GESUNDHEITSSYSTEM

Im laufenden Jahr wurden und werden allerlei Jubiläen gefeiert, zahlreiche Gedenken an zeithistorische Ereignisse begleiten uns. Die meisten von ihnen haben mit Freiheit zu tun, mit der Linderung der Not, und stellen dabei eine menschliche Verhaltensweise in den Vordergrund, ohne die es damals wohl nicht oder nur kaum gegangen wäre: das solidarische Handeln, das verantwortungsbewusste Miteinander, das uns aus dunklen Zeiten herausgeführt hat. Ich möchte heute nur ein Jahresjubiläum ergänzen, dessen heuer im November gedacht werden sollte.

1895, vor 130 Jahren, entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen die nach ihm benannten Röntgenstrahlen, die die medizinische Bildgebung und damit die Diagnostik, in weiterer Folge auch die Therapie revolutioniert hat. Was bis dahin verborgen im Inneren lag, wurde plötzlich sichtbar, ganz ohne invasiven Eingriff. Würde man heute das Gesundheitssystem einem solchen tiefgehenden Einblick unterziehen, würde man allerdings eines kaum oder gar nicht zu Gesicht bekommen: das solidarische Handeln, das verantwortungsbewusste Miteinander.

Sehen würde man stattdessen ein System mit vielen losen Enden, die sich immer mehr voneinander weg bewegen anstatt sich zu einem harmonischen Ganzen zu verknüpfen. Ein System, das längst reformiert gehört, das man aber stattdessen nur dadurch weiter am Leben zu erhalten versucht, indem man hier und dort ein paar Schrauben dreht. Auf Dauer wird das nicht funktionieren. Vor allem deshalb nicht, weil man zunehmend mehr Systempartner außen vorlässt, anstatt deren Expertise einzubeziehen.

Das verantwortungsbewusste Miteinander ist im Gesundheitssystem verlorengegangen, so scheint es jedenfalls. Auch die Solidarität findet man selbst bei einem tiefen Blick ins Innere des Gesundheitssystems kaum noch. Vor allem die Solidarität mit jenen Menschen, die auf ein funktionierendes System angewiesen sind. Diese verkommen zusehends zu Kostenfaktoren, medizinische Versorgung wird von betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig gemacht, ganz nach dem Motto: Geht’s der Wirtschaft schlecht, geht’s den Patienten schlecht. Die überbordende Bürokratie tut ein Übriges.

Unser Gesundheitssystem, einstmals eines der besten weltweit, verkommt immer mehr zum Spielball der Politik in ihrem Bemühen nach einer Budgetkonsolidierung. Dies und jenes sollten Ärzte aus Kostengründen nicht mehr untersuchen oder gar verschreiben, hier und dort sollten medizinische Leistungen nicht mehr ganz so üppig erbracht werden, hüben wie drüben sollte mit weniger oder zumindest billigerem Personal ebenso über die Runden zu kommen sein. Die Politik hat das Geld verprasst, am Patienten und am Gesundheitspersonal soll jetzt gespart werden.

Man darf gespannt sein, welche historische Daten in weiteren 130 Jahren angeführt werden. Eines davon könnte lauten: 2025, das Jahr, in dem in Österreich der Zusammenbruch des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems seinen Anfang genommen hat. Das solidarische Handeln, das verantwortungsbewusste Miteinander für die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten ist der Grundpfeiler unseres Gesundheitssystems, das Bruttoinlandsprodukt darf hier nicht zum Gradmesser für gewährte oder verweigerte Leistung werden. Dessen sollten sich alle politisch Verantwortlichen in Gemeinden, Städten, Land und Bund bewusst sein – oder werden.