Wir brauchen Lösungen statt Machtdemonstrationen
VORARLBERG, GESAMTVERTRAG
Vorarlberger Ärztekammer wehrt sich gegen Entmachtungs-Fantasien
Mit den jüngsten Äußerungen der Bundesregierung sehen Burkhard Walla, Präsident der Ärztekammer für Vorarlberg, und Alexandra Rümmele-Waibel, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte, die bisher solidarische Systempartnerschaft im Gesundheitswesen endgültig zerbrechen – zum Leidwesen nicht nur der Ärzteschaft, sondern vor allem auch der vielen Patientinnen und Patienten.
Sollten sich Ärztekammer und ÖGK nicht bald auf einen österreichweit einheitlichen Gesamtvertrag einigen können, schlägt der Rechnungshof offenbar in einem nur den Medien zugespielten Rohbericht zur „Ärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich 2018 bis 2023“ eine Gesetzesänderung zur Entmachtung der Landesärztekammern vor. Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig will diese Empfehlung ernst nehmen und schließt eine entsprechende Gesetzesinitiative nicht aus. „Dieses Ansinnen erinnert mehr an Autokratie als an Demokratie“, kritisiert Präsident Walla: „Wir brauchen eine partnerschaftliche Lösung und keine einseitige Machtdemonstration.“
Die Behauptung, die Landesärztekammern würden einen österreichweit einheitlichen Gesamtvertrag verhindern, entbehrt jeglicher Grundlage, sagt Kurienobfrau Rümmele-Waibel: „Es ist nicht einzusehen, dass bei der ÖGK versicherte Menschen ein und dieselbe medizinische Leistung in einem Bundesland bezahlt bekommen, in einem anderen aber nicht. Deshalb machen wir uns auch für einen einheitlichen Leistungskatalog stark.“ Schon seit 2020 liegt der ÖGK ein solcher vor – erarbeitet von mehr als 200 Ärztinnen und Ärzten aus allen Landesärztekammern und Fachrichtungen. Dieser Katalog wurde seither mehrfach präsentiert: der Öffentlichkeit, mehreren Gesundheitsministern und den Spitzen der ÖGK. „Das nützt aber nichts, die Gesundheitskasse hat zu wenig Geld und will daher auch keine in Zukunft wichtigen medizinischen Leistungen in ihr Angebot aufnehmen“, ärgert sich die Kurienobfrau: „Stattdessen sind wir von der ÖGK sogar aufgefordert worden, bisher angebotene Leistungen aus Kostengründen zu streichen oder zumindest zu reduzieren.“ Vorarlberger Patientinnen und Patienten bekommen das heute schon zu spüren.
Eklatantes Defizit der Kasse
Die Landesärztekammern hier als Blockierer hinzustellen, ist nachweislich falsch, sagt Präsident Walla. Das gilt auch für die bundesweite Angleichung der kassenärztlichen Honorare – eine solche funktioniert allerdings weder mit einem zentralistischen Pauschalsystem, noch mit der angedrohten gesetzlichen Brechstange. Dass kassenärztliche Leistungen in Vorarlberg von der ÖGK zum Teil besser abgegolten werden als etwa im Burgenland oder in der Steiermark, hängt auch mit den hierzulande deutlich höheren Miet- und Immobilienpreisen für die Ordinationen und den generell höheren Lebenserhaltungskosten zusammen. „Eine österreichweit einheitliche Honorierung der Kassenärzte würde sich aufgrund des eklatanten Defizits der ÖGK wohl am unteren Ende des bundesweiten Spektrums orientieren“, befürchtet Kammerpräsident Walla, „auf die Vorarlberger Kassenärztinnen und -ärzte kämen damit wohl Einkommensverluste von rund 25 Prozent zu.“
Die Folgen wären fatal: Etliche Medizinerinnen und Mediziner würden dann wohl ihre Kassenverträge kündigen und ins Wahlarztsystem oder gleich ins Ausland abwandern. Noch weniger Kassenpraxen würden neue Patientinnen und Patienten aufnehmen, die Wartezeiten auf einen Haus- oder Facharzttermin würden noch länger werden und die Spitalsambulanzen würden noch stärker frequentiert. Dieses Problem hat auch die Vorarlberger Landesregierung erkannt, Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher hat schon im vergangenen Jahr vor möglichen negativen Folgen für die heimischen Patientinnen und Patienten gewarnt. (Siehe auch online HIER). Kammerpräsident Walla hofft in dieser Angelegenheit weiter auf politische Schützenhilfe aus Bregenz.
Die Entmachtungs-Fantasien aus Wien lenken vom eigentlichen Problem ab: Die ÖGK ist aufgrund interner Turbulenzen und Umstrukturierungen derzeit mit sich selbst beschäftigt und steht mit ihrem massiven Budgetdefizit offenbar vor unüberwindbaren Herausforderungen. „Unsere Position ist und bleibt hier eindeutig“, sagt Walla: Die Rahmenbedingungen im Kassenbereich müssen österreichweit deutlich verbessert werden – durch gerechte Honorierung, faire Arbeitsbedingungen und eine echte Aufwertung des Berufs. Nur so bleibt das Kassensystem attraktiv und genügend Ärztinnen und Ärzte sind bereit, Verantwortung im solidarischen Gesundheitssystem zu übernehmen. Walla erinnert daran, dass bereits derzeit einige Kassenstellen im Land nicht besetzt werden können. Gerade für Vorarlberg gilt deshalb: „Ein österreichweiter Gesamtvertrag muss eine Aufwertung darstellen. Die Herausforderungen sind enorm, wir sind jederzeit verhandlungsbereit. Es ist daher dringend notwendig, dass alle Systempartner an einem Strang ziehen – das sind wir der Bevölkerung schuldig und hier appellieren wir vor allem an die ÖGK und die Politik“, sagt Präsident Walla.
Dazu müsse aber auch transparent und wahrheitsgetreu verhandelt werden, sagt RümmeleWaibel mit Verweis auf ÖGK-Chef Peter McDonald, der weiterhin einen Solidarbeitrag der Kassenärztinnen und Kassenärzte fordert. Dabei gehe es ihm nicht um Einkommenseinbußen, sondern nur um etwas geringere Einkommenssteigerungen. Die Kurienobfrau erinnert daran, dass es für Kassenärztinnen und -ärzte für das laufende Jahr seitens der ÖGK nicht einmal das Angebot einer Inflationsabgeltung gibt, von Einkommenssteigerungen sei man meilenweit entfernt, auch von den geringsten.