ÖÄK, Gesundheitsreform

Die kolportierten Inhalte der Finanzausgleichsverhandlungen sind aus Sicht der Österreichischen Ärztekammer problematisch und würden Fehlentwicklungen fördern.

Problematisch sei schon der Weg ihres Zustandekommens: „Die Ärztekammer saß bei diesem Prozess nicht am Verhandlungstisch und konnte ihre Expertise nicht einbringen. Verhandelt wurde also über die ärztliche Versorgung, und nicht mit den ärztlichen Versorgern“, kritisiert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer im Rahmen eines Pressegesprächs.

„Die Politik will sich offensichtlich nicht mit unseren Argumenten auseinandersetzen. Doch die Nichtberücksichtigung unserer Empfehlungen hat sich in der Vergangenheit schon vielfach gerächt. Ich nenne hier als ein prominentes Beispiel die aktuelle Ärzteknappheit und den bevorstehenden Ärztemangel, vor dem wir seit gut einem Jahrzehnt immer wieder nachdrücklich warnen“, erinnert Steinhart. Viele Jahre lang seien die Warnungen und Prognosen der Ärztekammer in den Wind geschlagen worden, die immer gravierendere Fehlentwicklung von der Politik schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen oder sogar verneint worden, wodurch wertvolle Zeit für Gegenmaßnahmen ungenützt blieb. Steinhart: „Wir Ärztinnen und Ärzte sind an der vordersten Front der Gesundheitsversorgung aktiv und wissen, was gut funktioniert und was nicht. Dass die Politik auf dieses Wissen verzichtet, ist mehr als nur befremdlich.“

Dazu passe ins Bild, dass die aktuell vorliegenden Texte ohne Begutachtungsverfahren beschlossen werden sollen. „Kritik an einzelnen Bestimmungen soll also gar nicht erst ermöglicht werden. Inklusive Politik und kompetente Entscheidungsfindung schauen anders aus“, ist Steinhart empört. Aber nicht nur die Art und Weise des Zustandekommens dieser Vereinbarung sei aus Sicht der Ärztekammer fragwürdig. „Fragwürdig ist auch der in der Vereinbarung offensichtlich festgeschriebene politische Wille, auch künftig die Mitsprache der Ärztevertretung bei Fragen der Gesundheitsversorgung drastisch zu kappen“, so der ÖÄK-Präsident.

Keine Mitsprache mehr
Durch die 15a-Vereinbarungen sollen die Mitsprache und die Kompetenzen der Ärztevertretung konsequent zurückgedrängt oder gänzlich abgeschafft werden, erklärt Johannes Zahrl, Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer.  Beispiele seien etwa die Möglichkeit der Ausschreibung einer Kassenstelle und die Möglichkeit von Sondervereinbarungen zum Einzelvertrag ohne Zustimmung der Ärztekammer. Zudem würde die Kündigung des Einzelvertrags mit einer Kasse die Beendigung aller bestehenden Kassenverträge nach sich ziehen sowie das Einvernehmens mit der Ärztekammer bei beabsichtigter Errichtung, Erwerbung oder Erweiterung von Kassenambulatorien wegfallen. Ein weiterer Kritikpunkt, so Zahrl, sei der Verlust der Stellenplankompetenz: Geplant sei lediglich eine Konkretisierung der örtlichen Verteilung nach Vorgabe der Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG). Bislang trafen die ÖGK mit der jeweils zuständigen Ärztekammer die Entscheidung über die Verortung der Stellen bzw. die Schaffung neuer Stellen gemeinsam.

Folgen für die Patientenversorgung
Was diese Einschnitte in der Praxis bedeuten würden, sei katastrophal, betont Dietmar Bayer, stellvertretender Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Österreichischen Ärztekammer. „Die Sozialpartnerschaft wurde uns mit dem vorliegenden Entwurf der 15a-Vereinbarung aufgekündigt“, lautete sein erschütterndes Urteil: „Dieser 15a-Entwurf steht nicht für deine Verbesserung der Versorgung, sondern für Kontingentierung und einen Sparkurs.“ Von den 300 Millionen Euro für den niedergelassenen Bereich würden abzüglich der Vorsorgeuntersuchungen nur 200 Millionen Euro übrigbleiben, was beim Gesamtbudget nicht einmal den Inflationsausgleich bedeuten würde. „Diese 200 Millionen werden dann wohl zur Finanzierung der neu zu schaffenden Ambulatorien hergenommen“, so Bayer. Der Verlust der Parteienstellung im Ambulatoriumsverfahren macht es deutlich leichter für Konzerne, Ambulatorien zu gründen. „Wer wissen will, wohin das führen kann, braucht nur einmal in unsere Nachbarländer zu schauen: In der Schweiz ist eine Supermarktkette mittlerweile der größte Anbieter von Hausarztmedizin und in Deutschland gehört ein guter Teil der Zahnarztpraxen bereits einer Kaffeerösterei“, so Bayer. Es drohe eine Behandlung nach ökomischen statt nach medizinischen Gesichtspunkten. „Auf der Strecke bleiben die Patientinnen und Patienten, deren Behandlung sich aus verschiedenen Gründen nicht mehr ‚rechnet‘ – und natürlich unser gesamtes solidarisches Gesundheitssystem“, warnt Bayer.

Mit der Schaffung von Einzelverträgen mit Sondervereinbarungen auch ohne Zustimmung der Ärztekammer und der Abschlussmöglichkeit von Kassenverträgen außerhalb des Gesamtvertrages werde der Gesamtvertrag insgesamt obsolet, betont Bayer: „Wer sollte unter diesen Bedingungen dann noch ins Kassensystem wechseln?“

Klare Forderungen
„Die dargelegten Entwicklungen sind aus unserer Sicht besorgniserregend, weil einerseits damit Riesenschritte in die Richtung einer ungezügelten Staatsmedizin unternommen und andererseits auch Einfallstore für eine gewinnorientierte Konzernmedizin geöffnet werden“, warnt Steinhart. Politisierung, Bürokratisierung und Konzernisierung des Gesundheitswesens – das würden etwa die Beispiele England und Deutschland sehr klar zeigen – würden so gut wie immer zulasten der Qualität der Gesundheitsversorgung gehen, so der ÖÄK-Präsident. Die klaren Forderungen der Österreichischen Ärztekammer seien daher:

  • Konsequente Einbeziehung der Ärztevertretung in die gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse
  • Rücknahme des Verlustes von Kompetenzen und Mitsprache der Ärztekammer in der 15a Vereinbarung
  • Keine weitere Politisierung, Bürokratisierung und Konzernisierung des Gesundheitswesens