Gesundheitswesen

Die gegenwärtigen Krisen (COVID-19 und Ukraine-Krieg), die eine massive Verteuerung von Energie und hohe Inflation bei stagnierender bis fallender Wirtschaftsleistung zur Folge haben, bewirken, dass der Staat in großem Ausmaß finanzielle Hilfen ausschüttet und versucht, die Härten abzufedern. Soviel Geld vom Staat - sowohl für die Wirtschaft als auch die individuelle Unterstützung der einzelnen Staatsbürger - hat es wohl noch nie gegeben und es wird jahrelange kollektive Anstrengungen benötigen, die Folgen dieser Krisen zu bewältigen.

Dennoch steigt die Unzufriedenheit bei sehr vielen Menschen massiv. Das Gefühl, dass jemand anderes zuständig ist, Schwierigkeiten und Probleme von ihnen fernzuhalten, wird immer mehr zu einem grundlegenden Lebensgefühl. Dabei bleibt es aber immer zu wenig, was für einen getan wird. Man kommentiert aus der Rolle des Empfängers mit dem Gefühl, die sollen gefälligst was für mich tun. Dabei verliert man häufig den Bezug dazu, dass der Staat letztendlich wir alle sind. Das Geld, das „der Staat“ ausgibt, ist das Geld, das von den Bewohnern des Staates genommen und dann neu verteilt wird.

Leider spüren wir diese Versorgungsmentalität auch im Gesundheitssystem zunehmend. Das Bewusstsein, dass auch das Geld im Gesundheitssystem nur das verwaltete Geld der Versicherten ist und dass es auch in der Verantwortung der einzelnen Versicherten liegt, vernünftig mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen, geht zunehmend verloren. Das Gefühl, dass einem alles zu jeder Zeit und nach eigenem Gutdünken im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen muss, ist weit verbreitet und setzt unsere Systeme enorm unter Druck. Volle Ambulanzen auf der einen Seite, Termindruck und hohe Begehrlichkeiten im niedergelassenen Bereich auf der anderen Seite. Das Gesundheitssystem gerät stark an seine Grenzen und vor allem die Menschen, die in diesem System arbeiten, sind an ihren Grenzen. Ich bin der Meinung, dass einer der wesentlichen Schlüssel das Gesundheitssystem zu schützen ist, das Bewusstsein in der Gesellschaft dahingehend zu ändern und dafür zu sorgen, dass die gemeinsame Verantwortung gesehen wird. Das Gesundheitssystem garantiert jeder und jedem medizinische Leistungen auf hohem Niveau. Es bleibt aber in der Eigenverantwortung, Leistungen nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn sie wirklich benötigt werden.  Es muss Verständnis dafür geben, dass nicht alles zu jeder Zeit und mit von Patient:innen selbst festgelegter Dringlichkeit konsumiert werden kann.

Gerade beim Thema Ambulanzentlastung zeigt sich deutlich, dass die eigentliche Antwort nicht die Schaffung neuer Strukturen oder das einseitige Verschieben der Leistung sein kann, sondern dass es dazu auch eine Begrenzung der Selbstzuweisungsmöglichkeiten und verbindliche Regeln für die Patient:innen geben muss. Wenn es die Politik und die Kassen nicht schaffen, endlich die Patientenströme zu lenken und auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wird es keine nachhaltigen Lösungen für das Problem geben. Gerade unpopuläre Entscheidungen wiederum benötigen jedoch vermehrtes Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung und die Schonung der vorhandenen Ressourcen.

An dieser Stelle noch ein dringender Appell: Es werden dringend Ärzt:innen für die Substitutionsmedizin gesucht, die finanziellen Bedingungen stehen gerade in Verhandlung und sollen verbessert werden. Ich ersuche Sie sehr, sich hier vielleicht in einem Bereich zu engagieren, der eher mit einer Randschicht der Bevölkerung zu tun hat, zweifellos handelt es sich aber um einen Bereich, für den wir auch ärztliche Verantwortung tragen und übernehmen müssen. Sollten Sie sich dazu entschließen können, sich in diesem Bereich zu engagieren, melden Sie sich bitte im Kammeramt.