Bundeskurie der angestellten Ärzte der Österreichischen Ärztekammer präsentierte die Ergebnisse der „Modulfragen“ aus der Ausbildungsevaluierung 2023.

Bei der bisher größten Ausbildungsevaluierung in Österreich, die jemals durchgeführt wurde, wurden nicht nur die einzelnen Abteilungen, an denen junge Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden, beurteilt – die Ergebnisse waren am 12. September von der Bundeskurie angestellte Ärzte präsentiert worden und sind hier zu finden:  Ausbildungsevaluierung (aerztekammer.at) – sondern auch die Einstellungen aller Turnusärztinnen und -ärzte zu den zwei „Modulfragen“ Arbeitszeit/Teilzeitarbeit bzw. Vereinbarkeit von Ausbildung und Privatleben abgefragt. Die zentralen und alarmierenden Ergebnisse: Es bleibt generell zu wenig Zeit für die Ärzteausbildung neben den anderen ärztlichen Tätigkeiten, auch die Vereinbarkeit von Ausbildung und Privatleben ist, so wie die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, mangelhaft. 

Generell dürfte es ein massives Problem im Zeitmanagement für die ärztlichen Tätigkeiten in unseren Spitälern geben: Die ärztliche Arbeit während der vertraglich geregelten Arbeitszeit zur eigenen Zufriedenheit erfüllen zu können, wurde zwar österreichweit mit 4,04 von maximal 6 beurteilt – aber auch das ist nur bedingt zufriedenstellend. Dagegen erhielt die Dimension, die Ausbildung in der vertraglich fixierten Arbeitszeit zur eigenen Zufriedenheit erfüllen zu können, sogar nur eine Beurteilung von 3,67. „In der Schule wäre das gerade noch ein schlechtes Genügend, das kann nicht unser Anspruch sein. Es fehlt also nicht nur Zeit für die Patienten, es fehlt auch ganz massiv Zeit für die Ausbildung – wir befinden uns in einer Negativspirale, die wir schleunigst stoppen müssen. Alle Alarmglocken schrillen. So ist unsere Gesundheitsversorgung gefährdet – nicht nur jetzt, sondern vor allem für die Zukunft“, erläutert Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. In manchen Bundesländern, wie etwa Wien und Vorarlberg, kam die Zeit für die Ausbildung sogar nur auf Werte von 3,41 und 3,50.

Zu wenig Zeit für Ausbildung bei Turnusärzten, aber auch Fachärzten
„Fazit ist, es bleibt keine Zeit zu lehren, obwohl sich die Ärztinnen und Ärzte das wünschen. Das betrifft sowohl die Ärztinnen und Ärzte, die lernen wollen, aber auch jene, die lehren“, bilanziert auch Stefan Ferenci, stellvertretender Bundeskurienobmann und Obmann der Bundessektion Turnusärzte. „Wenn wir aber unseren jungen Ärztinnen und Ärzten nicht die bestmögliche Ausbildung auch in Abstimmung mit ihrem sonstigen Berufs- und Privatleben zu attraktiven Bedingungen anbieten können, werden wir sie ans benachbarte Ausland verlieren.“ Um das zu verhindern, müsse man konkrete Zukunftsperspektiven ermöglichen, wie das Zulassen moderner Work-Life-Balance Modelle, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts und den Bedürfnissen unterschiedlicher Lebenssituationen entsprechen. 

Bittere Realität
Die Ist-Situation sieht anders aus, denn auch die Modulfrage zur Vereinbarkeit von Ausbildung und Privatleben kommt über ein „Genügend“ nicht hinaus: Im österreichweiten Schnitt wurde die Vereinbarkeit von Ausbildung und Privatleben mit 3,94 beurteilt, nur ganz wenige Fächer kamen über 4,0 hinaus – am besten schnitt die Anästhesiologie und Intensivmedizin mit 4,18 ab. „Das ist die bittere Realität. So stellen sich die Ärztinnen und Ärzte von heute und von morgen ihr Lebensmodell sicher nicht vor, diese Fakten werden kaum dazu motivieren, den Arztberuf in Österreich zu ergreifen. Das Problem mit den Medizinabsolventen, die bei uns nicht die Ausbildung beginnen, ist seit Jahren bekannt“, sagt Mayer. Ferenci warnt: „Eine postgraduelle Ausbildung in hoher Qualität durchzuführen und gleichzeitig der Forderung der jüngeren Generation nach einer besseren Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie nachzukommen, ist ein sehr schwieriger Spagat. Dieser muss uns aber unbedingt gelingen, um zu gewährleisten, dass sich auch in Zukunft top-ausgebildete Ärztinnen und Ärzte um unsere Patienten kümmern. Mindestens 20 Prozent der gesetzlich geregelten Arbeitszeit sollten für echte Ausbildung reserviert sein. Die Zeiten, in denen man 80 Stunden gearbeitet und in diesen Mehrstunden die Ausbildung abgehandelt hat, sind Gott sei Dank vorbei.“

