ÖÄK, Apothekengesetz

Der Entwurf zur Reform des Apothekengesetzes, der in Begutachtung ist, wirft bei Ärztinnen und Ärzte organisatorische, medizinische und gesundheitspolitische Fragen auf. Laut dem Entwurf zur Novelle des Apothekengesetzes sollen Apotheken künftig
Medikationsanalysen und einfache Gesundheitstests wie zum Beispiel Blutdruck- oder Blutzuckermessungen, aber auch Analysen von Harnproben und anderen körpereigenen Stoffen, sowie Venenmessungen durchführen. Zudem soll die Einrichtung von ausgelagerten Abgabestellen und Filialapotheken erleichtert und die Öffnungszeiten ausgedehnt werden.

Den letzten Punkt beurteilt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, als positiv: „Die geplante Ausweitung der Apotheken-Öffnungszeiten ist ein Schritt in die Richtung besserer Serviceleistungen“, sagt er. Das sei aber auch das einzig Positive an der Novelle. Besonders kritisch sieht Steinhart die Argumentation in der Politik, dass durch die Kompetenzerweiterung in den Apotheken der niedergelassene Bereich entlastet wird: „Die Entlastung des niedergelassenen Bereichs erfolgt nicht über die vermeintliche Kompetenzerweiterung bei Apotheken, sondern über einen Ausbau der Kassenärztestelle, der bis heute nicht erfolgt ist“, kritisiert er. Die Auslagerung von bestimmten Tests an die Apotheken sei jedenfalls der falsche Weg: „Ein Pharmazeut ist kein Arzt, der seine Patienten nun einmal am besten kennt und daher bestens versorgen kann“, betont der ÖÄK-Präsident. „Alleine diese Gesundheitstests durch nicht-ärztliches Personal als Verbesserung für die wohnortnahe Versorgung zu bezeichnen, ist entlarvend“, sagt Steinhart.

Folgen für die ärztliche Versorgung
Irritierend sei zudem, dass es vorab keine Kommunikation über die Reformüberlegungen mit der Ärzteschaft gegeben habe: „Beim gemeinsamen Ziel, die öffentliche Gesundheitsversorgung zu stärken, sollte eigentlich klar sein, dass wir Ärzte als unmittelbar Betroffene bei entsprechenden Gesprächen eingebunden werden“, sagt Steinhart. Immerhin werde durch die Novelle auch unmittelbar Einfluss auf die ärztliche Versorgung genommen. Steinhart verweist damit auf die geplante Erleichterung beim Betreiben von Filialapotheken: „Das wird nur die wirtschaftlichen Interessen einiger weniger Apotheken unterstützen, gleichzeitig aber die hausärztliche Versorgung der Bevölkerung am Land in Gefahr bringen“, sagt er. Das Risiko durch diese neue Regelung sei, dass nun vielerorts „Apotheken light“ öffnen würden, wodurch ärztliche Hausapotheken im Umkreis geschlossen werden müssten oder gar keine entstehen könnten: „Wenn ärztliche Hausapotheken den wirtschaftlichen Interessen der öffentlichen Apotheken weichen müssen, dann lasen sich auch die Kassenstellen nicht mehr nachbesetzen“, warnt Steinhart.

Die Filialapotheken seien eines der größten Probleme bei der Novelle, betont auch Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Ärztliche Hausapotheken sind insbesondere für Landärzte wesentlich, wenn diese nicht möglich sind, dann wird das nur den Kassenärztemangel verschärfen“, betont er. Eine rezente Studie habe gezeigt, dass gerade die Ausweitung von ärztlichen Hausapotheken bis zu 400 Kassenstellen bringen würden.

Offene Fragen
Die geplante Novelle werfe darüber hinaus viele Fragen in der Praxis auf, betont Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte.

Medikationsanalyse
So sei eine Medikationsanalyse in der Apotheke aus ärztlicher Sicht wenig sinnvoll. Zwar würden Pharmazeuten in ihrem Studium lernen, wie man Medikamente herstellt, wie sie wirken und welche Nebenwirkungen sie besitzen. Das allein genüge aber nicht, betont Wutscher: „Denn für die Bewertung der Kontraindikationen ist die Information notwendig, welche für die Medikation relevanten Erkrankungen und Konstellationen beim Patienten vorliegen – und über diese weiß nun mal der behandelnde Arzt am besten Bescheid“, sagt er. Blutwerte, die Patientengeschichte, mögliche sensible medizinische Informationen wie psychische Probleme – der Arzt des Vertrauens habe hier auch das umfassendste Bild über den Patienten: „Gerade sensible medizinische Probleme werden wohl eher in der Ordination bei einem behandelnden Arzt als in einer Apotheke besprochen“, sagt Wutscher. Damit können aber Apotheker beispielsweise Wechselwirkungen zwischen Antidepressiva oder Potenzmitteln und Antibiotika nicht in vollem Umfang beurteilen, weil ihnen dafür sensible Informationen fehlen. Es stelle sich auch die Frage nach der Verschwiegenheit in den Apotheken.

Umgang mit positiven Testergebnissen/Aussagekraft
Was ist die Konsequenz aus einem positiven Testergebnis? Wie erfolgt die weitere Beratung der Patienten? Die Folge sei, so Wutscher, verunsicherte Patientinnen und Patienten, die letztendlich wieder das Gespräch mit dem Arzt ihres Vertrauens suchen würden: „Damit hat der Test in der Apotheke per se keinen Mehrwert oder hat zu einer Entlastung geführt“, resümiert Wutscher. Zu bedenken sei allgemein die Aussagekraft der Gesundheitstests und ob diese in nüchternem oder nicht nüchternem Zustand durchgeführt worden seien.

