davon besonders betroffen, da gerade dort die dauerhafte Sicherung der Patientenversorgung inzwischen nicht mehr gewährleistet werden kann – 40 Prozent der Landkreise werden unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht sein. Auch hier zeigt sich, dass dieses System gar nichts bringt“, so Steinhart: „Man kann die Realität und die Anforderungen junger Ärztinnen und Ärzte an ihren Beruf nicht einfach negieren. Entsprechend erwarten wir uns von der ÖGK als Partner sinnvolle und konstruktive Vorschläge, dafür sind wir immer zu haben – für kurzsichtige Brachialmaßnahmen aber sicher nicht.“

Momen Radi, Leiter des ÖÄK-Referates für Wahl- und Privatärzte, verwies darauf, dass der Beitrag der ÖGK für Wahlarztkostenrückerstattung 2020 gerade einmal 0,9 Prozent ihrer Gesamtausgaben ausgemacht hatte. Radi warnt auch davor, den Menschen die Wahlmöglichkeit zu nehmen. „Viele Patientinnen und Patienten entscheiden sich bewusst für eine Wahlärztin oder Wahlarzt und sind bereit, dafür auch etwas aus eigener Tasche beizutragen. Wenn sich sowohl Patienten als auch Ärzte vermehrt für den vertragslosen Bereich entscheiden, dann heißt das, dass mit dem Kassensystem etwas nicht in Ordnung ist. Hier möge die ÖGK ansetzen, anstatt den Kassenbereich mit willkürlichen Degressionen und Deckelungen an die Kandare zu nehmen, wenn ihr die Versicherten am Herzen liegen“, sagt Radi.