Luft nach oben, so die BKAÄ-Vertreter, gebe es auch bei der Kinderbetreuung innerhalb des Spitals – hier gab es österreichweit eine ebenfalls nicht sehr zufriedenstellende Bewertung von 4,64, wobei Kärnten (4,94) und Niederösterreich (4,93) noch die besten Werte erzielten. Mayer: „Alles, was unter 5,0 liegt, ist nicht akzeptabel, wir werden uns als Standesvertretung dafür einsetzen, dass die Angebote der arbeitsplatznahen Kinderbetreuung deutliche verbessert werden. Medizin wird weiblicher und Kindererziehung betrifft zum Glück mittlerweile auch Männer. Hierauf müssen die Arbeitgeber aber entsprechend agieren und ausreichend Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen!“

Der offene Wunsch nach Teilzeit
Während der ärztlichen Ausbildung arbeiten österreichweit momentan rund zehn Prozent der Ärztinnen und Ärzte Teilzeit. Wenn es nach den Wünschen der jungen Ärzteschaft ginge, würden aber gern insgesamt rund 23 Prozent in Teilzeit arbeiten. Denn 13 Prozent gaben in der Ärzteausbildungsevaluierung zur Modulfrage „Arbeitszeit/Teilzeit“ an, schon versucht zu haben, das Arbeitspensum zu reduzieren – allerdings ohne Erfolg.

Für den Wunsch nach Teilzeit werden hauptsächlich familiäre Gründe angegeben – zum Beispiel Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen. „Wie groß der Faktor Teilzeit ist, zeigt auch, dass 42 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer angeben, dass die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, auch die Wahl des Faches beeinflusst. Gleiches gilt zu 47 Prozent bei Frauen und 28 Prozent bei Männern bei der Wahl des Arbeitsortes in Verbindung mit einer möglichen Teilzeitbeschäftigung“, fasst Mayer zusammen. Ein weiteres Learning aus den Resultaten ist, dass noch immer die Frauen mit extrem großer Mehrheit jene sind, die in Teilzeit arbeiten, um die Familienangelegenheiten zu übernehmen. „Ein Armutszeugnis! Wir werden uns als Bundeskurie angestellte Ärzte weiter dafür einsetzen, dass dieser Gap, aus welchen Gründen auch immer er noch immer so massiv besteht, deutlich verkleinert wird“, unterstreicht Ferenci.

Die Zeit – ein wertvolles Gut
„Die Ergebnisse zeigen global betrachtet vor allem eines: Die Zeit zum Lernen und Lehren ist eines der wertvollsten Güter unseres Arbeitslebens, allein, wir haben zu wenig davon – insbesondere in unseren Spitälern. Zu wenig Zeit für die eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten, weil unsere Ärztinnen und Ärzte noch immer viel zu viele nicht-ärztliche, bürokratische Aufgaben übernehmen müssen. Zu wenig Zeit für die Ausbildung, was demotivierend wirkt. Und das alles ergibt zusammengerechnet zu wenig Zeit, um sich um die Patientenversorgung zu kümmern bzw. um ausreichend Ressourcen für diese freimachen zu können“, bilanziert der BKAÄ-Obmann.

„Wir wiederholen uns gerne, denn das fordern wir bereits seit Jahren: Die Ressourcen in den Spitälern müssen am besten heute noch drastisch erhöht werden – beim Personal, indem zum Beispiel an jeder Abteilung, an der ausgebildet wird, mindestens ein Ausbildungsoberarzt installiert wird, und indem man offene Dienststellen endlich besetzt und diese Lücken nicht wieder aufklaffen lässt. Aber auch finanziell, indem man leistungsgerechte Gehälter für unsere Spitalsärzte im Vergleich zu den Gehältern im Ausland garantiert – und zeitlich, indem das KA-AZG ohne versteckte Überstunden eingehalten werden kann und flexible, den jeweiligen Lebensumständen angepasste Teilzeitmodelle zulässt“, fordert die Kurienspitze.