Mut zur Veränderung schaut anders aus
GESUNDHEITSSYSTEM
Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage über das österreichische Gesundheitssystem sind alarmierend und sollten der Politik ein dringender Weckruf sein, endlich zu reagieren: 45 Prozent der Befragten sind laut den Daten des Gallup-Instituts nämlich der Ansicht, dass sich die medizinische Versorgung in den vergangenen zwölf Monaten verschlechtert habe. Das ist eine Verschlechterung um 20 Prozent in nur einem Jahr. Verbesserungsbedarf sehen Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte in praktisch allen Bereichen - insbesondere im niedergelassenen Bereich (66 Prozent), wobei vor allem die langen Wartezeiten auf Termine und die kurze Dauer für Arzt-Patienten-Gespräche bemängelt werden.
Diese Ergebnisse wurden jetzt auch beim European Health Forum Gastein von aktiven und ehemaligen Gesundheitspolitikern diskutiert. Der von ihnen dort ausgestellte Befund ist so klar wie ernüchtern: Angesichts immer mehr älterer Menschen, immer weniger Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen und immer teureren modernen Therapien wird das solidarische Gesundheits- und Sozialsystem auf kurz oder lang kaum noch aufrecht zu erhalten sein. Es sei denn, man geht endlich mutige Reformen an. Doch wie sollen die aussehen?
Einer der Vorschläge: Zur Finanzierung des Systems brauche es Vermögens- und Erbschaftssteuern. Besonders visionär ist das nicht. Geld von jenen zu holen, die es haben, und dieses dann in ein marodes System zu pumpen, macht das System nicht besser – dafür aber noch teurer, weil es immer mehr zu einem Selbstbedienungsladen wird. Wieso nicht endlich mehr Eigenverantwortung der Menschen einfordern, wie nicht endlich nachdenken über Selbstbehalte im niedergelassenen Bereich und Ambulanzgebühren für Patienten, die ins Spital gehen obwohl sie dort nicht hingehören? Umverteilungs-Steuern lassen unser Gesundheitssystem nicht genesen.
Ebenfalls in Gastein diskutiert: eine umfassende Reform des Föderalismus, eine Finanzierung des Gesundheitssystems aus einer Hand und die Zusammenlegung aller Sozialversicherungen. Nun – im Bereich der damaligen Gebietskrankenkassen hat man den Föderalismus bereits zerschlagen. Was der nachfolgende Zentralismus gebracht hat, sieht man aktuell an Finanzen und Effizienz der Österreichischen Gesundheitskasse. Und das will man großflächig durchziehen?
Eine weitere Idee auf dem Kongress: Wer sich verpflichtet, einige Jahre dem öffentlichen Gesundheitssystem zur Verfügung zu stehen, soll beim Medizin-Aufnahmetest Bonus-Punkte bekommen und vorgereiht werden. Wie weit soll das dann gehen? Dass auch jene, die ganz und gar nicht für Medizin geeignet sind, einen Studienplatz bekommen, nur weil sie sich verpflichten, danach als Amtsarzt tätig zu werden? Will man so die Qualität der Versorgung steigern?
Es ist ernüchternd, mit welchen wahnwitzigen Ideen und visionslosen Konzepten die Politik das Gesundheitssystem leistbar halten und verbessern will. Es bleibt nur zu hoffen, dass der laufende Reformprozess von Bund, Ländern und Gemeinden, in dem das Gesundheitssystem ein zentrales Thema bildet, bald bessere Lösungen bringt. Und es bleibt auch abzuwarten, ob und wie sehr die Ärztekammer in diesen Prozess eingebunden wird. Bisher ist von dieser Einbeziehung jedenfalls nicht zu spüren – das merkt man auch an den oben erwähnten Beispielen. Reformwille und echter Mut zur Veränderung schauen anders aus.