Ärztebedarfsstudie ist Grundlage für Aktionsplan 2025 bis 2030

Der künftige Ärztebedarf in Vorarlberg wird in einer Studie wissenschaftlich erhoben. Durch eine umfassende und professionelle Analyse der Situation sollen Fakten gesammelt werden, um so die richtigen Maßnahmen gegen den Ärztemangel umzusetzen. Dieses Ziel für eine verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung in Vorarlberg haben heute (Montag 21.11.2022) Ärztekammerpräsident Burkhard Walla, Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher und ÖGK Landesvorsitzender Manfred Brunner gemeinsam präsentiert. „Durch unsere Zusammenarbeit wollen wir zeigen, dass ein Miteinander in der Gesundheitspolitik sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die Ärzteschaft und das gesamte Gesundheitssystem Vorteile bringt.“

Die Diskussion um den Ärztemangel in Vorarlberg wurde in den letzten Monaten teils emotional und auch kontrovers geführt. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Große Kassenordinationen für Allgemeinmedizin haben pensionsbedingt zugesperrt, weitere Pensionierungen stehen an, junge Ärztinnen und Ärzte sind unsicher, ob sie eine Kassenpraxis eröffnen sollen, der Personalmangel in den heimischen Krankenhäusern auch im Bereich der Pflege sowie gestiegene Erwartungen der Patientinnen und Patienten an das Gesundheitssystem. Als Gegenargument wird die hohe Zahl an Ärztinnen und Ärzten im Vergleich zu anderen Ländern genannt.

Eine konkrete Antwort auf die zentrale Frage nach dem tatsächlichen Ärztebedarf in Vorarlberg gibt es jedoch nicht. Für Ärztekammerpräsident Burkhard Walla war dies der Anlass, mit dem Land und der ÖGK gemeinsam eine Bedarfsstudie zu beauftragen. Walla betont die Bedeutung der Zusammenarbeit der drei großen Partner im Vorarlberger Gesundheitswesen: „Wir wollen aufgrund dieser Studie gemeinsam eine Handlungsgrundlage entwickeln. Voraussetzung dafür ist zunächst eine objektive, unabhängige und professionelle Analyse der Situation.“

Ärztebedarfsstudie wird gemeinsam beauftragt
Beauftragt und finanziert wird die Studie von allen drei Partnern zu gleichen Teilen. Die Entscheidung fiel auf Gesundheit Österreich GÖG (Forschungs- und Planungs-GmbH, GÖ FP), ein renommiertes Institut, das bereits 2015 im Auftrag des Landes Vorarlberg eine Analyse der ärztlichen Kapazitäten in der Niederlassung und in den Spitälern (im intra- und extramuralen Bereich) durchgeführt hat und damit über bestes Zahlenmaterial auch aus Vorarlberg verfügt. Schon damals zeichnete sich ab, dass Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner mit Kassenpraxen vor allem im ländlichen Bereich fehlen werden und dass eine Pensionierungswelle bevorsteht.

Gesundheitssystem als Ganzes betrachten
Die demographische Entwicklung in unserer Bevölkerung stellt uns alle vor Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können, betont Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher: „Zugleich verfügt Vorarlberg über ein sehr hohes Niveau in der Gesundheitsversorgung, sowohl in den Spitälern, als auch im gesamten niedergelassenen Bereich. Obwohl die Zuständigkeiten klar getrennt sind – das Land führt die Spitäler, die Selbstverwaltung mit Sozialversicherung und Ärztekammer den niedergelassenen Bereich – sehen wir, dass beide Bereiche kommunizierende Gefäße sind. Eine Lücke in einem der beiden Systeme muss automatisch vom anderen bedeckt werden.“

Manfred Brunner, Vorsitzender Landesstellenausschuss der ÖGK Vorarlberg, sieht in der Studie eine Grundlage für die Planung der ärztlichen Ressourcen für Vorarlberg in den nächsten Jahren, gerade im Hinblick auf die Entwicklung des ambulanten regionalen Strukturplans 2025 bis 2030.

Objektive Daten schaffen Fakten
Ziele der Studie sind die Darstellung der Faktenlage, aber auch eine Analyse, warum junge Ärztinnen und Ärzte sich für welche Berufslaufbahn entscheiden sowie die Erhebung der Bevölkerungsentwicklung in Vorarlberg.

