ÖÄK, COVID-19

Hygienemaßnahmen und ein aufrechter Impfschutz werden entscheidend, um die Explosion respiratorischer Erkrankungen in der kalten Jahreszeit zu verhindern.

Impfungen, eine der größten medizinischen Errungenschaften, sind aus der Gesundheitsvorsorge nicht mehr wegzudenken. Auch in der Pandemie hat die rasche Verfügbarkeit eines neuen Impfstoffes dazu geführt, schwere Verläufe und letztlich auch viele Todesfälle zu verhindern. Zuletzt hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA die Covidimpfung auch für die Kleinsten ab sechs Monate zugelassen und empfohlen: „Wir sind hierüber sehr glücklich, da die vielfach in Österreich gelebte Praxis der Säuglings- und Kleinkinderimpfung nun auch formalrechlich durch die Zulassungsbehörden abgesichert ist“, sagte Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der Österreichische Ärztekammer. Im Zusammenhang mit der Pandemie wies er im Rahmen einer Pressekonferenz darauf hin, dass neben den Impfungen auch nicht das Testen von vor allem symptomatischen Patienten, das Abwassermonitoring und das Tragen von Masken vergessen werden solle. Ebenso wichtig sei auch die korrekte Hand- und Hustenhygiene, die vor vielen Erkrankungen schütze.

Leider gebe es viele Impflücken und wiederkehrende Erkrankungen, gegen die man sich mit einer Impfung schützen könne. Bei vielen Impfungen sei es wichtig, den Impfstatus aktiv zu halten, da die Immunität nach einiger Zeit nachlasse: „Im Zweifelsfall sollte jeder bei seinem Arzt des Vertrauens abklären, ob Impflücken vorhanden sind und wann welche Impfungen aufgefrischt werden müssen“, empfiehlt Schmitzberger. Es sei wichtiger denn je, Bewusstsein für die Wichtigkeit von Impfungen zu schaffen. „Das Thema Impflücken soll durch die gesamte kalte Jahreszeit hindurch und über alle Bundesländer hinweg auf der Agenda stehen“, betonte Schmitzberger und verwies in diesem Zusammenhang auf den Grazer Impftag am 6. November, den Österreichischen Impftag am 21. Jänner sowie den Niederösterreichischen Impftag am 15. April.

Doppelinfektionen SARS-CoV-2 mit Influenza vermeiden

Was Influenza betrifft, sei derzeit nicht vorhersehbar, wie die Welle heuer verlaufen werde, sagte Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität Wien. Ein Blick auf die Südhalbkugel lohne sich allerdings, um Lehren daraus zu ziehen. In Australien seien die Grenzen nach einer sehr langen Pause wieder geöffnet und die pandemiebedingten Hygienemaßnahmen vor dem Winter praktisch abgeschafft werden: „Daraus resultierte in Australien eine besonders frühe und auch sehr intensive Influenzawelle“. Derzeit würden in Österreich bereits die ersten nicht importierten Influenzafälle nachgewiesen, was darauf hindeute, dass auch bei uns die Grippesaison früher als sonst starten könnte: „Kommt es nun zu einer zeitgleichen Zirkulation von SARS-CoV-2-Viren und von Influenza, so besteht auch die Möglichkeit von Doppelinfektionen.“

Über die klinischen Verläufe von Doppelinfektionen von SARS-CoV-2 mit Influenza oder auch anderen respiratorischen Viren wie z.B. dem Respiratorischen Synzytial Virus (RSV) würden derzeit noch nicht ausreichend Daten vorliegen, da durch die pandemiebedingten Maßnahmen bisher die zeitgleiche Zirkulation dieser Viren verhindert wurde: „Man kann jedoch annehmen, dass Doppelinfektionen mit Influenza, anderen Viren oder Bakterien zu klinisch komplizierteren Verläufen führen könnte und damit eine zusätzliche eine Belastung der Gesundheitssysteme darstellen“, sagte Redlberger-Fritz. Dadurch komme der Influenzaschutzimpfung, die für Kindern von sechs Monaten bis 14 Jahren gratis im Rahmen des Kinderimpfprogramms zur Verfügung stehe, auch in der kommenden Wintersaison wieder große Bedeutung zu.

Großer Nachholbedarf bei Routineimpfungen

Laut Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung für Impfwesen, Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, herrsche derzeit großer Nachholbedarf bei Routineimpfungen. So seien 2021 nur mehr 74 Prozent der Zweijährigen mit zwei Dosen gegen Masern geschützt. Ähnlich gestalte sich das Bild bei den Analysen der Polio-Durchimpfungsraten, die bei Kleinkindern wegen dem Einsatz von Kombinationsimpfstoffen auch für Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus und Hepatitis B herangezogen werden können. Bei den Einjährigen wurden 2021 Durchimpfungsraten von nur 90 Prozent für die erste, und 83 Prozent für die zweite Teilimpfung beobachtet. Bei den 10-16-jährigen seien rund 75.000 Kinder und Jugendliche nicht ausreichend immun gegen Polio, und somit auch gegen Diphtherie, davon seien rund 21.500 ungeimpft.

Die Wichtigkeit hoher Durchimpfungsraten würden durch epidemiologische Entwicklungen bestärkt werden. Im Frühsommer 2022 sei erstmals seit über 20 Jahren eine respiratorische Diphtherie gemeldet worden, die tödlich verlief. Der letzte Fall von Kinderlähmung sei in Österreich 1980 gemeldet worden, doch: „Wie rezente Ausbruchsgeschehen in London und New York zeigen, kann es jedoch durch Import von Polioviren bei unzureichenden Durchimpfungsraten rasch zu einem entsprechenden Infektionsgeschehen kommen“, warnt Paulke-Korinek. Es seien heuer auch schon mehr als 180 Fälle an FSME in das epidemiologische Meldesystem gemeldet und mit weiteren beobachteten Fällen zu rechnen.

Diese Zahlen würden eindrucksvoll zeigen, dass im Bereich von Routineimpfungen ein großer Nachholbedarf bestehe: „Sinkende Durchimpfungsraten können zu einem Wiederaufflammen vergessener Erkrankungen führen und dies gilt es unbedingt zu vermeiden“, sagt Paulke-Korinek. Das Gesundheitsministerium sei aktuell mit den Bundesländern gemeinsam darum bemüht, Impfungen und ihren Nutzen wieder vermehrt in den Mittelpunkt zu rücken. Unter anderem sei aus diesem Grund das öffentliche Impfprogramm für die Influenza-Impfung ab Herbst 2023 ins Leben gerufen worden: „Das ermöglicht uns, dass wir mit einer Influenza-Impfung mit minimalem Selbstbehalt für alle in der nächsten Saison starten – und zwar in allen Bundesländern einheitlich“, betont Paulke-Korinek.