Patientendokumentation
Wie erfolgt die Dokumentation bei den einfachen Gesundheitstests? Wie können Ärztinnen und Ärzte auf die Informationen aus den Apothekern zugreifen? Das würde die Arbeit des Arztes erschweren bzw. zu Doppelgleisigkeiten führen, sagt Wutscher: „Der Arzt benötigt für die Rundum-Versorgung seines Patienten alle verfügbaren Daten und Informationen – wenn er diese nicht hat, dann kann es dazu kommen, dass ein Patient die gleichen Tests, die er in der Apotheke gemacht hat, wiederholen muss.“

Datenschutz und Qualitätskontrolle
Zusätzlich zu der Frage nach der Patientendokumentation stellt sich die Frage nach dem Datenschutz: „Medizinische Daten sind hoch sensible Daten, mit denen sorgsam umzugehen ist“, betont Wutscher. Was die Qualitätskontrolle betreffe, gebe es diese intern und extern in jeder Ordination: „Wie wollen das die Apotheken sicherstellen?“.

Apothekengesetz anders novellieren
Dass die Novelle des Apothekengesetzes als Entlastung der Ärztinnen und Ärzte angepriesen werde, sei für ihn weder fachlich noch empathisch nachvollziehbar, kritisiert Silvester Hutgrabner, Leiter des ÖÄK-Referats für Hausapotheken und Medikamentenangelegenheiten: „Diese Novelle richtet sich ganz klar auch gegen die Bevölkerung, weil es zu einer dramatischen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung kommen wird.“ Auch er kritisiert besonders, dass es durch die Novelle zukünftig leichter werde, Filialapotheken zu führen. Einseitige Erweiterungen der Geschäftstätigkeit durch Filialapotheken und ausgedehnte Geschäftszeiten dürften nicht zu Lasten der ärztlichen Hausapotheken und somit der medizinischen Versorgung der tatsächlich ortsansässigen Bevölkerung gehen.

Man dürfe nicht vergessen, dass ärztliche Hausapotheken in Gemeinden bis zu 3.000 Einwohnern die Hauptlast der Arzneimittelversorgung in den österreichischen ländlichen Gemeinden tragen, betont Hutgrabner: In ebenjenen Gemeinden stellen mehr als 700 ärztliche Hausapotheken die Medikamentenversorgung der Bevölkerung sicher, verglichen mit weniger als 170 öffentliche Apotheken. Eine Verdrängung ärztlicher Hausapotheken führe immer zu einer Verschlechterung der Versorgungslage. Hutgrabner verweist zudem auf eine rezente Studie, wonach ärztliche Hausapotheken den Kassenärztemangel verringern könnten.

Bereits vor vier Jahren ist die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in einer Analyse zum Schluss gekommen, dass der Betrieb einer ärztlichen Hausapotheke ein wesentlicher Aspekt für die Attraktivität einer Kassenordination eines Landarztes ist. Laut der
Bundeswettbewerbsbehörde führen die wettbewerbsrechtlich unterschiedliche Behandlung von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken weder zur Verbesserung der Versorgungssicherheit noch zur Sicherstellung eines Qualitätsniveaus, das bei der Verabreichung von Medikamenten erforderlich ist. Daher empfiehlt die Behörde eine Deregulierung der derzeit geltenden Kilometerbestimmungen.

Novelle nötig, aber anders
Eine Novelle des Apothekengesetzes müsse daher das Ziel haben, die Einschränkungen für die ärztlichen Hausapotheken aufzulassen. Im Apothekengesetz ist dazu festgehalten, dass im Umkreis von vier Straßenkilometern einer öffentlichen Apotheke gar keine ärztlichen Hausapotheken bewilligt werden, im Umkreis zwischen vier und sechs Kilometern nur in Form einer Nachfolgepraxis. Konsequenterweise müssen auch langjährig bestehende ärztliche Hausapotheken geschlossen werden, wenn innerhalb von vier Kilometern eine Konzession für eine neue öffentliche Apotheke erteilt wird. Eine Rücknahme der Hausapothekenbewilligung habe aber in den meisten Fällen die Abwanderung ortsansässiger Ärzte zur Folge: „Kassenplanstellen können nicht besetzt werden, weil Ärzte ihre Patienten – etwa bei Hausbesuchen – nicht mit Medikamenten versorgen dürfen“, sagt Hutgrabner. Den Ärzten im ländlichen Raum dies Möglichkeit der direkten, schnellen und unkomplizierten Medikamentenversorgung zu nehmen, aber gleichzeitig ausgelagerte Abgabestellen und Filialapotheken zu ermöglichen, sei daher fatal.

Eine Liberalisierung der derzeitigen Gesetzeslage würde dazu führen, den Kassenärztemangel im ländlichen Raum zu reduzieren und fördere ein duales System mit einem friedlichen Nebeneinander von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken. Die Lösung für die Verbesserung der derzeitigen Situation mit dem Kassenärztemangel sei daher die Streichung der gesetzlichen Regelung zur verpflichtenden Zurücknahme der Hausapotheken-Bewilligung (§29 Absatz 3 Apothekengesetz).