So werden die Kapazitäten im niedergelassenen Bereich und in den Spitälern quantitativ dargestellt und die Einflussfaktoren auf den Bedarf an Ärztinnen und Ärzten erhoben. In der Studie wird nicht nur die exakte Zahl der Ärztinnen und Ärzte in Vollzeit-Äquivalenten festgestellt, es werden auch wesentliche Zusatzinformationen erfasst: wieviel Teilzeitstellen und in welchem Beschäftigungsausmaß, in welchen Fachbereichen, die Aufteilung zwischen Frauen und Männern, Freizeitverhalten und individuelle Berufswünsche.

In einer vertiefenden Betrachtung werden die Motive für die Entscheidungen der Ärztinnen und Ärzte für ein Fachgebiet während ihrer Ausbildung auf Basis von Fokusgruppen und Interviews erforscht. Ärztekammerpräsident Walla: „Dieser persönliche und individuelle Zugang zu den Ärztinnen und Ärzten gibt uns wichtige Aufschlüsse und Handlungsanleitungen, um rasch gegenzusteuern. Vor allem im Bereich Allgemeinmedizin erwarten wir wertvolle Informationen.“

Ärztinnen und Ärzte für Kassenstellen motivieren
Ein wichtiges Projektziel der Studie ist die Beschäftigung mit den jungen Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung und mit ihrer Motivation für die Wahl ihrer Fächer und Arbeitsstellen. Um in dieser entscheidenden Zukunftsfrage valides Datenmaterial zu erhalten, sollen möglichst alle Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung in den heimischen Spitälern befragt werden, betont Burkhard Walla: „Im Detail wird nach der regionalen Herkunft gefragt, nach dem gewünschten Fach, aber auch nach persönlichen Zukunftsplänen wie Vorstellungen zum Gehalt, zur Lebenssituation wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie und in welchem Bundesland man leben und arbeiten will. Konkret werden junge Ärztinnen und Ärzte gefragt, warum sie sich für die Allgemeinmedizin entscheiden oder warum gerade nicht. Hier liegt der Fokus auf der Bereitschaft, eine Kassenpraxis zu führen.“ 

Auch die Rahmenbedingungen sind Gegenstand der Bedarfsstudie. So werden aktuelle Entwicklungen im österreichischen Gesundheitswesen und ihr Einfluss auf die beruflichen Entscheidungen der Ärzteschaft analysiert: Zum Beispiel, welche Auswirkungen die veränderten Arbeitszeiten in den Krankenhäusern auf die Attraktivität von Kassenstellen im niedergelassenen Bereich haben.

Gemeinsamer Aktionsplan: Den richtigen Hebel ansetzen
In diese Studie werden von allen drei Systempartnern hohe Erwartungen gesetzt. Der Vorarlberger ÖGK Vertreter Manfred Brunner hält fest, dass es einerseits wichtig ist, die Beweggründe von Ärztinnen und Ärzten für eine Praxisgründung oder die Arbeit im Spital zu kennen. „Aufgrund der Studie wissen wir aber auch, an welchen Rädchen wir zusätzlich drehen müssen, damit Vorarlberg ein attraktiver Standort für Ärztinnen und Ärzte bleibt. Davon hängt entscheidend ab, ob wir unseren Versicherten auch in Zukunft eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige ärztliche Versorgung anbieten können.“

Für Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher ist klar, dass die künftigen Herausforderungen nicht nur mit mehr Personal gelöst werden können. „Es braucht auch strukturelle Veränderungen und eine klare Patientenlenkung. Kooperationsmodelle zwischen den Systempartnern werden in Zukunft dabei einen noch höheren Stellenwert erhalten. Klares Ziel ist, dass einerseits Mitarbeitende sowohl in den Vorarlberger Spitälern, als auch im gesamten niedergelassenen Bereich attraktive Arbeitsplätze vorfinden, die vorhandenen Ressourcen zielgerichtet investiert werden und vor allem Vorarlberger Patientinnen und Patienten auf eine ausgezeichnete und stabile Versorgung vertrauen können.“

Die Bereitschaft aller Systempartner, diesen Weg gemeinsamen zu gehen, ist vorhanden, wurde von allen betont. Ärztekammerpräsident Burkhard Walla bekräftigt, dass aus Sicht der Ärzteschaft mit wirkungsvollen Verbesserungen für unser Gesundheitssystem gerechnet werden. „Erst wenn wir alle Gründe für den Ärztemangel kennen, können wir ableiten, wie wir konkret gegensteuern können.“

Die Erhebungen für die Studie beginnen jetzt im November, die Ergebnisse sollen im April 2023 vorliegen.