Gesundheitssystem

Die aktuelle Vorwahlstimmung lässt nichts Gutes ahnen. Wird doch das Gesundheitssystem und die Versorgung der Patient*Innen vermutlich eines der zentralen Wahlkampfthemen im kommenden Jahr. Bereits die Verhandlungen um die Art. 15a-Vereinbarungen machten deutlich, dass sich die Länder  für die Versorgung verantwortlich fühlen und noch mehr Verantwortung übernehmen wollen. Nur so ist es zu verstehen, dass der Großteil des zusätzlichen Geldes zur Stärkung der niedergelassenen Versorgung an die Länder geht, die glauben neue, zusätzliche Strukturen aufbauen zu müssen, ohne abzusehen, wie sie die entsprechenden Personalressourcen dafür stemmen können. Auch die Idee, über den Landesgesundheitsfonds Vorsorgeprojekte wie aktuell die Koloskopievorsorge in Wien zusätzlich zu  den Angeboten der Sozialversicherungen auszuschreiben ist Zeichen dafür, dass manche Länder meinen, es besser zu können als die Kassen..

Unabhängig davon, ob es klappt (und das muss bezweifelt werden, weil zumindest die Koloskopeure nicht unendlich und rasch vermehrbar sind) ist jedenfalls  eine klare Konsequenz, dass die (Landes-)politik dadurch immer mehr verantwortlich für das Funktionieren und Versagen des Gesundheitssystems wird. Und damit wird auch das Gesundheitssystems mehr und mehr zum parteipolitischen Spielball.

Sowohl auf Landesebene, aber auch bei den Nationalratswahlen scheint Versorgung und Gesundheit zu einem zentralen Thema zu werden. Leider nicht zu einem konstruktiven, wo sichtbar wird, dass es um eine gemeinsame Anstrengung geht, eine gute und abgesicherte Versorgung auf hohem medizinischen Niveau zu garantieren, sondern zu einen destruktiven und in vielem vom Notwendigen und Sinnvollen abgetrennten Kampf um Popularität und Effekt. So muss man wohl auch den Show-Down des Gesundheitsministers sehen, der in seiner selbst hochgepriesenen Gesundheitsreform die wesentlichen Probleme nicht gelöst hat, aber sich stattdessen als Robin Hood im Kampf gegen die bösen und mächtigen Ärzt*Innen präsentierte und riskierte, die bestehenden und funktionierenden Vertragsmodelle zu sprengen, in dem er jenen, die die Versorgung Tag für Tag in ihren Praxen erbringen, kein Mitspracherecht für Ihre Arbeitsbedingungen mehr zugestehen wollte.

Jüngst lässt jetzt die SPÖ mit dem Vorschlag eines Rechtsanspruchs auf einen Facharzttermin innerhalb von 2 Wochen aufhorchen. Nebenbei erwähnt: staatlich garantiert (also offenbar ohne Gestaltungsrecht der Sozialversicherungen in einem verstaatlichten System) und dem Hinweis, dass Patienten keine Bittsteller sind!

Ja, ich sehe es auch so. Patienten sind keine Bittsteller, aber das Gesundheitssystem ist laut ASVG ein solidarisch finanziertes System, das garantieren sollte, dass jeder das bekommt, was er medizinisch braucht und nicht unfinanzierbare/nicht organisierbare Versprechungen.

Um dem Gesundheitssystem mittel- und langfristig das Überleben zu sichern, wäre es höchst an der Zeit, Regeln zur Begrenzung der Inanspruchnahme zu schaffen und nicht durch Überforderung das Systems zu sprengen, um damit erst recht Ausgewogenheit und Solidarität zu gefährden. Begrenzungsregeln für das Gesundheitssystem haben die Länder im Rahmen der Art.15a-Vereinbarung allerdings erfolgreich blockiert.

Offenbar wird es zunehmend zu einem Klassenkampfthema, dass jeder alles und zu jeder Zeit im Gesundheitssystem konsumieren kann, abgelöst von der Realität der Leist- und Finanzierbarkeit und abgelöst von der sachlichen Notwendigkeit. Und kein Politiker traut sich hinzustehen und zu sagen, dass dieses System mit begrenzten finanziellen Ressourcen das nicht leisten kann.

Ich glaube, dass alle die wirklich im Gesundheitssystem zu Hause sind und nicht nur am Schreibtisch, am Stammtisch oder in populistischen Parolen besser wissen, was alles gut wäre, wissen, dass das System am Bersten ist, dass man nicht auf Kosten der Leistungsträger im Gesundheitssystem Versprechungen machen kann und dass die Geduld enden wollend ist.

Jetzt die Unzufriedenheit und den Neid zu schüren bei Patient*Innen und ihnen zu suggerieren, dass sie derzeit um etwas betrogen werden im Gesundheitssystem, ist ein gefährliches Zündeln und Emotionalisieren und wird zu weiterer Unzufriedenheit und noch aggressiverer Anspruchshaltung bei den Patient*Innen führen. Vermutlich werden die Emotionen bei uns Ärzt*Innen abgeladen, die wir bereits jetzt als Buhmänner für ein System herhalten müssen, das wir seit langem nicht mehr mitplanen können. Ich zumindest habe noch selten gehört, dass man die Zentralplaner und Zielsteuerer beim Bund, den Ländern oder in den Sozialversicherungszentralen kritisiert, die in Wirklichkeit für das Funktionieren oder Versagen der Versorgung zuständig sind.

Bleiben also folgende Forderungen an das Verantwortungsbewusstsein der Politiker*Innen im Wahlkampf:

  • Schaffen Sie bitte endlich Regeln, die es ermöglichen, Versorgung auf hohem Niveau zu erhalten und die wirklich notwendige Versorgung garantieren.
  • Beachten Sie, dass der Großteil der Leistungserbringer erschöpft ist und kein Verständnis für politische Profilierung auf Kosten von anderen hat.
  • Unterlassen Sie es durch das Schüren von Neid und Missgunst die Gesellschaft weiter zu spalten.
  • Wir brauchen sinnvolle Begrenzungsmöglichkeiten und Lenkungssysteme für die Patient*Innen.
  • Wir brauchen einen Dialog und Mitspracherecht um das System zu gestalten.
  • Wir brauchen Politiker*Innen die bei den Patient*Innen die Eigenverantwortung stärken.
  • Und wir brauchen Visionen und Ideen, die uns glauben lassen, dass man wirklich den Willen und die Fähigkeit hat, das System zu verbessern und zu erhalten.
  • Wir brauchen Rahmenbedingungen, die garantieren, dass wir anerkannt und in Ruhe in diesem System unsere Leistung bringen können.

Bitte respektieren Sie das.

Der Optimismus, dass Politiker*Innen wirklich so vernünftig und weitblickend agieren ist gering. Aber wir stehen knapp vor Weihnachten. Da darf man ja wohl wünschen.

A propos
Ich bedanke mich bei jedem Einzelnen von Ihnen für den Beitrag, den Sie zur Versorgung der Patient*Innen erbringen und wünsche Ihnen und Ihren Familien frohe und glückliche Weihnachtsfeiertage, Entspannung und Erholung und inneren Frieden. Kommen Sie gut und gesund im Jahr 2024 an.