SOLIDARBEITRAG

Es ist nicht einzusehen, dass Kassenärztinnen und Kassenärzte für die miserable Performance von Politik und Gesundheitskasse jetzt bezahlen sollen. Noch dazu ohne Konsequenzen für die Verantwortlichen. Der von der ÖGK eingeforderte Solidarbeitrag ist daher rundherum abzulehnen.

Es war ein politisches Machtspiel, deren fatale Folgen für die Betroffenen erst jetzt so richtig klar werden: Mit der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse haben Türkis und Blau die Arbeitgeberseite im Kassen-Management gestärkt, die Arbeitnehmerseite geschwächt. Postenbesetzungen in Verwaltungsgremien erfolgten nach Parteibuch und Günstlingspolitik. Aus der verheißenen Patientenmilliarde wurde ein Milliardendefizit.

Die von der ÖGK jetzt vorgebrachten Erklärungen dafür machen wütend und sprachlos: Dass die Bevölkerung älter wird und mehr ärztliche Leistungen beansprucht, weiß man seit Jahren, niemand hat reagiert. Dass Medizintechnik und Therapien zusehends teurer werden, weiß man seit Jahren, niemand hat reagiert. Dass ein Finanzierungssystem über Sozialversicherungsbeiträge, also über das Bruttoinlandsprodukt, in wirtschaftlich schlechten Zeiten zur Herausforderung wird, weiß man seit Jahren, niemand hat reagiert. Dass ein von der Politik mit Wahlzuckerln angeheiztes Anspruchsdenken der Bevölkerung zu steigenden Arztfrequenzen führt, weiß man seit Jahren, niemand hat reagiert. Für die ÖGK, so scheint es, sind diese Entwicklungen jetzt aber völlig überraschend.

Heute, nachdem die Verantwortlichen in Kasse und Politik jahrelang weggeschaut und die Warnungen von Ärzteschaft und Gesundheitsökonomen ignoriert haben, verlangt die ÖGK zum Stopfen ihres Finanzlochs einen Solidarbeitrag von den Kassenärzt:innen – für heuer und auch für nächstes Jahr.

Unerwähnt bleibt dabei die Tatsache, dass Kassenärzt:innen bereits in den vergangenen Jahren bei den Honorarvereinbarungen unterhalb der jeweiligen Inflation geblieben sind – das hat es in keiner anderen Berufsgruppe gegeben. Unerwähnt bleibt auch die Tatsache, dass die meisten Kolleg:innen vor allem zu Infektionszeiten weit über ihr Limit hinaus arbeiten, die Honorare aber mit steigenden Patientenzahlen gedeckelt sind – ein Teil ihrer Mehrarbeit für die Bevölkerung ist also bisher schon nicht bezahlt worden. Unerwähnt bleibt weiters die Tatsache, dass die von der ÖGK jetzt erhobene Forderung nach einem weiteren Solidarbeitrag die Attraktivität von Kassenstellen stark verringert – wir haben jetzt schon etliche offene Kassenstellen im Land, die nicht oder nur ganz schwer nachbesetzt werden können.

Für das finanzielle Debakel der ÖGK sind Kasse und Politik verantwortlich. Anstatt auf entsprechende Warnungen und Ratschläge der Ärztekammer zu hören, haben Politik und ÖGK die Standesvertretung in jüngster Vergangenheit immer stärker geknebelt und aus der Sozialpartnerschaft hinausgedrängt. Den Schwarzen Peter jetzt den Kassenärzt:innen zuzuschieben, ist unverfroren und verantwortungslos. Gibt es wieder einen Dialog auf Augenhöhe, ist die Ärzteschaft gerne bereit, an Lösungen für die aktuellen Problemen mitzuwirken – und zwar an solchen, die für alle tragbar sind.